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„Guten Tag alle mitsammen!“ rief er heiter, indem er sich umblickte. „Donnerwetter, ist das ein Weihnachten! Da bringt das Christkind Braut und Bräutigam. Ich wollte, ich könnte es auch noch einmal so gut haben. Langt zu, ihr Jüngeren! Wo ist denn dieser Mosiöh, der Herr Lieutenant von Wilmersdorf?“

„Hier, Exzellenz“, meldete sich der Genannte, indem er vortrat und die Fersen klirrend zusammenschlug.

Blücher betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Füßen herab und sagte dann:

„Also er ist der Urian, der mir die Brautführerschaft wegschnappen wollte? Mit ihm sollen doch gleich drei Schock Schulpferde durchbrennen!“

Der Lieutenant wurde einigermaßen verlegen, faßte sich aber und sagte:

„Mit Verlaub, Exzellenz, ich hatte keine Ahnung davon, daß ich mit meinem Oberfeldherrn rivalisierte. Ich trete feierlichst zurück.“

„Er muß auch! Ob er das feierlich tut oder nicht, das kommt ganz und gar auf Seinen Geschmack an. Na, Scherz muß sein! Damit Sie aber sehen, Lieutenant, daß ich Sie nicht ganz berauben will, so sollen Sie wenigstens jetzt Gelegenheit erhalten, den Brautführer zu machen. Wo befindet sich Fräulein Margot?“

„Im Nebenzimmer.“

„Eigentlich hätte ich sie aufzusuchen; aber um Ihnen die besagte Gelegenheit zu geben, so gehen Sie einmal und bringen Sie sie mir.“

Der Lieutenant entfernte sich eilig, um diesem Gebot Folge zu leisten. Unterdessen begrüßte Blücher Königsau und die anderen, als dann aber Margot eintrat, machte er eine Miene größter Überraschung.

„Millionendonnerhagel!“ rief er. „Ist das wirklich unsere Margot?“

Und recht hatte er. Ein wahrhaft reines und braves Mädchen macht als Braut den Eindruck, als ob es eine ganz andere sei.

Blücher ließ sie nicht völlig herankommen, sondern er schritt in einer Haltung und mit einer Courtoisie auf sie zu, als ob sie die Prinzessin eines königlichen Hauses sei. Er zog ihre Hand galant an seine Lippen, blickte ihr liebevoll in die Augen, als ob er ihr Vater und sie seine Tochter sei und sagte dann mit sichtlicher Rührung:

„Fräulein, wissen Sie, daß der alte Blücher nicht mehr lange leben wird? Wenn ich es mir auch nicht anmerken lasse, aber ich bin überzeugt, daß dieser armselige Klapperbein doch so langsam seine Hand nach mir ausstreckt. Es ist mir nicht viel Vergnügen mehr beschert, und so sage ich Ihnen aufrichtig, daß die Freude, welche ich gegenwärtig empfinde, wohl die beste und reinste sein wird, die ich noch genieße.“

Diese Worte des alten Helden machten einen eigentümlichen, tiefen Eindruck, den er aber bald durch einige seiner jovialen, derben Scherzworte wieder zu verwischen trachtete. Es gelang ihm dies auch recht gut.

Es hatte sich ganz von selbst herumgesprochen, daß Blücher sich ausgebeten habe, bei Königsaus Hochzeit der Führer der Braut zu sein. Daher kam es, daß in der Kirche ein so dichtgedrängtes Publikum vorhanden war, als ob Gottesdienst gehalten werde. Die anwesenden jungen Männer beneideten den Lieutenant um die schöne Französin, welche er sich als Kriegsbeute mitgebracht hatte, und alle Damen gönnten dem schönen, hochgewachsenen und mit einer solchen Narbe geschmückten Mann das Glück, welches er sich erobert hatte. Und sie alle, ohne Ausnahme, freuten sich darüber, daß Blücher um eines einfachen und armen Lieutenants willen die stolzen Regeln der hohen Gesellschaft verletzt hatte und nur seinem Herzen gefolgt war.

Als die Trauung vorüber war und die beiden Glücklichen den Segen des Priesters empfangen hatten, nahm Blücher Königsau bei der Hand und sagte:

„Junge, nun ist sie deine Frau. Halte sie wert wie den größten Edelstein, den es auf der Erde gibt. Tue mir das zu Gefallen!“

Und Margot drückte er einen leisen Kuß auf die Stirn, bevor er ihre Hand ergriff und ihr sagte:

„Mein Kind, er ist ein tüchtiger Kerl. Mache es ihm leicht, wenn das Leben ihm verweigert, was er verdient hat. Der warme Blick einer Frau macht alles Unrecht und alle Kränkung gut!“

Er hatte ganz unwillkürlich, so wie es in seiner Gewohnheit lag, so laut gesprochen, daß man es durch die ganze Kirche hörte. Seine einfachen, schlichten Worte brachten eine tiefe Rührung hervor, tiefer als die Rede des Geistlichen es vermocht hatte. Es gab unter ihnen allen kein Paar, dem ein derartiger Mann eine solche Traurede gehalten hatte.

Aber dann später, als die Festgäste beim Mahl saßen, floß mancher Witz aus dem Mund des Alten, welcher noch das Herz und Gemüt eines Kindes und den Mut und die Lebenslust eines Jünglings besaß. Hier und das war auch ein Wort zu hören, welches nicht ganz im Einklang mit der Subordination stand; er aber überhörte das. Endlich stand er auf und sagte:

„Kinder, wir haben heute schon die ganze Zahl von Toasten gebracht, welche an einem solchen Tage notwendig sind. Was ich jetzt bringen will, ist kein Toast, sondern eine Bitte. Komm her, Königsau, mein Junge, schenke mir noch einmal ein! So! Und nun hört, ihr Leute, der alte Blücher ist heutzutage ein berühmter Mann, woraus er sich aber den Teufel macht. Man wird von ihm reden und die Scriblifexers werden Geschichten von ihm erzählen, allerhand Wahres und Falsches; ja, in den Schulen wird es Weltgeschichtsbücher geben, in denen auch sein Name steht; aber was bringt das ihm für einen Nutzen? Keinen. Er weiß doch, daß alles, was er mit dem Säbel mit Hilfe Gottes und seiner Soldaten zustandegebracht hat, durch die Federfuchser wieder verdorben wird. Nach jedem Delirium tritt eine Abspannung ein, und einem Jahr der Begeisterung pflegt ein Jahr der Reaktion zu folgen. So wird es auch hier sein. Was wir mit Blut errungen haben, wird durch Tinte wieder futsch gehen. Man wird nicht halten, was man versprochen hat. Aber ich sage euch, daß der liebe Gott doch weiß, was er will. Das Blut eines Volkes ist ein kostbarer und fruchtbarer Samen, welcher sicher früher oder später Früchte bringen muß. So wird auch einst die Zeit kommen, in denen Deutschlands große Ernte beginnt. Ich erlebe sie nicht, ihr aber könnt es wohl noch wachsen und reifen sehen. Wenn dann an dem Baum unserer Taten die Früchte hängen, welche uns leider für dieses Mal von den Diplomatenwürmern und Politikermaden abgefressen werden, dann denkt an euren alten Blücher. Und solltet ihr es nicht erleben, so sagt es euren Kindeskindern, daß sie dann, wenn der Deutsche wieder dreingehauen hat und es kein solches Ungeziefer mehr gibt, das Glas zur Hand nehmen und es leeren auf das Andenken des alten Marschalls Vorwärts, der am liebsten den ganzen Wiener Kongreß ebenso zusammengehauen hätte wie die Franzmänner jenseits des Rheins! Es ist das letzte Glas, welches ihr in diesem Leben mit dem Gebhard Leberecht trinkt!“

Die Wirkung dieser Worte und der Eindruck, welchen sie hervorbrachten, läßt sich gar nicht beschreiben. Die Versammlung war auf das Tiefste ergriffen. Der Alte hatte seiner Erbitterung hier einmal Luft gemacht; er hatte dann gesprochen wie ein Prophet des Alten Testaments, welcher dem Volk Gottes den Vorhang der Zukunft öffnet, und endlich war sein letzter Wunsch für sie ein Vermächtnis geworden, welches sie auf Kinder und Kindeskinder zu vererben hatten. Es war ein Augenblick, so feierlich wie bei solchen Gelegenheiten selten einer. Die Gläser wurden still und wortlos geleert, als ob man sich scheue, die Heiligkeit dieses Moments zu entweihen.

Blücher aber war es selbst, welcher es unternahm, die vorige fröhliche Stimmung wieder hervorzurufen. Er sagte nämlich, auf eine Seitentafel zeigend, auf welcher man die Hochzeitsgeschenke geordnet hatte:

„Aber jetzt schaut einmal dorthin, Kinder. Was werdet ihr sagen? Ihr werdet meinen, der alte Isegrim könne wohl Reden halten, aber die Hauptsache habe er vergessen. Da irrt ihr euch jedoch. So etwas lasse ich mir nicht nachsagen. Ich bin kein reicher Kerl, und ihr wißt, Spiel und Wein haben mich immer ein Heidengeld gekostet. Wenn unser König nicht ein Einsehen gehabt hätte, so wäre ich oftmals bankrott gewesen. Große Gaben kann ich nicht bringen, ein Schuft gibt mehr als er hat; aber etwas bringe ich doch. Da, Margot, nehmen Sie es hin, und geben Sie es Ihrem jungen Mann, wenn ich jetzt ausgerissen sein werde.“