In der Nacht schlief Elsa wieder bei ihr auf dem Bett, Nero blieb im Wohnzimmer auf dem Sofa, und am nächsten Morgen fütterte sie Elsa in der Küche, Nero im Garten, und so ging auch das, beide fraßen friedlich, er aber doppelt so viel wie sie, natürlich. Tagsüber umkreisten sich die beiden, fauchten sich an, gingen sich aus dem Weg, beobachteten sich aber.
Am Abend kam Clara mit Romeo vorbei. Sie heulte und wollte erzählen, warum: weil sie sich die Ehe nämlich irgendwie schöner vorgestellt hätte und weil sie mit dem Haushalt nicht klarkäme und weil Danilos Mutter in alles hineinredete und weil Danilo sagte, nur seine Mutter könne richtig Saltimbocca machen, ihre seien zäh und fade, und überhaupt — das alles wollte sie erzählen und Isolde ihr von der jungen Ehe tief enttäuschtes Herz ausschütten, aber dazu kam es nicht. Denn als Romeo, puschelig und dick und mit seiner nun wieder roten Schleife, ins Wohnzimmer getrottet kam, stürzten sich beide Katzen so einmütig auf ihn wie zwei böse große Jungs auf einen Neuen in der Klasse. Elsa flog von rechts herbei und tatzte ihm eine, Nero kam von links und rammte ihn, dass Romeo jaulend über den Holzboden flog, den Schwanz einkniff und heulte und bellte, alles zugleich. Beide Katzen stellten sich vor ihn, aufgeplustert, einträchtig nebeneinander, grollend, und Clara jammerte: »Mein Romeo! Deine Katzen bringen meinen Romeo um!«
Isolde klatschte in die Hände, verscheuchte die Katzen, beugte sich zu Romeo und wollte ihn beruhigen, aber er schnappte nach ihr, und sie zog rasch die Hand zurück.
»Ich gehe wieder«, schniefte Clara, »ich komme ohne Hund, die nächsten Tage, und vielleicht ist ja bis dahin auch alles wieder gut!« Und sie zog die Nase hoch und zeigte auf Nero und sagte: »Wer ist das denn? Den habe ich schon mal gesehen, da kam er beim Metzger raus mit einer ganzen Wurst im Maul.« Und dann heulte sie noch ein bisschen, und Isolde nahm sie in den Arm und sagte: »Das wird schon. Du wirst sehen, alles wird gut, er ist ein so lieber Junge, dein Danilo.«
»Er hat keinen Ehrgeiz!«, seufzte Clara, »und ihm schmeckt nicht, was ich koche.«
Das Erstere fand Isolde nicht so schlimm, das Zweite schon. Darüber würde man noch mal reden müssen, und sie beschloss, Clara den Trick mit dem Sauerkraut und dem Champagner zu verraten. Das würde ihrem Danilo schon schmecken.
Der Hund jaulte, zitterte und wollte unbedingt gehen, also gingen sie wieder, und auf dem Teppich saßen einträchtig zwei Katzen, eine kleine Graue und ein großer Schwarzer, knabberten gleichgültig an ihren Pfoten und dachten: Dem haben wir es aber ordentlich gegeben!
Und der eigene Streit war begraben.
In dieser Nacht geschah Folgendes: Isolde ging früh zu Bett und las noch in einem Buch mit einer Geschichte von einem Mann, der mittags zum Essen nach Hause kommt, und seine Frau erkennt ihn nicht, sein Hund beißt ihn, sein Sohn ruft: »Wer ist der fremde Onkel?«, und traurig geht er wieder, bis er an ein anderes Haus kommt, dem seinen ganz ähnlich, da schaut eine Frau zum Fenster raus und ruft: »Was trödelst du denn so, das Essen steht schon längst auf dem Tisch!« Er geht hinein, ißt mit ihnen, der Sohn ist nett und zeigt ihm, was er gemalt hat, die Frau gefällt ihm auch, und dann klingelt es, und ein anderer Mann kommt und sagt: »Hallo, Marta, was gibt's denn zu essen?« Die Frau schreit: »Sie nennen mich nicht Marta, hinaus hier!« Und der Sohn fragt: »Wer ist der fremde Onkel?« Und da geht der erste Mann hinaus und gibt dem zweiten schnell seine eigene Adresse, da könnte es klappen, sagt er, versuchen Sie es mal.
Und der Mann geht weg, und Tage später sieht der erste Mann den zweiten glücklich in seinem früheren Haus bei seiner früheren Frau sitzen, und so weiß im Grunde niemand, wer er eigentlich ist, oder? Und alles ist auch genauso gut austauschbar. Wer hätte das gedacht.
Isolde klappte das Buch zu und wusste nicht, ob sie lachen oder sich gruseln sollte über diese Geschichte. Und sie fragte sich, ob das mit Nero alles nur ein Zufall war, ob er wirklich wusste, sich erinnerte, dass sie sie war, dass er bei ihr in Deutschland gelebt hatte, dass er in diesem Haus schon einmal gewesen war? Sie würde es nie erfahren.
Kurz ehe sie einschlief, fühlte sie etwas Leichtes am Fußende: Elsa war heraufgesprungen und kringelte sich auf ihrem Plätzchen zusammen.
Und als Isolde am nächsten Morgen aufwachte und irgendwie nicht richtig Luft bekam, da lag Nero neben ihrem Kopfkissen, die dicken Pfoten an ihr Gesicht geschmiegt, und schnarchte, wie früher Bobert geschnarcht hatte, und Isolde dachte: Hört das denn nie auf!
Und sie war unaussprechlich froh, fühlte sich warm und kräftig und heiter und wusste, dass alles gut war, noch besser werden würde und dass wahrhaftig genug Liebe da war.
Um das zu kontrollieren, reiste Justus wieder an. Er hatte sie gefragt, ob nicht sie ihn besuchen wolle, aber Isolde musste entrüstet ablehnen: Wie denn, bei zwei zu fütternden Katzen? Also kam er, und Nero dachte: Der soll sich nur ja raushalten hier! Und er war nicht gewillt, sich von Justus (wer ist der fremde Onkel?) streicheln zu lassen. Elsa sprang ihm ohne Bedenken auf den Schoß, und Justus fand sie niedlich, hatte aber Nero gegenüber ein paar Bedenken.
In der Nacht lagen Justus und Isolde in Isoldes riesengroßem Bett, das genug Platz für drei hatte. Und zu dritt mit der kleinen Elsa am Fußende ging auch alles gut, bis Nero kam, mitten in der Nacht, frisch vom Mäusejagen. Er sang in der Küche ein Lied, einen Jagdgesang in schauerlichen Tönen, legte die tote Maus dann in einen Schuh von Justus (er sollte am Morgen genau drauftreten und sich furchtbar ekeln!) und sprang aufs Bett. Er quetschte sich zwischen Justus und Isolde, legte sich quer, und schließlich lag Justus ganz am linken Band, jammernd, an der Decke ziehend, Isolde ganz rechts mit Elsa zwischen den Füßen, und in der Mitte, quer, lang ausgestreckt, Nero.
»Das geht gar nicht«, beschwerte sich Justus, und Nero dachte: Du siehst doch, dass es geht, du Trottel. Isolde sagte: »So ist er eben«, und Justus klagte:
»Dann tu doch was.« »Da kann man nichts tun«, sagte Isolde, und Nero schnurrte. Justus schwieg beleidigt und schnaubte durch die Nase, und Isolde sagte beschwichtigend: »Wenigstens ist doch jetzt aber reichlich genug Liebe da, oder?«
»So kann ich nicht schlafen«, beklagte er sich. »Ich fall gleich raus, liege ganz am Rand und habe kaum etwas von der Decke. Und von dir auch nicht.«
»Mein armer Schatz«, sagte Isolde, »pass auf, gleich wird alles besser.« Und er dachte, jetzt würde sie diesen großen scheußlichen Kater aus dem Bett und ganz und gar aus dem Schlafzimmer werfen, aber sie stand nur vorsichtig auf, um die Katzen nicht zu stören, ging aus dem Zimmer und kam nach fünf Minuten wieder.
»So«, sagte sie zu Justus, »das Bett im Gästezimmer ist bezogen, da kannst du ruhig schlafen, mach die Tür schön zu, dann kommen keine Katzen herein.«
Sie wusste, dass die Katzen sowieso bei ihr bleiben würden, und Justus stand auf, trottete wütend ins Gästezimmer, schmiss die Tür hinter sich zu und dachte: Aha. Dann ist also wahrscheinlich keine Liebe mehr da.
Zwei Tage später fuhr er wieder ab. Über diese neue Situation musste er erst nachdenken, und Nero sah seinem Auto nach und dachte: Fahr hin, du Wicht. Das ist meine Isolde, ein für alle Mal, und schmiegte sich an Isoldes Bein.
Und dann kündigte Robert sein Kommen an. Er wollte mal wieder nach dem Haus sehen, es gehörte schließlich immer noch ihnen beiden, er wollte Isolde wiedersehen, er wollte vor allem natürlich Nero sehen.
Isolde freute sich auf seinen Besuch, kaufte ein, machte alles schön und stellte Rosen aufs Klavier. Als Robert kam, saß Nero auf der Matte vor der Tür. Robert blieb stehen und zündete sich in aller Ruhe eine Pfeife an. Er rauchte nicht mehr Zigarre, sondern Pfeife, und Nero dachte: Das stinkt wenigstens nicht ganz so entsetzlich, und sah ihn stumm an. Würde er jetzt wieder aus dem Bett vertrieben? Gab es jetzt wieder keine Extrahäppchen?
Isolde stand in der Tür, mit verschränkten Armen, und betrachtete diese Begrüßung. Robert lachte sie an, hob die Hand zum Gruß, aber die eigentliche Begrüßung galt Nero, seinem alten Kater.