»Wo warst du so lange, du Schuft?«, fragte er. Nero dachte: Es reicht doch, dass ich jetzt da bin, oder? Und überhaupt, wo warst du denn, warum muss hier ein Justus kommen und nicht du?
Robert beugte sich hinunter. »Komm mal her zu mir«, sagte er ganz leise. Nero ließ sich eigentlich nie etwas befehlen, oder besser gesagt: Man konnte ihm befehlen, was immer man wollte, aber — da war er ganz Italiener: Mi entra di qui, mi esce di lä — zum einen Ohr rein, zum andern raus, bitte sehr. Er befolgte keine Befehle. Er war selbst der Chef.
Aber als Robert, der graue Haare hatte und jetzt extra die Pfeife aus dem Mund nahm und weglegte, den Koffer abstellte und beide Hände nach Nero ausstreckte, als Robert sagte: »Komm mal her zu mir«, da ging er zu ihm hin, legte seinen großen, zerzausten Kopf in Roberts warme Hände, machte die Augen zu und war durch und durch zufrieden.
Robert kraulte ihn und sagte sanft: »Du wunderbarer Kater, du«, und da wusste Nero: Auch mit dem würde man jetzt auskommen, und Isolde fragte: »Na, was macht deine Angelika mit der Katzenallergie?«, und Robert sagte: »Alles nicht so einfach, das.«
Dann kam er ins Haus und sie aßen Kartoffelbrei, Sauerkraut mit Champagner und frische Mettwürstchen, die Robert aus Osnabrück mitgebracht hatte, mitten in Italien aßen sie dieses schöne deutsche Essen, und für Elsa und Nero fiel auch was ab, und Robert fragte nach Justus, und Isolde sagte: »Ach, alles nicht so einfach, das.«
Robert blieb länger als zwei Tage. Zunächst im Gästezimmer. Es gab viel zu erzählen und zu erklären. Sie machten lange Spaziergänge, und wenn sie zurückkamen, saßen zwei Katzen nebeneinander vor der Tür. Das Leben hält doch immer Überraschungen bereit, oder?
Was gibt es noch zu berichten? Ach, höchstens, dass Elsa ein Jahr später drei Junge bekam, drei niedliche kleine Kätzchen, zwei davon grau, und das dritte, das war ein Kater: pechschwarz und mit einer weißen Pfote. Robert und Isolde nannten ihn Specchio, das heißt Spiegelbild, denn er war die getreue Abbildung von Nero.
Und nun reisten sie wieder, wie in alten Zeiten, mit fünf Katzen im Auto zwischen Deutschland und Italien hin und her, es war rundum genug Liebe da, und eines Tages ...
Aber das wäre wieder eine andere Geschichte, nämlich die von Specchio.
Ende
Elke Heidenreich, 1943 geboren, studierte Germanistik und Theaterwissenschaften und arbeitete danach für Funk und Fernsehen, u. a. in der Rolle der Else Stratmann, durch die sie einem breiten Publikum bekannt wurde. Sie moderierte, schrieb Kolumnen und Drehbücher für Fernsehspiele und Serien. Und sie ist Autorin zahlreicher sehr erfolgreicher Bücher. In der Belletristik erschienen bereits mehrere Bücher von ihr, zuletzt Alte Liebe (zusammen mit Bernd Schroeder, 2009). Im Hanser Kinderbuch erschienen Nero Corleone (1995) und Am Südpol, denkt man, ist es heiß (1998), beide mit Illustrationen von Quint Buchholz und 1999 Sonst noch was, illustriert von Bernd Pfarr. Ihr erfolgreichstes und berühmtestes Buch ist unangetastet Nero Corleone mit 1 Million verkaufter Exemplare. Elke Heidenreich lebt in Köln.
Quint Buchholz, 1957 in Stolberg geboren, studierte Malerei und Grafik und zählt zu den wichtigsten Illustratoren des deutschen Kinderbuches. Für das Hanser Kinderbuch hat er neben vielen Coverillustrationen — u. a. für die Bücher von Jostein Gaarder - den ersten Nero Corleone und Am Südpol denkt man ist es hei/3 von Elke Heidenreich, das Buch Matti und der Großvater von Roberto Piumini und Hechtsommer von Jutta Richter illustriert. Außerdem erschien bei Hanser sein Buch Der Sammler der Augenblicke (1997), das mit wichtigen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurde und auf der New York Times Book Review-Liste der 10 besten illustrierten Bücher stand. Quint Buchholz lebt mit seiner Familie in Ottobrunn bei München.