Er ließ die Zeitung sinken und sah mich von oben herab an.
«Ja, gewiß«, erwiderte er kurz.
«Könnten Sie mir dann bitte sagen, was man dem Admiral als Ergänzung für seine Sammlung schenken sollte? Wo ich so einen Stein bekommen könnte und wieviel er kosten dürfte?«
Die Zeitung klappte in der Mitte nach unten, so daß mein Bild verborgen war. Er räusperte sich und begann mir mit kühler Höflichkeit von irgendeinem obskuren Kristall zu erzählen, den der Admiral nicht besaß.
Man braucht nur den richtigen Knopf zu drücken, dachte ich. Aber Doria verdarb mir alles. Sie stakte zu Kraye und sagte verärgert:»Howard! Der kleine Schleicher tut dir doch nur schön. Ich möchte wetten, daß er irgend etwas will. Du läßt dich von jedem einwickeln, der mit dir über Kristalle spricht.«
«Mich hält man nicht zum Narren«, erklärte Kraye tonlos.
«Nein«, sagte ich,»ich möchte nur dem Admiral zu Gefallen sein.«
«Er ist ein raffinierter Bursche«, quengelte Doria.»Ich mag ihn nicht.«
Kraye zuckte die Achseln, starrte die Zeitung an und begann sie auseinanderzufalten.
«Beruht auf Gegenseitigkeit«, sagte ich gleichmütig.»Sie Pappipuppchen.«
Kraye stand langsam auf, und die Zeitung fiel zu Boden, mit der ersten Seite nach oben.
«Was haben Sie gesagt?«
«Ich sagte, daß ich von Ihrer Frau nicht viel halte.«
Er war außer sich, was mich nicht wunderte. Er machte einen Schritt auf mich zu, und plötzlich ging es hier um mehr als um unfreundliche Worte.
Obwohl ich in seinen Augen ein unbedeutendes Wesen war, ging etwas ausgesprochen Bedrohliches von ihm aus. Die glatte Maske war verschwunden, mit ihr die wortreiche, blenderhafte Oberflächlichkeit. Der vage Verdacht, den ich beim Studium seiner Papiere gewonnen hatte, zusammen mit der Antipathie, die vom ersten Augenblick an vorhanden gewesen war, klärten sich verspätet zur Erkenntnis: Dies war kein harmloser glatter Spekulant, der am Rande des Gesetzes arbeitete, sondern ein ausgekochter, gefährlicher Gauner, der um große Einsätze spielte.
Mein Talent, dachte ich, in einem Ameisenhaufen herumzustochern und ein Hornissennest zu erwischen; eine Blindschleiche am Schwanz zu packen und sich einer Boa Constrictor gegenüberzusehen. Wie würde er sich benehmen, fragte ich mich, wenn man Schlimmeres tat, als nur den Geschmack in puncto Ehefrau in Frage zu stellen?
«Er schwitzt«, sagte Doria erfreut,»er hat richtig Angst vor dir.«
«Stehen Sie auf!«schrie er.
Da ich überzeugt war, daß ich nur aufstehen sollte, um sofort niedergeschlagen zu werden, blieb ich, wo ich war.
«Ich entschuldige mich«, sagte ich.
«O nein«, fuhr Doria dazwischen,»das ist viel zu einfach!«
«Etwas mit Finesse?«schlug Kraye vor.
«Ich weiß etwas!«Doria schien von ihrer Idee begeistert zu sein.»Sehen wir uns mal seine Hand an, die er immer in der Tasche hat.«
Sie sahen mir beide an, daß es Schlimmeres für mich nicht gab. Sie lächelten beide. Ich dachte an Flucht, aber das hieß, die Zeitung zurücklassen zu müssen.
«Das ist genau das Richtige«, sagte Kraye. Er beugte sich vor, packte mit der einen Hand mein Hemd, mit der anderen mein Haar und zog mich hoch. Mit dem Scheitel reichte ich ihm bis zum Kinn. Ich war nicht in der richtigen Verfassung, um Widerstand leisten zu können, aber ich versuchte doch einen Schlag zu landen. Doria packte meinen Arm und drehte ihn mir auf den Rücken, mit beiden Händen und reichlich grob. Sie war eine starke, gesunde Frau, und es schien ihr nichts auszumachen, anderen Leuten weh zu tun.
«Das wird Sie lehren, mich zu beleidigen«, sagte sie befriedigt.
Ich überlegte, ob ich ihr einen Tritt ans Schienbein geben sollte, aber das hätte nur noch größere Vergeltung herausgefordert. Ich hoffte von ganzem Herzen, daß Charles endlich zurückkommen würde.
Er blieb aus.
Kraye ließ mein Haar los, packte mich am linken Unterarm und begann zu ziehen. Der Arm taugte nicht mehr viel, aber ich tat, was ich konnte. Ich preßte den Ellbogen an den Körper, und meine Hand blieb in der Tasche.
«Halt ihn doch richtig fest«, sagte er zu Doria.»Er ist kräftiger, als er aussieht.«
Sie drückte meinen Arm nach oben, und ich drehte mich herum. Kraye hielt mich immer noch am Hemd fest, preßte mir den Unterarm gegen die Kehle, und gegen beide zusammen kam ich nicht an. Trotzdem sollten sie nicht einfach tun können, was ich um jeden Preis vermeiden wollte.
«Er windet sich, nicht wahr?«sagte Doria fröhlich.
Ich wand und wehrte mich noch heftiger, bis sie aus Enttäuschung immer wilder wurden und ich zu keuchen begann. Mein Bauch gab mir schließlich den Rest. Es wurde mir so schlecht, daß ich nicht durchhalten konnte. Kraye riß mir die Hand aus der Tasche.
«Na!«sagte er triumphierend. Seine Finger umklammerten mein Ellbogengelenk, mit der anderen Hand zog er den
Pulloverärmel hinauf. Doria ließ meinen rechten Arm los und kam nach vorn, um sich das Beutestück anzusehen. Ich zitterte vor Wut, Schmerz, Demütigung — weiß Gott, warum.
«Oh«, sagte Doria entgeistert,»oh!«Ihr Lächeln war verschwunden, auch das ihres Mannes. Sie starrten die verkrüppelte, verschmächtigte Hand an, die Narben an Unterarm, Handgelenk und Handfläche — nicht nur die schrecklichen gezackten Spuren der eigentlichen Verletzung, sondern auch die glatten, ordentlichen von den Operationen.
«Deshalb behält ihn der Admiral also bei sich«, sagte Doria angewidert.
«Das entschuldigt sein Verhalten nicht«, meinte Kraye.»Ich werde dafür sorgen, daß er in Zukunft den Mund hält.«
Er streckte die Finger der freien Hand aus und schlug mit der Kante auf die empfindlichste Stelle, die Innenseite des Handgelenks. Es riß mich herum.
«Aaah«, sagte ich.»Nicht!«
«Er wird dem Admiral Bescheid sagen, wenn du ihm zu weh tust«, sagte Doria warnend.»Es ist ja schade, aber ich glaube, das genügt wohl.«
«Ich bin zwar anderer Meinung, aber.«
Es knirschte draußen auf dem Kies. Charles’ Wagen glitt am Fenster vorbei. Kraye ließ meinen Ellbogen los und gab mir einen Stoß. Ich sank auf die Knie, und das war nicht nur Theater.
«Wenn Sie dem Admiral etwas davon erzählen, bestreite ich alles«, sagte Kraye.»Wir wissen ja, wem er glauben wird.«
Ich wußte es tatsächlich, behielt es aber für mich. Die Zeitung, die für den ganzen Zirkus verantwortlich war, lag neben mir auf dem Teppich. Draußen wurden Wagentüren zugeworfen. Die beiden drehten sich zum Fenster und lauschten. Ich nahm die Zeitung, raffte mich auf und ging zur Tür. Sie versuchten nicht, mich aufzuhalten. Auch die Zeitung verlangten sie nicht zurück. Ich öffnete die Tür, ging hinaus, machte sie hinter mir zu und ging schwankend in Charles’ Arbeitszimmer. Bis nach oben schaffte ich es nicht. Ich machte die Tür hinter mir zu, versteckte die Zeitung, setzte mich in Charles’ Sessel und wartete darauf, daß sich meine Schmerzen, seelischer und physischer Natur, legten.
Einige Zeit später kam Charles herein, um ein paar Päckchen Zigaretten zu holen.
«Hallo«, sagte er über die Schulter, als er den Schrank öffnete.
«Ich dachte, du bist noch im Bett. Mrs. Cross sagte, es ginge dir heute nicht gut. Hier ist es doch überhaupt nicht warm. Warum kommst du nicht ins Wohnzimmer?«
«Die Krayes. «Ich verstummte.
«Sie beißen dich nicht. «Er drehte sich um und sah mich an.
«Was ist so komisch?«Er sah mich genauer an und fragte scharf:
«Was ist los?«
«Ach nichts. Hast du die Sonntagsausgabe der >Hemisphere< schon gesehen?«
«Nein, noch nicht. Brauchst du sie? Ich dachte, sie liegt drüben im Wohnzimmer.«
«Nein, sie ist in der obersten Schreibtischschublade. Sieh sie dir mal an!«
Erstaunt öffnete er die Schublade, nahm die Zeitung heraus und suchte ohne Zögern die Rennsportseite.
«Um Gottes willen!«sagte er entsetzt,»ausgerechnet heute.«