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„Allerdings.“

„Kerl, dich soll der Teufel reiten. Wenn so ein vorgesetzter Kerl von dir an mich schreibt, so verlange ich allerdings, daß er alles, alles bringt, nämlich den Fürsten, den Gebhard Leberecht, den Marschall, die Exzellenz, den alten Blücher, die Durchlaucht, die Hoheit und das Euer Gnaden. Wehe ihm, wenn er ein Jota weglassen wollte. Aber wenn du, der Zurückgesetzte von diesen Vorgesetzten, mir schreibst, so ist das überflüssig. Ich will diesen Kerls beweisen, daß ich etwas auf dich halte. Wie viele Zeilen hat denn dein Gesuch?“

„Zweiundfünfzig.“

„Mein Gott, zweiundfünfzig! Ist denn solch ein Quirlquatsch nötig? Setze dich hin und nimm einen anderen Bogen. Ich werde dir diktieren.“

Königsau gehorchte. Blücher steckte die Pfeife ordentlich in Brand, lief nachdenklich im Zimmer auf und ab und fragte nach einer Weile:

„Kann's losgehen?“

„Ja.“

„Gut, also jetzt! Was haben wir heute für einen?“

„Den Dreiundzwanzigsten.“

„Ah, ja, übermorgen ist ja Weihnachten. Also gerade zu Weihnachten läßt du dich trauen? Das freut mich, und das paßt mir. Hast du die Feder auch gehörig eingetunkt?“

„Ja.“

„So schreibe! Berlin, den dreiundzwanzigsten Dezember 1816. An meinem Freund und Gönner Gebhard Leberecht von Blücher. – – – Fertig? Also weiter! Lieber Freund und Kampfgenosse! Ich habe einen gottserbärmlichen Schmiß über den Kopf bekommen. Ich soll deshalb den Abschied verlangen. Ich tue es hiermit. Von Dir ist er mir lieber als von anderen; denn Du weißt, daß ich meine Pflicht getan habe. Dein treuer Hugo von Königsau, Lieutenant.“

„Fertig?“ fragte er eine Minute nach dem letzten Worte.

„Ja“, antwortete Hugo.

„Na, weißt du nun, wie ein Abschiedsgesuch gemacht wird?“

„Exzellenz, die Worte wollten mir nicht aus der Feder.“

„Warum nicht?“

„Dieser Scherz ist mir allerdings ein erfreulicher Beweis Ihres –“

„Unsinn!“ unterbrach ihn Blücher. „Es ist kein Spaß, sondern mein Ernst, zeig mal her! Hast du Streusand drauf? Schütt' Tabakasche drauf! Die löscht viel besser als Sand.“

Dies wurde getan, und dann nahm Blücher den Bogen her, um ihn zu lesen.

„Hast wirklich keine üble Hand“, meinte er. „Dein Geschreibsel ist besser zu lesen als meines. Rate, wer das zu lesen bekommt.“

„Ich habe keine Ahnung, Exzellenz.“

„Keine Ahnung? Dummkopf, wer anders als der König.“

Königsau hatte sich das gedacht, aber er erschrak dennoch.

„Exzellenz“, meinte er zögernd. „Es scheint mir, als ob in diesem Fall das Gesuch denn doch eine veränderte Fassung erhalten müßte.“

„Eine andere Fassung? Wie meinst du das? Den Bogen zusammengebrochen? Das versteht sich ja ganz und gar von selber. Es kommt sogar ein Kuvert darüber.“

„Ich meine, daß der Inhalt durch andere Worte ausgedrückt werden müsse.“

Blüchers Brauen zogen sich zusammen.

„Die Worte verändern?“ fragte er. „Mensch, Kerl, Junge, Königsau, was fällt dir ein? Denkst du etwa, daß ich kein Gesuch entwerfen kann?“

Hugo erschrak.

„Exzellenz“, beeilte er sich, zu antworten, „ich bin vollständig überzeugt –“

„Oder, daß ich nicht diktieren kann?“ unterbrach ihn Blücher. „Dieses Gesuch ist ein stilistisches Meisterwerk, und der König bekommt es zu lesen. Damit basta und Punktum. Aber nun weiter. Wie steht es mit diesem Richemonte. Wollen wir ihn abfangen?“

„Ich weiß nicht, ob dies möglich ist.“

„Warum nicht? Du weißt ja seinen Aufenthalt?“

„Aber Straßburg gehört zu Frankreich.“

„Das ist egal. Wie heißt in Frankreich der oberste Ankläger?“

„Generalprokurator.“

„Nun gut. An diesen Generalprokurator schreibe ich. Ihm schicke ich die Anklage. Und dann will ich sehen, ob man es wagen wird, einen Antrag des alten Blücher unbeachtet zu lassen. Was hattet ihr diesem Richemonte an der Leiche seines Opfers abgenommen?“

„Reillacs Börse und Brieftasche. Sein Wappen und Namenszug befinden sich darauf.“

„Das ist hinreichend. Ihr habt die Leiche begraben, und du könntest die Stelle heute noch finden?“

„Ganz gewiß.“

„Es wäre ja möglich, daß man deine Gegenwart forderte. Hast du die Ermordung direkt gesehen?“

„Nein.“

„Das ist dumm. Nun kann er leugnen.“

„Oh, doch nicht. Ich sah ihn mit Reillac beisammen. Nach einer Zeit von kaum fünf Minuten kehrte ich zurück. Richemonte war fort, Reillac aber lag erstochen am Boden. Er war noch warm. Es fehlten ihm die Gegenstände, welche wir dann bei Richemonte fanden.“

„Das ist allerdings genug. Wie mag das Testament in die Hände des Kapitäns gekommen sein?“

„Vielleicht ist es gefälscht. Ist es jedoch wirklich echt, so kann es für Reillac ja irgendeinen Grund gegeben haben, es den Händen Richemontes anzuvertrauen.“

„Das ist wahr“, meinte Blücher. „Richemonte hat kein Vermögen?“

„Nein, aber desto mehr Schulden, wie Exzellenz bereits wissen.“

„Dann muß es allerdings verteufelt fatal für ihn sein, in diesem Testament ein riesiges Vermögen in der Hand zu halten, von welchem er nicht einen Heller erhalten wird.“

„Deshalb will er Margot zu sich locken.“

„Ja, er würde die Erbschaft für sie erheben und dann schleunigst durchbringen. Das soll ihm nicht gelingen. Na, übermorgen bin ich bei euch, da besprechen wir alles, und dann wird gehandelt. Jetzt kannst du dich von dannen trollen, mein Junge. Grüße mir die Margot und auch die anderen beiden Frauen! Das Abschiedsgesuch wird besorgt. Adieu.“

„Adieu, Exzellenz!“

Er ging. War er durch seine kaum überwundenen Leiden in eine trübe Stimmung und dann durch den Wink, seinen Abschied zu nehmen, verbittert worden, so hatte ihn jetzt die Unterredung mit dem alten Haudegen förmlich erquickt und wieder aufgerichtet. Er kehrte mit frischem Mut zu den Seinigen zurück.

Zwar war es zutreffend, daß er keinen Reichtum besaß. Das kleine Gut, welches er sein Eigentum nannte, brachte nicht mehr ein, als er zur notwendigen Befriedigung bescheidenster Lebensansprüche bedurfte; aber wenn er die Augen seiner Margot so glücklich und vertrauensfreudig auf sich gerichtet sah, so war es ihm, als ob es niemals einen Tag geben werde, an welchem er mit seinem Schicksal hadern könne.

„Hat er dich freundlich empfangen?“ fragte sie, als er sich neben ihr niedergelassen hatte.

„Er hat mir wahrhaftig die alte Zuneigung und Güte bewahrt“, antwortete er. „Laß dir nur erzählen, meine Margot.“

Er berichtete, und sie freute sich, als sie seine Augen nach so langer Zeit wieder vor Freude und Vergnügen leuchten sah. Und als er geendet hatte, meinte sie im Ton innigster Überzeugung:

„Blücher ist nicht der Mann, etwas fallen zu lassen, was er einmal ergriffen hat. Glaube mir, daß er bemüht sein wird, dich für die Untätigkeit zu entschädigen, in welche man dich zwingen will.“

Und sie hatte recht.

Der Weihnachtstag kam heran, und Hugo erhielt das kostbarste Geschenk, welches ihm jemals an diesem Tag geworden war: ein Weib, wie es schöner, lieber und besser kein Mensch besitzen konnte.

Wie entzückend war Margot in ihrem einfach weißen Brautkleid! Sie glich einem überirdischen Wesen und wurde durch keine Brillanten, durch kein Raffinement, sondern nur durch die eigenen Reize, die eigene Lieblichkeit geschmückt.

Die Gäste waren schon alle versammelt, als der Marschall erschien. Er hatte seinen beiden Lieblingen zu Ehren seine beste Hof-, Parade- und Galauniform angelegt. So alt er war, als er eintrat, schien ein Hauch erhöhter Jugend und gesteigerten Wohlbefindens durch die Versammlung zu wehen. Das ist stets der Fall, wenn ein Charakter naht, welchem die Stimme der Natur mehr gilt, als die störenden Ansprüche einer berechnenden und künstlich emporgeschraubten Welt.