»Er hat sein Mädchen geholt«, sagte Isolde, »Gott ist das süß.« Und Robert brummte: »Ich finde, sie schielt.«
Nero ging mit erhobenem Schwanz auf das bekannte Sofa zu, und Rosa folgte ihm und quiekte wie ein furchtsames kleines Schweinchen.
»Hopp!« sagte Nero, und sie fragte: »Ja, dürfen wir das denn?«
Er lag schon oben und sah verächtlich auf sie herunter. »Dürfen? Pah!« sagte er, »wer dumm fragt, kriegt dumme Antworten. Sieh dir diese Leute doch an, die sind doch ganz begeistert von uns. Das muß man nutzen. Sie heißen übrigens Robert und Isolde.«
»Robert!« krähte Rosa unglücklich, »Isolde!«
Und Isolde kam, nahm sie auf den Arm, legte sie auf ein Kissen neben Nero, streichelte sie und sagte sanft: »Geh du nur zu deinem kleinen Freund.«
»Siehst du«, sagte Nero, »so stehen hier die Aktien. Man schätzt uns. Hier kriegen wir alles, du darfst dich nur nicht zu blöd anstellen.«
Ja, da lagen sie nun, warm ineinandergekuschelt, laut schnurrend. Isolde räumte den Frühstückstisch ab und versuchte, keinen Lärm dabei zu machen. Robert setzte sich mit einer Zeitung in einen Sessel, den beiden neuen Hausgenossen gegenüber. Er tat so, als würde er angestrengt lesen, aber einen wie Don Nero Corleone konnte er damit nicht täuschen.
»Ja, guck du nur her«, dachte der schläfrig, »ich seh dir doch förmlich an, was du denkst, du denkst: die sind aber wirklich putzig, ob wir die wohl behalten?« Und zu seiner Rosa sagte er, ehe sie selig und fest aneinandergeschmiegt einschliefen:
»Ich glaube, wir haben ein neues Zuhause.«
Robert und Isolde blieben fast drei Wochen in ihrem italienischen Haus, und in dieser Zeit wichen Nero und Rosa nicht mehr von ihrer Seite. Anfangs wurden sie noch abends ins Freie gesetzt, um zu ihrem Hof hinüberzulaufen. Das taten sie auch und fraßen dort drüben noch mal — »Bauernfraß«, wie Nero verächtlich sagte, bevor sie sich zu den andern Katzen ins Heu kuschelten. Aber immer sorgte Nero dafür, daß sie beide rechtzeitig, bevor Robert und Isolde aufstanden, drüben vor der Küchentür saßen, recht einsam, elend, hungrig und verfroren aussahen und sofort einen Teller warme Milch bekamen.
Eines Abends, als es draußen besonders kalt und ungemütlich war, sagte Isolde: »Ich bring es nicht übers Herz, euch jetzt rauszujagen! Ihr könnt hier auf dem Deckchen schlafen«, und sie breitete eine blaurot karierte Wolldecke über das grüne Sofa. Bei Isolde endeten fast alle Wörter auf chen oder lein: ihr lieben Kerlchen, trinkt schön euer Milchlein, legt euch auf das Katzendeckchen, ich laß auch das Fensterchen ein bißchen offen, dann könnt ihr raus, falls ihr ein Bächlein machen müßt... Und Nero dachte: »Grundguter Himmel, sie ist ja eine Seele von Mensch, aber vielleicht doch ein wenig beschränkt.« Und er bedauerte Robert fast für seine einfältige Frau. »Es ist wie bei mir«, dachte er, »wir sind gescheite, prächtige Männer von Welt, aber jeder schleppt eben sein Mädchen hinter sich her.«
Die Teller waren immer gut gefüllt. Mal gab es Nierchen mit Reis, dann Nudeln mit Hackfleisch, es gab Rinderherz, Putenbrust und gekochte Hühnerbeine, und Nero wuchs zu einem Prachtkater mit festen Muskeln und glänzendem Fell heran. Rosa nahm Kugelform an, aber es stand ihr, sie hatte etwas von einer Porzellanpuppe — weiß, rosa, hellgrau, zart, weich und ach, diese himmelblauen, schielenden Augen! »Schau mich mal an, mein Engelchen«, lachte Isolde, und Rosa versuchte es wirklich, aber es sah doch wieder nur so aus, als zählte sie die Fliegen an der Zimmerdecke.
Drüben auf dem Hof war man voller Neid, Neugier und Respekt. Nero erzählte, wie er diese Deutschen fest im Griff hatte, und staunend hörten ihm die Tiere zu, bewunderten ihn und erbaten höflich seinen Rat.
»Don Corleone«, sagte die dicke Henne Camilla, »so ein gekochtes Ei, ach, ich wüßte doch zu gern einmal, wie sowas eigentlich schmeckt, könntest du nicht...?« Er konnte. Er brachte Camilla ein ganzes weichgekochtes Ei am Stück, so wie er es Isolde zu ihrem Entzücken (»Nun sieh mal einer das Räuberlein, klaut gleich das ganze Eichen!«) aus dem Eierbecher gestohlen hatte. »Da«, sagte er, und während Camilla pickte und staunte und sich sehr darüber wunderte, was aus ihrem Produkt geworden war, erzählte er ihr ausführlich, wie gekochte Hühnerbeine schmeckten.
Als der Abreisetermin für Robert und Isolde näher rückte, wurde Isolde still und traurig und hatte rotgeweinte Augen.
»Wie stellst du dir das denn vor«, fragte Robert, »zehn Stunden Autofahrt mit zwei Katzen? Und zu Hause, wie soll das werden?«
Und Isolde schniefte und putzte sich die Nase und kaufte heimlich in einem Haushaltswarengeschäft ein geflochtenes Katzenkörbchen.
Nero ahnte, daß irgend etwas bevorstand, und er war ganz besonders zärtlich, liebevoll und anschmiegsam — vorsichtshalber. Kaum saß Isolde im Sessel, schon rollte er sich auf ihrem Schoß zusammen und schmalzte sie an, aber er wußte auch, daß es vor allem galt, Robert davon zu überzeugen, daß ein Leben ohne Rosa und Nero leer und sinnlos sein würde. Mit steil hochgerecktem Schwanz strich er ihm um die Beine, lugte neckisch unter den Zeitungsblättern hervor, wenn Robert lesen wollte, und zeigte seinen weichen, schutzlosen Bauch, miau!
»Ich durchschaue dich«, sagte Robert, und Nero dachte: »Na, um so besser, wo ist dann das Problem?«
Er hatte beschlossen, zusammen mit Rosa bei Robert und Isolde zu bleiben — wohin auch immer sie mit ihnen fahren würden. Die Verpflegung war gut, die Zuneigung groß, und vielleicht gab es ja in Köln am Rhein auch Heu, in dem man schlafen konnte. Auf jeden Fall würde man nie mehr um jeden Bissen kämpfen müssen wie drüben auf dem Hof, und wer weiß, vielleicht stand ja da, wo Robert und Isolde wohnten, auch so ein butterweiches Sofa?
Eines Tages waren Robert und Isolde zum Bauern hinübergegangen. Man redete über das Wetter und die Politik, über Lothar Matthäus und das schlechte Fernsehprogramm, und dann rückte Isolde damit heraus: diese beiden herzallerliebsten kleinen Katzen, die in den letzten Wochen so oft drüben bei ihnen waren und die ihnen so ans Herz gewachsen wären, dürfte man, könnte man die vielleicht, ach bitte! mitnehmen? Man würde auch ganz bestimmt gut für sie sorgen, man habe einen Garten daheim, man könne zum Beweis bei jedem Italienbesuch Photos mitbringen und ... Der Bauer fragte: »Due gatti, zwei Katzen? Vielleicht die rote und der schwarze, la rosa e il nero?« Und Isolde rief: »Jaja, Rosa und Nero, wie schön, so sollen sie heißen!« Der Bauer war erleichtert: »Troppi gatti!« rief er und wedelte sie mit den Händen weg, »viel zu viele Katzen, nehmen Sie sie nur mit, prendi, prendil« Und Isolde weinte und fiel Robert um den Hals, und alle zusammen tranken in der Küche des Bauern noch einen Kräuterschnaps der Marke Riserva del Nonno, Opas Reserve, und die Bäuerin versuchte, auch den Schönen Felix oder doch wenigstens Biff und Baff noch loszuwerden, aber für Robert und Isolde stand fest: Rosa und Nero.
Natürlich hatte Nero während der ganzen Zeit in der Nähe gelauscht und alles beobachtet. Er wußte, worum es ging, und stolzierte nun auf den Hof und verkündete den Hühnern, den Katzen und dem Hund: »Ich gehe nach Deutschland, in das Land von Lothar Matthäus. Mir wird es hier zu eng, ich brauche neue Aufgaben.«
Alle staunten und schwiegen, und nur die Madonnina sagte gleichgültig: »Ich kenne keinen Lothar Matthäus, und spiel du dich hier gefälligst nicht so auf.«
Der Abreisetag war leicht zu erkennen: schon am frühen Morgen wurden die Fensterläden drüben verriegelt, und Robert schleppte Taschen und Koffer zum Auto. Nero und Rosa saßen still und versteckt unter einem Strauch und beobachteten Isolde, die klagend durch den Garten lief und rief: »Nerolein! Rosichen! Wo seid ihr denn bloß? Ausgerechnet heute! Neeerooo! Rooosiii! Wo ist mein schwarzes Äffchen?«