Выбрать главу

«Bevor Sie gehen, Sid«, sagte Mrs. van Dysart vom Sofa her,»übrigens Sid, ein entzückender plebejischer Name, so passend — legen Sie das für mich auf den Tisch!«

Sie hielt mir beide Hände hin, einen Stein in jeder Handfläche, dazwischen noch einen. Ich kam nicht damit zurecht und ließ sie fallen.

«Ach, du meine Güte«, sagte Mrs. van Dysart, als ich niederkniete, die Steine aufhob und auf den Tisch legte.»Ich habe vergessen, daß Sie körperbehindert sind. Wirklich albern von mir.«

Sie hatte es nicht vergessen.

«Kann man denn dagegen nichts machen? Sie müßten ein bißchen üben, das nützt sehr viel. Man darf nicht einfach aufgeben. Sie sind es dem Admiral schuldig, meinen Sie nicht?«

Ich schwieg, und Charles war vornehm genug, es mir gleichzutun.

«Ich kenne hier einen sehr guten Mann«, fuhr Mrs. van Dysart fort,»er hat früher bei der Armee gearbeitet und kann vor allem mit Faulpelzen sehr gut umgehen. Er wäre genau der richtige für Sie. Was meinen Sie, Admiral, soll ich einen Termin für Ihren Schwiegersohn vereinbaren?«

«Äh.«, sagte Charles,»ich glaube nicht, daß das etwas wird.«

«Unsinn. Sie dürfen nicht zulassen, daß er sich den Rest seines Lebens herumtreibt und nichts tut. Er braucht einen Anstoß.«

Sie wandte sich mir zu.»Damit ich genau weiß, wovon ich rede, wenn ich die Verabredung für Sie treffe — zeigen Sie mir doch einmal Ihre kostbare, verkrüppelte Hand!«

Es blieb kurze Zeit still. Ich spürte ihre forschenden Augen, die unfreundliche Neugierde.

«Nein«, sagte ich ruhig.»Verzeihen Sie, nein.«

Als ich durchs Zimmer ging und es verließ, hörte ich sie sagen:

«Na bitte, Admiral, er will ja gar nicht gesund werden. Sie sind alle gleich.«

Ich lag auf dem Bett und las das Buch über Gesellschaftsrecht noch einmal durch, vor allem den Teil über den Erwerb einer Aktienmajorität. Die Lektüre fiel mir nicht leichter als im Krankenhaus, und seit ich wußte, warum ich den Text studierte, kam er mir eher noch komplizierter vor. Wenn der Vorstand von Seabury Schwierigkeiten voraussah, hätte er sicherlich eigene Ermittler angesetzt, Leute, die sich an den Börsen auskannten wie ich auf den Rennplätzen. Einen Fachmann! Ich war ganz und gar nicht die richtige Person, Kraye in die Parade zu fahren, falls das überhaupt möglich war. Und doch. Ich starrte an die Decke und zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Und doch hatte ich eine ausgefallene Idee.

Viola kam herein. Sie hatte geklopft und gleichzeitig die Tür geöffnet.

«Sid, ist alles in Ordnung mit dir? Kann ich etwas für dich tun?«

Sie schloß die Tür. Ich setzte mich auf und schwang die Beine vom Bett.

«Nein danke, mir fehlt nichts.«

Sie setzte sich auf die Armlehne eines Sessels, sah mich mit ihren freundlichen, ein wenig traurigen braunen Augen an und sagte:

«Sid, warum läßt du es zu, daß Charles so schreckliche Dinge von dir erzählt? Nicht nur, wenn du im Zimmer bist, sie haben sich auch hinter deinem Rücken über dich amüsiert, Charles und diese entsetzliche Mrs. van Dysart. Was ist zwischen euch vorgefallen? Als es dir so schlecht ging, hätte er sich keine größeren Sorgen machen können, wenn du sein eigener Sohn gewesen wärst. Und jetzt ist er so gemein und ungerecht zu dir.«

«Liebe Viola, mach dir keine Sorgen. Charles treibt irgendein Spiel, und ich mache mit.«

«Ja«, sagte sie.»Er hat mich gewarnt. Er sagte, ihr wolltet beide eine Tarnaktion starten, und ich dürfte auf keinen Fall das ganze Wochenende über ein Wort zu deiner Verteidigung sagen. Aber es ist gar nicht so, nicht wahr? Als ich dein Gesicht sah bei der Bemerkung über deine arme Mutter, wußte ich, daß du nichts ahnen konntest.«

«War das so deutlich?«sagte ich betroffen.»Ich kann dir jedenfalls versichern, daß ich keinen Streit mit ihm habe. Sei bitte so lieb und tu genau, was er verlangt hat. Und erwähne bitte mit keinem Wort den anderen gegenüber die erfolgreicheren Abschnitte in meinem Leben, oder daß ich bei Radnor beschäftigt bin, auch nichts von der Schießerei. Du hast hoffentlich heute auf der Fahrt nach Oxford geschwiegen?«schloß ich etwas besorgt.

Sie nickte.»Ich wollte zuerst mit dir reden.«

«Gut«, sagte ich lächelnd.

«Ach, du meine Güte!«rief sie, halb erleichtert, halb verwirrt.

«Wenn das so ist — Charles hat mich gebeten, dich auf alle Fälle mit zum Essen zu bringen.«

«So, hat er das? Er befürchtet wohl, daß ich ihm einen Stiefel nachwerfe, nachdem er mich so aus dem Zimmer geschickt hat. Du gehst jetzt schön zu Charles hinunter und sagst ihm, ich käme unter der Bedingung zum Essen, daß er nachher eine Kartenpartie arrangiert und mich in Frieden läßt.«

Das Essen war wieder eine Prüfung. Zu Räucherlachs und Fasan genossen die Gäste die nächste Runde mit mir als Sparringspartner. Kraye und seine Frau hatten, angefeuert von Charles und Mrs. van Dysart, eine großartige Geschicklichkeit bei diesem neuartigen Gesellschaftsspiel entwickelt, und ich wünschte mir von Herzen, Charles wäre nie auf diese Idee gekommen. Er hielt sich jedoch an die Abmachung und versammelte seine Gäste nach Kaffee und Kognak und einer weiteren Besichtigung der Steine um den Tisch im Wohnzimmer. Als sie alle ins Spiel vertieft waren, ging ich hinauf, holte Krayes Aktenköfferchen und nahm es mit in mein Zimmer.

Weil sich eine solche Chance nie mehr bieten würde und ich nichts versäumen wollte, was ich später zu bedauern hätte, fotografierte ich jedes einzelne Blatt, alle Briefe des Börsenmaklers, alle Berichte über Kapitalanlagen — auch die beiden Blätter unter der Schreibunterlage.

Obwohl ich bei sehr hellem Licht arbeitete und den Belichtungsmesser zur Verfügung hatte, nahm ich die

Unterlagen, die ich für die wichtigsten hielt, mehrmals mit verschiedenen Werten auf, um möglichst scharfe Fotos zu erzielen. Die kleine Kamera funktionierte ausgezeichnet, und ich konnte die Filme in ihren winzigen Kassetten ohne Schwierigkeiten auswechseln. Am Schluß hatte ich drei ganze Filme mit je zwanzig Aufnahmen verbraucht. Das nahm mich ziemlich lange in Anspruch, weil ich zwischen jedem Schnappschuß den Fotoapparat weglegen mußte, um das nächste Blatt unter die Lampe zu legen, überdies mußte ich ja besonders darauf achten, die Reihenfolge der Unterlagen nicht zu verändern.

Jedesmal, wenn ich den Umschlag mit den Zehnpfundnoten sah, hoffte ich, Howard Kraye möchte nicht stark ins Verlieren kommen und dadurch gezwungen sein, Nachschub zu holen. Ich fand es zu der Zeit eigentlich lächerlich, aber ich nahm die beiden Geldbündel aus dem Umschlag und fotografierte auch sie. Bevor ich sie zurücklegte, blätterte ich sie durch: Die Scheine waren neu, mit fortlaufenden Nummern versehen, fünfzig pro Päckchen — insgesamt also tausend Pfund.

Als alles wieder im Aktenköfferchen verstaut war, saß ich eine Weile da, starrte den Inhalt an, während ich mir ins Gedächtnis rief, wie das Ganze vorher ausgesehen hatte. Als ich zufrieden war, klappte ich das Köfferchen zu, sperrte es ab, wischte es sauber, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, und brachte es an seinen Platz zurück.

Dann ging ich ins Eßzimmer, um mir den Kognak zu genehmigen, den ich vorher abgelehnt hatte. Jetzt brauchte ich ihn. Ich nahm das Glas mit, lauschte kurz vor der Tür zum Wohnzimmer auf das Stimmengemurmel, ging wieder hinauf und legte mich zu Bett. Ich ließ mir das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen.

Howard Kraye hatte, angelockt durch den Köder einer Kri stall sammlung, eine Einladung zu einem ruhigen Wochenende auf dem Land bei einem pensionierten Admiral angenommen. Er hatte eine Reihe von privaten Unterlagen mitgebracht. Da es für ihn keinen Grund gab zu unterstellen, daß man ihn in einer solch unschuldigen Umgebung bespitzeln würde, konnte es sich durchaus um allerpersönlichste Unterlagen handeln; so persönliche, daß er sich nur ruhig fühlte, wenn er sie bei sich hatte. Zu persönlich, um sie zu Hause zu lassen? Und dann schlief ich ein.