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„Die Aufzeichnungen des alten Sünders“, sagte er. „Sie behandeln die Zeit von dem Tag an, an welchem er Jeannette verließ, um seinem Mädchen nachzulaufen, bis einige Jahre vor seinem Tod. Weiter!“

Unter dem Heft befand sich ein alter, wollener Lappen. Als dieser entfernt worden war, entfuhr den beiden Männern ein Ausruf der freudigsten Überraschung. Was sie sahen, war kostbares, mit Perlen und Edelsteinen besetztes Geschmeide, unter welchem der Topf mit lauter englischen Guineen angefüllt war.

„Alle Teufel, das ist mehr, als ich dachte!“ rief Richemonte erfreut.

„Das ist ein großer Reichtum“, meinte der andere, den Inhalt des Topfes mit gierig funkelnden Augen musternd.

Er wollte die Hand danach ausstrecken, allein der Kapitän schob ihn zurück und sagte in gebieterischem Tone:

„Halt, mein Junge! Das ist vorderhand noch nichts für dich.“

„Ah! Bin ich nicht Ben Hadschi Omanah, der Baron de Sainte-Marie?“

„Du sollst es erst werden.“

„Dann ist alles mein Eigentum.“

„Natürlich! Bis dahin aber werde ich es in meine eigene Verwahrung nehmen. Ich kenne dich. Sobald du Geld in der Tasche hast, bekommt es Flügel. Du bist imstande, deiner Liama hier den ganzen Kram für einen einzigen Kuß an den Hals zu werfen.“

„So verrückt bin ich allerdings wohl nicht!“

„Vorsicht bleibt Vorsicht. Ich will dir erlauben, dich herzusetzen, um mitzuzählen. Eingesteckt aber wird kein einziges dieser Goldstücke. Was wir für die nächste Zeit brauchen, das habe ich in Biskra erhalten.“

„Aber was soll denn mit diesem Schatz geschehen?“

„Vergraben wird er, bis wir mit Königsau fertig sind. Dann holen wir ihn und kehren nach Frankreich zurück, um zu sehen, ob dort die Verhältnisse unserem Vorhaben günstig sind.“

„Wollen wir nicht die Türöffnung verschließen? Es ist doch immerhin eine Überraschung im Bereich der Möglichkeit.“

„Pah, wer soll kommen. Draußen liegen die beiden Toten, einer hüben und der andere drüben. Sie halten so gut Wache, daß kein Mensch herein kann. Komm her, Junge, wollen an unsere Arbeit gehen.“

Zunächst wurde der Schmuck besichtigt. Er bestand aus vielen Gegenständen und repräsentierte einen wirklich hohen Wert. Dann zählten die beiden Mörder die Goldstücke; es waren ihrer gegen dreitausend.

„Dieser heilige Marabut ist wirklich ein großer Spitzbube gewesen“, meinte Richemonte. „Bescheiden hat er sich bei dem Diebstahl ganz und gar nicht aufgeführt. Desto besser aber ist das für uns, die wir seine dankbaren Erben sind. Er mag in Allah ruhen und selig werden.“

„Es ist wirklich zu verwundern“, sagte seine Gefährte, „daß seine Mutter sich keine Mühe gegeben hat, wieder zu dem Ihrigen zu gelangen!“

„Zu verwundern? O nein! Es beweist das bloß, daß sie viel Stolz und Ehrgefühl besessen hat, daß sie zweitens den Sohn wirklich aus dem Herzen gerissen hat, und daß sie drittens reich genug war, diesen Verlust verschmerzen zu können. Du siehst also ein, daß es sich der Mühe lohnt, Baron de Sainte-Marie zu werden.“

„Ob die alte Frau wohl noch leben wird?“

„Wer kann das wissen. Frauen haben oft ein zähes Leben. Wahrscheinlich aber ist sie gestorben. Sie war bereits damals die Jüngste nicht mehr.“

„Wo vergraben wir diese Sachen? Hier oben?“

„Fällt mir gar nicht ein! Unten im Dickicht liegen sie sicherer.“

„Und was tun wir mit den Leichen?“

„Den Marabut mag man in Gottes und Allahs Namen immerhin finden. Wir legen ihn in die Hütte, natürlich nachdem wir dieses interessante Loch zuvor wieder zugeworfen haben. Den anderen aber müssen wir irgendwo verscharren, wo er niemals entdeckt werden kann.“

„Wenigstens nicht eher, als bis er zur Unkenntlichkeit verwest sein wird, da ich es bin, der für ihn zu gelten hat. Machen wir, daß wir aus der Hütte hinauskommen. Die Lampe ist fast ganz herabgebrannt, und im Dunkeln mag ich nicht hierbleiben.“

Das festgetretene Erdreich wurde wieder mit dem Moos des Lagers bedeckt, und dann holte der Kapitän den Marabut herbei, den er darauf legte.

„So!“ sagte er. „Die Tür werden wir ihm nicht zumauern, wie er es sich bedungen hat. Er wollte nur einen einzigen Sonnenstrahl täglich haben, wir sind aber Christen und gönnen ihm mehr.“

„Und der andere?“

„Der muß liegen bleiben, bis der Morgen anbricht. In der nächtlichen Dunkelheit ist es ganz unmöglich, eine solche Arbeit vorzunehmen.“

„Und wo bleiben wir bis dahin?“

„Draußen irgendwo unter den Bäumen. Vom Schlafen ist keine Rede.“

„Diesen Schatz nehmen wir doch mit uns?“

„Ja, obgleich er hier bei den Toten sicher aufgehoben sein würde. Aber, alle Wetter, da hätten wir ja beinahe die Hauptsache vergessen. Die Legitimation, welche der junge Marabut zu sich gesteckt hat. Wenn wir sie mit ihm vergraben wollten, so würde es dir verteufelt schwer werden, den Baron de Sainte-Marie zuspielen.“

„Er hat sie in die Innentasche seiner Kutte gesteckt. Ich habe es gesehen.“

„So nimm sie heraus.“

„Das kannst du ebensogut.“

„Abermals Hasenherz!“

„Spotte immerhin. Am hellen Tag und im offenen Kampf, da stelle ich meinen Mann, des Abends oder gar des Nachts aber mag ich von Toten nichts wissen. Er ist das ein alter Grundsatz von mir.“

„Ja, Feiglinge pflegen in dieser Beziehung die festesten Grundsätze zu haben. Ich will hinausgehen, die Papiere zu holen. Siehe inzwischen nach, ob vielleicht noch Blutflecke zu vertilgen sind. Wer morgen kommt, darf nichts ahnen. Man muß denken, daß der Alte gestorben ist, während der Junge sich auf einer Exkursion auswärts befindet.“

Die Papiere wurden gefunden. Der Kapitän steckte sie zu sich. Nachdem nun auch einige noch sichtbare Blutspuren vertilgt worden waren, löschten die beiden die Lampe aus und begaben sich mit dem Topf nach dem Ort, wo sie bereits vorhin miteinander gesessen hatten. Sie fühlten trotz der Länge ihres anstrengenden Rittes nicht die mindeste Müdigkeit. Das abendliche Erlebnis hatte ihre Nerven erregt, so daß sie keine Spur von Schläfrigkeit bemerkten.

Sie versuchten, sich die Zeit durch leise geführte Gespräche zu vertreiben, wozu ihnen allerdings Stoff genug geboten war. Während einer Pause fragte der Jüngere den Kapitän:

„Leben deine Schwester Margot und ihr Mann noch?“

„Jener verfluchte Hugo von Königsau, der Günstling des alten Blüchers? Ihm habe ich viel Malheur zu verdanken. Ich wollte, daß ihn der Teufel hätte. Ob er ihn aber schon hat, das kann ich nicht sagen, da ich so lange Zeit nicht wieder drüben gewesen bin.“

„Ob der Lieutenant von Königsau, den wir jetzt so freudig überraschen wollen, wirklich ein Verwandter von ihm ist?“

„Natürlich! Er ist ein Sohn von ihm und meiner Schwester. Wenn dieser Laffe wüßte, daß sein lieber Onkel ihm unterwegs auflauert, um ihn um einige Tropfen Blutes und verschiedene Kamelladungen leichter zu machen! Ich glaube, daß endlich, endlich meine Zeit begonnen hat. Ich habe jahrzehntelang vergebens auf sie gehofft und gewartet, und sie ist nicht gekommen. Ich habe gedarbt und gekämpft fast ein ganzes Menschenalter, ohne daß meine Hoffnung erfüllt worden ist. Jetzt aber winkt mir die Erfüllung meiner Wünsche. Rache will ich haben, Rache an diesem Königsau und seiner ganzen Sippe und auch, womöglich, Rache an der ganzen Nation dieser vermaledeiten Deutschen, deren Anwesenheit in Paris ich es zu verdanken habe, daß andere, welche damals neben mir dienten, heute bereits die Marschallstäbe tragen. Vielleicht gibt der Satan, wenn ich wieder im Vaterland wohne, diesen Deutschen die gehörige Portion Verblendung, einen Krieg mit uns zu beginnen; dann werde ich alles, alles tun, um ihr Blut fließen zu sehen, Blut, Blut und Blut.“

Wäre es nicht dunkel gewesen, so hätte man an ihm jenes Zähnefletschen beobachten können, welches bei ihm stets ein Zeichen grimmiger Aufregung war. Er befand sich jetzt in der Stimmung, in welcher er sich am wohlsten fühlte.