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„Sallam aaleïkum – Friede sei mit dir!“ grüßte er sie.

„Aaleïkum sallam“, antwortete sie, indem sie sich zu ihm umdrehte. Aber kein freundlicher oder gar aufmunternder Blick fiel auf ihn.

„Die Tochter der Beni Hassan ist heute so schön wie immer“, sagte er.

„Und der Mann aus dem Osten schmeichelt wie immer“, antwortete sie.

„Ich sage die Wahrheit.“

„Es ist nicht nötig, daß du sie sagst.“

„Warum nicht? Ist es dir nicht lieb, schön zu sein?“

„Allah gibt die Schönheit, und er nimmt sie. Sie gehört ihm, aber nicht uns.“

„Du hast recht. Aber so lange man sie besitzt, soll man sich ihrer freuen. Oder weißt du nicht, welches Glück die Schönheit bringt?“

„Welches?“ fragte sie im gleichgültigsten Ton.

„Schönheit bringt Liebe.“

„Liebe, nur durch Schönheit erweckt, mag ich nicht.“

„Warum nicht?“

„Die Liebe hat nur dann Wert, wenn sie die Tochter des Herzens ist.“

„Auch jetzt hast du recht. Aber sage, ob dein Herz gut ist?“

„Wer kann sein eigenes Herz erkennen? Wer darf von sich selbst sagen, daß er gut ist? Nur Allah sieht in die Verborgenheit.“

„Du sprichst so weise wie ein Marabut. Wenn man auch nicht den Wert seiner Seele erkennt, so kann man doch die Gefühle seines Herzens kennen. Sage mir, Liama, ob dein Herz noch frei ist.“

„Frei? Kann das Herz ein Sklave sein?“

„Ja, ein Sklave der Liebe.“

„Dann würde ich die Liebe hassen, denn nur ein Tyrann besitzt Sklaven.“

„Und dennoch ist die Liebe ein Tyrann. Sie beherrscht das Herz, in welchem sie wohnt, vollständig. Auch mein Herz ist ihr Sklave.“

„Ich bedaure dich“, sagte sie kalt.

„Ja, bedaure mich, aber erlöse mich auch.“

Er trat ihr einen Schritt näher und erhob den Arm, als ob er denselben um sie legen wolle. Sie aber wich zurück und sagte:

„Ich verstehe dich nicht. Wie könnte ich dich erlösen?“

„Indem du meine Liebe erwiderst. Ja, Liama, ich muß dir sagen, daß ich dich liebe, daß ich an dich denke bei Tag und bei Nacht, daß ich ohne dich nicht glücklich werden kann. Sage mir, ob du mich wieder liebst.“

Seine Augen leuchteten in der Glut der Leidenschaft. Er hatte diese Worte fast zischend zwischen den Lippen hervorgestoßen.

„Nein“, antwortete sie kalt.

„Nicht?“ fragte er. „Warum nicht?“

„Ich weiß es nicht. Allah allein gibt Liebe.“

Er biß sich auf die Lippe. Das hatte er nicht erwartet. Er, ein Franzose, ein Angehöriger der großen Nation, sollte bei diesem Arabermädchen keine Liebe finden? Das hatte er gar nicht für möglich gehalten.

„Bin ich dir zu häßlich?“ fragte er.

„Nein“, antwortete sie lächelnd.

„Zu alt?“

„Nein.“

„Zu arm?“

„Ich weiß ja gar nicht, wieviel du besitzt.“

„Oder liebst du bereits einen anderen?“

Da richtete sich ihre Gestalt stolz empor.

„Wie darfst du wagen, der Tochter des Scheiks Menalek diese Frage vorzulegen?“ sagte sie. „Bin ich deine Dienerin, daß ich dir antworten muß?“

Sie war in ihrem Stolz, in ihrem Zorn doppelt schön. Sein Auge verschlang sie fast. Seine Leidenschaft ließ sein Herz so heftig klopfen, als ob er durch einen Dauerlauf atemlos geworden sei.

„Nein, antworten mußt du mir nicht“, sagte er, „sondern ich bitte dich nur, mir eine Antwort zu geben.“

„Du hast keine Erlaubnis zu dieser Bitte.“

„Ah, du liebst“, zischte er.

„Was geht es dich an?“

„Viel, sehr viel. Ich habe dir gesagt, daß ich dich liebe. Jeder meiner Atemzüge gehört dir; alle meine Gedanken sind dein Eigentum. Du sollst und du muß mich lieben; du mußt mein Weib werden. Ich werde um dich kämpfen, und ich sage dir, daß ich dich besitzen werde.“

Ehe sie Zeit fand, auszuweichen, hatte er ihre beiden Hände ergriffen.

„Laß mich!“ sagte sie.

„Nein, ich lasse dich nicht! Meine Liebe gibt mir ein Recht auf dich.“

„Ich befehle dir, fortzugehen!“ sagte sie in gebieterischem Ton.

„Fortgehen? O nein, nein, und tausendmal nein!“ antwortete er, indem er sich bestrebte, sie an sich zu ziehen.

Er vergaß, wo er war; er vergaß, daß man ihn hier auf der offenen Ebene beobachten konnte, ja, daß man ihn sehen mußte. Die Leidenschaft machte ihn blind, so daß er nicht einmal die beiden Männer bemerkte, welche hinter seinem Rücken rasch herbei geschritten kamen. Sie aber hatte dieselben gar wohl bemerkt, nur entging ihm das freudige Aufleuchten ihrer Augen.

„Soll ich um Hilfe rufen?“ fragte sie.

„Rufe!“ antwortete er. „Es wird dir nichts nützen, denn ich werde in dieser Stunde bei deinem Vater um dich anhalten.“

Da erklang es hinter ihm laut und in französischer Sprache:

„Was tust du da?“

Er drehte sich rasch um. Er bemerkte Saadi, welcher in kurzer Entfernung hinter ihm stand und antwortete schnell und zornig in derselben Sprache:

„Was geht es dich an?“

Saadi war nämlich mit dem Scheik noch im Gespräch begriffen gewesen, als der Tuareg von der Schlucht zurückkehrte. Kurze Zeit später sahen sie auch die beiden anderen daherkommen. Sie bemerkten, daß der jüngere nach der Gegend eilte, in welcher sich Liama befand.

„Er geht zu ihr!“ sagte Saadi, indem sich seine Brauen zusammenzogen.

„Zu Liama?“ fragte der Scheik. „Was will er dort?“

„Hat Liama es dir nicht gesagt, daß er ihr nachgeht, daß er ihr Schritt auf Schritt folgt?“

„Er mag sich hüten! Er ist ein Fremdling, den ich gastlich aufgenommen habe. Verletzt er das Gastrecht, indem er mein Kind beleidigt, so wird mein Dolch sein Herz finden. Und ist er gar ein Franzose, so – – –“

Er hielt inne; aber seine Miene sagte deutlich, was er auszusprechen zögerte.

„Sieh, er spricht mit ihr! Komm!“ sagte Saadi.

Er faßte den Scheik bei der Hand und zog ihn mit sich fort. Sie schritten schnell zwischen einigen Zelten hindurch und gelangten in das Freie. Die dort weidenden Tiere boten ihnen Deckung genug, unbemerkt in die Nähe des bedrängten Mädchens zu kommen. Ein starkes Lastkamel stand da, welches an den spärlichen Halmen naschte.

„Versteck dich hinter dem Tier“, sagte Saadi.

„Warum?“

„Ich werde ihn in der Sprache der Franzosen anreden. Vielleicht antwortet er mir in derselben; er würde dies aber nicht tun, wenn er dich sofort mit bemerkte. Der Sand wird unsere Schritte dämpfen.“

Der Scheik nickte und huschte mit einer Behendigkeit, welche man dem ernsten, gravitätischen Araber gar nicht zugetraut hätte, vorwärts, bis ihn der Leib des Kameles verbarg.

Saadi schlich sich ebenso behende heran und rief die bereits erwähnten Worte:

„Was tust du da?“

„Was geht es dich an“, antwortete der andere ebenso französisch, indem er sich herumdrehte und, zornig über die Störung, den Beduinen anblickte.

„Mehr als du denkst.“

„Mille tonnerres, wie meinst du das?“

Da trat der Scheik hinter dem Kamel hervor und sagte:

„Allah ist groß! Du redest die Sprache der Franzosen?“

Der Spion merkte jetzt erst, welch einen Fehler er begangen hatte; aber er faßte sich augenblicklich und antwortete, indem er auf Saadi deutete:

„Dieser doch auch.“

„Von ihm wußte ich es, von dir aber nicht. Was tust du hier?“

Erst jetzt ließ der Franzose die Hände des Mädchens los.

„Ich spreche mit Liama, deiner Tochter“, antwortete er.

„Aber du sprichst so mit ihr, daß sie um Hilfe rufen wollte!“

Die Hand des Scheiks hatte sich unwillkürlich an den Griff des Dolchs gelegt.