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„Auch uns weist du aus deinem Zelt fort?“

„Ja. Kämt ihr zu mir und nicht zu diesen Spionen, so würde ich euch willkommen heißen. Nun aber habt ihr gleiches Schicksal mit ihnen.“

Da blickte der dunkelhäutige Mann dem Scheik drohend in das Gesicht.

„Weißt du, daß dies schlimmer ist als Mord?“ fragte er.

„Ich weiß es“, antwortete der Gefragte ruhig.

„So bist du der Todfeind aller Tuaregs, und dein Stamm soll von der Erde verschwinden bis auf den letzten Mann. Die Hölle wird euch verschlingen mit allen euren Söhnen, Töchtern und Kindeskindern.“

Jetzt verließen die fünf Ausgewiesenen das Zelt und bestiegen ihre Pferde.

„Wohin?“ fragte der Cousin Richemontes leise.

„Zunächst nach Osten, um diese Kerls nicht merken zu lassen, wohin wir wollen.“

Ihre Pferde stoben im raschesten Galopp um die Schlucht herum und dann nach Sonnenaufgang zu, immer längs des Wadi Itel dahin. Erst nach mehreren Stunden, als man fast das Ufer des Schott (See) Melrir erreicht hatte, hielt Richemonte sein Pferd an und stieg ab. Die anderen taten dasselbe.

„Jetzt wollen wir sprechen“, sagte er. „Komm.“

Sein Verwandter folgte ihm abseits, während die Tuaregs sich scheinbar gleichgültig in den glühenden Sand lagerten.

„Was soll das heißen? Wie kam das alles?“ fragte Richemonte. „Ich verstehe und begreife es nicht. Hast du französisch gesprochen?“

„Leider, ja“, gestand der Gefragte.

„Esel! Welch ein ungeheurer Schnitzer. Wie konntest du dich so vergessen?“

„Dir wäre es ebenso passiert.“

„Wie kam es?“

„Ich sprach mit Liama – – –“

„Das war der Anfang des Unsinns. Ich rief dich zurück; aber du hörtest nicht. Hast du ihr eine Erklärung gemacht?“

„Ja.“

„Was antwortete sie?“

Der Gefragte stieß einen grimmigen Fluch aus und antwortete:

„Sie – ah, sie mag mich nicht.“

„Ich dachte es. Was gab sie für einen Grund an?“

„Einen sehr triftigen. Sie ist bereits versprochen.“

„Alle Teufel! Mit wem?“

„Mit diesem Saadi, den der Teufel herbeigeführt haben muß.“

„Und der verraten hat, daß er mich in Algier gesehen.“

„Und der es auch war, welcher mich zum Französischreden brachte.“

„Ah, wie kam das?“

„Oh, der Kerl hat es schlau angefangen. Ich stand gerade im Begriff, das Mädchen zu umarmen; da rief es in französischer Sprache hinter mir: ‚Was machst du da?‘ Und unwillkürlich gab ich eine französische Antwort.“

„Das war der dümmste Streich deines Lebens.“

Richemonte ließ nun eine ganze Flut ärgerlicher Ausdrücke los. Der andere ließ dieselbe ruhig über sich ergehen, bis sie zu Ende war.

„Und was nun?“ fragte der frühere Gardekapitän.

„Rache!“

„Natürlich. Aber wie?“

„Ich entführe das Mädchen.“

„Laß von diesem Geschöpf! Was willst du mit ihm anfangen?“

„Sie wird meine Frau.“

„Unsinn.“

„Und gerade erst recht. Ich muß sie haben, und ich will sie haben. Dieser Saadi aber soll nicht nur sie, sondern auch das Leben lassen.“

„Das versteht sich ganz von selbst. Übrigens will ich dir das Mädchen gönnen, denn sie ist wirklich einzig schön, und du bist verliebt. Verliebte aber bleiben so lange unzurechnungsfähig, bis man sie dadurch heilt, daß man ihnen den Willen läßt. Aber sie zu deiner Frau zu machen, das wäre Wahnsinn. Jetzt gilt es jedoch vor allen Dingen, keine Zeit zu verlieren. Wir müssen uns rächen und zugleich die Reichtümer des Deutschen an uns bringen. Ich denke, zu beiden werden sich die Tuaregs gebrauchen lassen. Sie mögen den Deutschen überfallen.“

„Das wäre der eine Teil. Und der andere, die Rache?“

„Hängt eng mit dem vorigen zusammen. Die Tuaregs überfallen den Deutschen, wir aber schieben die Schuld auf die Beni Hassan.“

„Donner und Doria. Das geht?“

„Natürlich geht es. Es ist sehr leicht. Cavaignac wird gezwungen sein, sie zu züchtigen. Wir beide machen die Führer. Dabei bitte ich mir den alten Halunken, den Scheik, und diesen Saadi aus, und du kannst die Bedingung machen, daß dir Liama überlassen wird.“

„Sie ist mir auf diese Weise sicher!“ rief der Cousin triumphierend. „Sprechen wir mit den Tuaregs.“

„Geduld! Ehe es zu dieser Katastrophe kommt, haben wir zwei Wochen Zeit, da erst dann der Deutsche anlangt. Das läßt uns Gelegenheit, uns des Auftrags zu erledigen, welchen uns der Gouverneur übergeben hat. Wir suchen den Marabut auf.“

„Wie weit ist es hin zu ihm?“

„Mit unseren müden Pferden werden wir sicherlich fünf Tage brauchen.“

„Fünf hin und fünf zurück, macht zehn. Da können wir vier Tage bleiben.“

„Vielleicht ist es in kürzerer Zeit abgetan. Es kommt darauf an, ob das Glück uns begünstigt oder nicht. Ruhe dich jetzt aus. Ich werde mit den Tuaregs verhandeln; dann trennen wir uns von ihnen.“

Während er sich zu den braunen Söhnen der Wüste begab, legte sein Verwandter sich in den Sand, um die letzterlebten Stunden nochmals an sich vorübergehen zu lassen. In seinem Innern glühte, kochte und tobte es von Liebe, Haß und Rachgier. Er liebte die schöne Liama mit einer Glut, welche nahe daran war, ihn unzurechnungsfähig zu machen. Der Wunsch, sie zu besitzen, war in ihm fast zur Manie geworden. Vielleicht war sein Körper nicht kräftig genug, dem Sonnenbrand der Wüste zu trotzen. Sein Gehirn war widerstandsfähig, und so hatte diese Liebe so in ihm Platz genommen, daß alle seine Gedanken nur auf sie gerichtet waren.

Natürlich dachte er nur mit dem wildesten Haß an den, welcher ihm die Geliebte weggenommen hatte. Diesen Menschen zu töten dünkte ihm eine Seligkeit, und er nahm sich vor, dies bei der ersten Gelegenheit zu tun. So lag er da im tiefen Sand, unbekümmert um die Unterredung der andern. Er gab nur seinen Leidenschaften und Begierden Audienz, bis ihn ein Ruf Richemontes aus seinen wilden Gedanken schreckte:

„Auf! Wir sind fertig!“

Als er sich erhob, sah er die Tuaregs zu Pferd sitzen.

„Sallam!“ riefen sie ihm kurz zu.

„Sallam!“ antwortete er instinktmäßig.

Dann stoben sie auf ihren Rossen davon, dem Süden entgegen.

„Brechen auch wir gleich auf?“ fragte er.

„Natürlich!“ antwortete Richemonte.

„Bist du mit ihnen einig geworden?“

„Vollständig.“

Dieses Wort wurde in einem Ton gesprochen, welcher deutlich verriet, daß der Sprecher seine Absicht wirklich erreicht habe.

„Was hast du mit ihnen ausgemacht?“

„Sie reiten der Karawane bis zum Brunnen Ben Abu entgegen und ziehen unterwegs so viele Tuaregs an sich, als notwendig sind, die Männer der Karawane zu überfallen. Dann begleiten sie dieselbe, natürlich unbemerkt über Rhadames und Tuggurt bis auf das Gebiet der Beni Hassan, wo der Überfall stattfindet.“

„Wir werden dabei sein?“

„Natürlich.“

„Was erhalten wir?“

„Sechs Kamelladungen, welche wir uns auswählen können.“

„Ist das nicht zu wenig?“

„Ah! Zu viel! Wir nehmen natürlich die Ladungen, welche am kostbarsten sind. Das übrige gehört den Tuaregs. Außerdem beanspruchen sie die Waffen und Tiere. Hauptsache aber war ihnen die Rache an den Beni Hassan.“

„Wird der Gouverneur glauben, daß diese die Räuber gewesen sind?“

„Dafür laß mich sorgen! Jetzt steig auf! Unser Weg ist weit, und es ist sehr leicht möglich, daß wir verfolgt werden.“

Einige Minuten später ritten sie davon, dem Norden zu, gerade entgegengesetzt der Richtung, in welcher die Tuaregs den Platz verlassen hatten.

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