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«Richtig.«

Er gab mir keine Ermunterung, aber schließlich hatte er mich auch nicht hinausgeworfen.

Ich ging hinaus, machte die Tür hinter mir zu, und während ich noch ungläubig zögerte, hörte ich ihn plötzlich auflachen, kurz, laut, triumphierend.

Ich ging zu Fuß zu meiner Wohnung, holte den Wagen und fuhr nach Sandown. Es war ein angenehmer Tag, trocken, sonnig, ziemlich warm für November, genau richtig, um viele Zuschauer anzulocken.

Ich fuhr in merklich gehobener Stimmung durch das Tor, stellte den Wagen ab — einen großen Sportwagen mit automatischem Getriebe, Lenkhilfe und einer Aufschrift am Heck >Keine Handzeichen<. Dann gesellte ich mich zu der Menschenansammlung vor der Tür des Wiegeraums. Hinein durfte ich nicht mehr. Mich daran zu gewöhnen, war mir mit am schwersten gefallen, und an die Tatsache, daß mir alle Umkleide- und Wiegeräume, in denen ich vierzehn Jahre lang zu Hause gewesen war, von dem Tag an, als ich mein letztes Rennen hinter mir hatte, versperrt waren.

Man verlor nicht nur eine Stellung, wenn man seine Jockeylizenz zurückgab, man gab eine Lebensweise auf.

Auf dem Rennplatz gab es viele Bekannte, und da ich seit sechs Wochen bei keinem Rennen gewesen war, bekam ich eine Menge Klatsch zu hören. Niemand schien von meiner Schußverletzung zu wissen, was mir nur recht war. Ich fügte mich zufrieden in die Rennplatzatmosphäre ein, und der Gedanke an Kraye trat für eine Weile in den Hintergrund.

Ich verlor zwar den Zweck meines Besuches nicht aus dem Auge, aber bis zum dritten Rennen kam ich nicht an den Vorsitzenden des Nationalen Rennsportkomitees, Viscount Hagbourne, heran. Obwohl ich jahrelang für ihn Rennen bestritten hatte und stets gut mit ihm ausgekommen war, stand er mir mehr oder weniger fremd gegenüber. Er war ein zurückhaltender Mensch, der Wert auf Distanz legte und schwer Kontakt zu anderen Menschen fand. Unglücklicherweise hatte er auch als Vorsitzender des Rennsportkomitees keine großen Erfolge zu verzeichnen. Er schob alle Entscheidungen hinaus, bis es beinahe zu spät war, und selbst dann bestand immer noch die Gefahr, daß er seine Meinung änderte. Trotzdem war er der entscheidende Mann, bis seine einjährige Amtszeit ablief, und ich mußte mit ihm verhandeln.

Schließlich fing ich ihn ab, als er ein Gespräch mit dem Rennplatzadministrator beendete, wobei ich einem Trainer zuvorkam, der offenbar eine Beschwerde vorbringen wollte. Lord Hagbourne wandte in einer seiner seltenen Anwandlungen von Humor dem Beschwerdeführer den Rücken zu und begrüßte mich deshalb mit größerer Herzlichkeit als sonst.

«Sid«, sagte er.»Ich freue mich sehr! Wo waren Sie die ganze Zeit?«

«Ferien«, erwiderte ich kurz.»Sir, kann ich nach den Rennen mit Ihnen reden? Ich habe etwas äußerst Dringendes mit Ihnen zu besprechen.«

«Na, dann heraus damit«, sagte er, mit einem Seitenblick auf den Trainer.

«Nein, Sir, das dauert seine Zeit und verlangt Ihre ganze Aufmerksamkeit.«

«Hm?«Der Trainer zog sich zurück.»Heute nicht, Sid. Ich muß nach Hause. Was gibt es denn? Schießen Sie los!«

«Ich möchte mit Ihnen die Übernahmemanöver um Seabury besprechen.«

Er sah mich verblüfft an.

«Sie wollen.?«

«Stimmt. Hier draußen werden wir doch dauernd gestört — wenn Sie vielleicht nachher zwanzig Minuten.?«

«Äh. Was haben Sie mit Seabury zu tun?«

«Nichts Direktes, Sir. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, aber ich habe in den letzten zwei Jahren mit Hunt Radnor zusammengearbeitet. Über Seabury sind uns verschiedene Dinge zu Ohren gekommen, und Mr. Radnor meinte, Sie würden sich dafür interessieren. Ich bin als sein Beauftragter hier.«

«Ah, verstehe. Na gut, Sid, kommen Sie nach dem letzten Rennen in den Imbißraum der Rennleitung. Wenn ich noch nicht da bin, warten Sie auf mich. Einverstanden?«

«Ja, danke.«

Ich stieg die eiserne Treppe zur Jockeyloge auf der Tribüne hinauf und lächelte vor mich hin. Beauftragter. Ein hübsches, bedeutsames Wort. Umfaßte alles, vom Botschafter an abwärts. Warum nicht?

«Nur Verrückte lachen über nichts«, sagte eine Stimme an meinem Ohr.»Was freut dich denn so? Und wo zum Teufel bist du den ganzen Monat gewesen?«

«Erzähl mir bloß nicht, daß ich dir gefehlt habe. «Ich grinste, ohne mich umzudrehen. Wir gingen gemeinsam hinaus und sahen auf den Rennplatz hinunter.

«Der schönste Ausblick in ganz Europa.«

Er seufzte. Mark Whitney, achtunddreißig Jahre alt, Trainer. Er hatte von allzu vielen Rennunfällen ein Gesicht wie ein zerschlagener Boxer und war in den zwei Jahren, seit er die Stiefel an den Nagel gehängt hatte, dick geworden — ein dicker, häßlicher Mann. Wir hatten viele Erinnerungen gemeinsam, und ich mochte ihn.

«Wie geht’s?«fragte ich.

«Nicht schlecht. Aber wesentlich besser, wenn mein Pferd das fünfte Rennen gewinnt.«

«Es hat sichere Chancen.«

«Und ob. Was hältst du übrigens von dem jungen Cotton? Der scheint offenbar Karriere zu machen.«

Wir unterhielten uns angeregt, während sich die Loge füllte und die Pferde an den Start geführt wurden.

Es war ein Dreimeilenrennen, und eines meiner früheren Pferde galt als Favorit. Ich beobachtete den Mann, der an meinen Platz getreten war, bei einem hervorragenden Rennen und dachte gleichzeitig an Bauplätze.

Sandown selbst hatte vor ein paar Jahren einen Versuch überlebt, hier Häuser zu errichten. Aber Sandown verfügte über mächtige Freunde. Die Rennplätze von Hurst Park, Manchester und Birmingham waren jedoch schon der Flut von Ziegelsteinen und Mörtel zum Opfer gefallen, besiegt von den Argumenten, daß Aktionäre Geld sehen wollten und die Menschen Wohnungen brauchten. Um sich vor einem solchen Schicksal zu schützen, hatte man in Cheltenham die Aktiengesellschaft in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt, und andere Rennbahnen waren später diesem Beispiel gefolgt.

Nicht Seabury. Und Seabury ging es schlecht. Ebenso Dunstable, und der Rennplatz von Dunstable hatte Miethäusern Platz machen müssen.

Die meisten Rennbahnen in England sind oder waren private Firmen, deren Anteile zu erlangen für einen Außenseiter gegen den Willen der Mitglieder praktisch unmöglich war. Aber vier — Dunstable, Seabury, Sandown und Chapstow — waren Aktiengesellschaften, und die Papiere konnte man auf der Börse frei erwerben.

Um Sandown hatte man sich ehrlich und ohne Tricks bemüht, aber die Pläne zur Errichtung einer Vorortsiedlung waren von den Stadt- und Gemeinderäten abgelehnt worden. Sandown florierte, erzielte ordentliche Gewinne, zahlte zehn Prozent Dividende und war jetzt praktisch unangreifbar.

Chapstow war etwas abgelegen und hatte deshalb die Habgier von Bodenspekulanten weniger zu befürchten. Aber der kleine Rennplatz in Dunstable war eine Oase in einem sich ausbreitenden Industriegebiet.

Seabury lag in der Tiefebene an der Südküste, auf allen Seiten von endlosen Reihen gemütlicher kleiner Häuschen umgeben, Träume und Ersparnisse von Menschen repräsentierend, die ein arbeitsreiches Leben hinter sich hatten. Der große Rennplatz mit seinen Anlagen würde Wohnraum für dreitausend bieten. Wenn man sechs- oder siebenhundert Pfund auf den Baupreis aufschlug, ergab sich eine Einnahme von rund zwei Millionen.

Der Favorit gewann und wurde bejubelt. Ich polterte mit Mark die eiserne Treppe hinunter. In der Bar tranken wir einen Schluck.

«Schickst du nächste Woche ein Pferd nach Seabury?«fragte ich.

«Vielleicht. Ich weiß noch nicht. Kommt natürlich darauf an, ob die Veranstaltung überhaupt stattfindet. Ich habe auch in Lingfield gemeldet und werde sie lieber dorthin schicken. Das scheint besser zu florieren, und die Eigentümer fühlen sich dort wohler. Gutes Essen und so weiter. Seabury ist ein bißchen heruntergekommen. Ich hatte alle Mühe, den alten Carmichael dazu zu bringen, daß ich beim letzten Rennen sein Pferd einsetzen durfte — und was passierte? Die Veranstaltung wurde abgesagt, und wir konnten in Worcester auch nicht starten. Das war zwar nicht mein Fehler, aber ich hatte ihm weisgemacht, daß wir in Seabury größere Chancen hätten. Er gab mir natürlich die Schuld, weil das Pferd überhaupt nicht an die Reihe kam. Er meinte, mit Seabury sei es einfach verhext, und ich kenne noch ein paar Eigentümer, die auch nicht wollen, daß ich ihre Pferde dort melde. Ich erkläre ihnen immer wieder, daß die Bahn hervorragend ist, aber das spielt keine große Rolle bei ihnen, sie kennen sie nicht so gut wie wir.«