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„Wer hätte gedacht“, meinte sein Gefährte, „daß wir heute so rasch zum Ziel kommen würden.“

„Und zu welch einem Ziel! Zwei Sainte-Marie sind tot, und ein Richemonte wird Baron. Das ist überschwenglich, mehr, als selbst die kühnste Hoffnung erwarten konnte. Wir können zufrieden sein.“

„Welche Nachricht wirst du dem Gouverneur Cavaignac bringen?“

„Bringen? Keine. Ich werde sie ihm durch den Kommandanten von Biskra, zu dem wir reiten, schicken. Es hat sich durch unser heutiges Abenteuer so vieles geändert, daß auch ich meinen Plänen eine andere Richtung geben muß. Es wird dies der letzte Dienst sein, den wir dem Gouverneur erweisen. Ich habe die Spionage satt.“

„Wird er erfahren, wer der Marabut eigentlich gewesen ist?“

„Wo denkst du hin! Er wird erfahren, daß er den frommen Hadschi Omanah nicht mehr zu fürchten brauche, weil dieser heute gestorben ist. Und unseren Lohn werden wir sicher erhalten. Ich hole ihn mir nach dem Überfall der Karawane des Deutschen.“

„Mir recht. Noch aber ist mir nicht klar, wie wir die Beni Hassan in den Verdacht bringen wollen, den Deutschen überfallen zu haben.“

„Das laß nur meine Sorge sein. Der Plan dazu ist fertig, er harrt nur noch der Ausführung und des Gelingens.“

„Ich mache aber die strenge Bedingung, daß dieser Saadi, der Geliebte Liamas, sterben muß.“

„Am liebsten ließe ich den ganzen Stamm vernichten und deine süße Liama zu allererst. Du wirst sehen, wohin dich diese Liebesblindheit führen wird. Ich habe meine Schuldigkeit getan und dich gewarnt; jetzt sieh du zu, ob du auch imstande sein wirst, die voraussichtlichen Folgen deiner Starrköpfigkeit auf deine eigenen Achseln zu nehmen.“

„Das laß nur immerhin meine Sorge sein“, antwortete der andere so kurz wie möglich. „Du sollst gar nicht das Glück haben, die Folgen dieses dummen Streiches, wie du ihn nennst, mitgenießen zu können.“

Mit dieser etwas scharfen Entgegnung wurde das Gespräch abgebrochen. –

Der Duft der Wüste stieg empor; es wehte leise, leise in den Zweigen; wie Flügelschlag einer fliehenden Seele; die Sterne des Südens lächelten herab, als ob es kein Ereignis gegeben habe, durch welches die Ruhe und der tiefe Frieden des heiligen Berges in so entsetzlicher Weise gestört worden sei. Als Arthur auf Wunsch des sterbenden Vaters betete:

„Mein Leben und meine Ende

Ist Dein. In Deine Hände

Befehl ich, Vater, meinen Geist!“

hatten sein Schmerz und sein gewaltsam niedergehaltenes Schluchzen nur diesem Vater gegolten, und doch hatte er sein eigenes Sterbegebet gesprochen. Er hätte die Wüste verlassen sollen, um nach dem Heimatland seines Vaters zu pilgern; nun aber war er mit diesem eingegangen in eine Heimat, welche höher und herrlicher ist als alle Stätten der Erde. –

Kaum begann im Osten der Horizont sich leise aufzuhellen, so machten die beiden Mörder sich an die Arbeit, den Topf mit dem Gold und den Kostbarkeiten einzugraben. Sie fanden bereits nach kurzem Suchen einen außerordentlich passenden Ort, an welchem sie den geraubten Schatz für voraussichtlich nur kurze Zeit der Erde anvertrauten. Einige nur ihnen in die Augen fallende Kennzeichen dienten zur Bezeichnung dieser Stelle, und sodann begaben sie sich wieder nach der Hütte des Marabut.

Sie traten nochmals in das Innere, um sich nun auch beim Licht des hereinbrechenden Morgens zu überzeugen, daß keine Spur ihrer schaurigen Tat vorhanden sei. Dann ergriffen sie die Leiche des Ermordeten, um sie im tiefen Wald zu verscharren, zu welchem Zweck sie den in der Hütte vorgefundenen Spaten mitnahmen. Auch dieses unheimliche Geschäft wurde rasch beendet, dann aber machten sie sich auf den Weg, um ihre zurückgelassenen Pferde aufzusuchen. Sie fanden dieselben an Ort und Stelle und trabten bald, da die Tiere sich mittlerweile ziemlich erholt hatten, munter dem Osten zu, in welcher Richtung Biskra, ihr nächstes Ziel, zu suchen war.

ACHTES KAPITEL 

Heirat

Der alte ‚Marschall Vorwärts‘ hatte nach der siegreichen Schlacht bei Waterloo Frankreich zum zweiten Mal niedergeworfen. Paris war erobert und ein erneuter Frieden geschlossen worden, derselbe hatte Napoleon Thron und Freiheit gekostet. Er war nach der Insel St. Helena verbannt worden, von wo eine Rückkehr nicht so leicht zu bewerkstelligen war, als von Elba.

An diesem Niederringen der Kohorten des großen Korsen hatte Hugo von Königsau leider nicht mit teilnehmen können. Er war von den Folgen der fürchterlichen Hiebwunde monatelang an das Lager gefesselt worden. Lange, lange Zeit hatte er in völliger Bewußtlosigkeit gelegen. Diese war zunächst in einen apathischen, dann in einen traumhaften Zustand übergegangen, und erst später hatte es hier und da einen kurzen, lichten Augenblick gegeben, in welchem das Auge des Schwerkranken mit Bewußtsein an der Gestalt seiner Pflegerinnen gehangen hatte.

Diese waren seine aus Berlin herbeigeeilte Mutter, Frau Richemonte und ihre Tochter Margot, seine Geliebte.

Er erkannte sie alle drei. Er lernte sich von Stunde zu Stunde besser und deutlicher auf alles, was früher, geschehen war, besinnen. Seine Erinnerung reichte bis zu seiner Ankunft auf dem einsamen Hof, wo der brave Kutscher Florian seine Geliebte in Sicherheit gebracht hatte. Aber weiter konnte er sich nicht besinnen, so sehr er seinen leidenden Kopf auch anstrengte. Und selbst als die Ärzte ihn für hergestellt erklärten, war in diesem Punkt sein Gedächtnis noch immer nicht wiedergekehrt.

Er wußte ganz genau, daß er nach dem Hof gekommen war, um die Kriegskasse an einer anderen, sicheren Stelle zu verbergen. Er hatte auch den Situationsplan bei sich, den er gezeichnet hatte, er wußte den Ort, an welchem die Kasse zuerst verborgen gewesen war, ganz genau, seine erste Exkursion nach seiner Genesung führte ihn hinauf nach der Schlucht, wo er bei der dort vorgenommenen Nachgrabung auch die Leichen der beiden Männer fand; er besaß sogar noch das über die Ermordung des Barons Reillac abgefaßte und von seinen Untergebenen unterzeichnete Protokoll – aber dennoch blieb es ihm vollständig unmöglich, sich auf das zu besinnen, was innerhalb der Zeit von ungefähr zwölf Stunden vor seiner Verwundung geschehen war.

Er kannte die Namen aller, welche bestimmt gewesen waren, ihn nach der Schlucht zu begleiten und ihm bei der Ausgrabung der Kasse behilflich zu sein, er hielt genaueste Nachforschung und erfuhr, daß sie nie wieder zurückgekehrt seien. So sah er sich gezwungen, nach Berlin zu gehen, ohne in dieser wichtigen Angelegenheit Klarheit gewonnen zu haben.

Auch Blücher kehrte nach dem Friedensschluß nach der Hauptstadt Preußens zurück. Er wurde natürlich sofort von Königsau aufgesucht und jener empfing denselben mit seiner herkömmlichen, freundlichen Derbheit.

„Guten Morgen, mein Junge!“ meinte der Marschall. „Ich höre, du hättest einen solchen Schmiß über den Kopf erhalten, daß der Teufel jeden Augenblick bereit gewesen sei, dich zu holen?“

„Ja, es war ein verfluchter Schmiß, Exzellenz“, antwortete Hugo.

„Der Teufel hat aber doch auf dich verzichten müssen? Na, das ist gut, das freut mich! Quecken, Hederich, Sauerampfer und anderes Unkraut verliert sich nicht so leicht; das habe ich an mir selber hundertmal erfahren.“

„Aber eine verdammte Geschichte war es doch, Durchlaucht!“

„Hm! Ja! So ein Hieb wirft einen aufs Bette. Da gibt's rotrussisches Seifenpflaster, Weiermüllers Universalpflaster, Schwarzburger Zugpflaster, gelben Zug, roten Teakel, Heinswalder Kanaillenpflaster, Brausebeutel, Rizinusöl, Brechmittel, Purganzen und lauter solches verfluchtes Zeug, was einen Kranken nur noch elender macht, anstatt ihm auf die Socken zu helfen. Ich kenne das, oh, ich kenne das sehr genau. Mir aber dürfen diese Pflasterkasten nicht wieder an den Corpus. Wenn ich einmal meinen letzten Atem schnappe, so will ich ohne Medizin gen Himmel fahren.“