Выбрать главу

Ich fuhr durch das offene Tor und hielt vor dem Wiegeraum. Ich stieg aus, streckte mich und klopfte an die Tür des Rennplatzverwalters.

Nichts rührte sich. Ich drückte die Klinke nieder — die Tür war abgesperrt, ebenso die zum Wiegeraum und alle anderen. Die Hände in den Taschen schlenderte ich um die Tribüne herum und sah mir die Rennbahn an. Seabury gehörte offiziell zur Gruppe drei. Das hieß: Niedriger als Doncaster und höher als Windsor eingestuft, wenn Unterstützungsbeträge angefordert wurden.

Die Tribünen taugten nicht viel, hölzerne Stufen mit Wellblechdach, zugig. Die Rennbahn selbst war ideal. Ich hatte es immer bedauert, daß die übrigen Einrichtungen ihr nicht entsprachen.

Auf den Tribünen oder in der Nähe war niemand. Am Ende der Rennbahn sah ich jedoch ein paar Männer mit einem Traktor. Ich machte mich auf den Weg und ging an der Einzäunung entlang. Der Boden war für Rennen im November genau richtig, weich, aber federnd, ideal für Trainer, die ihre Pferde zum Start meldeten. Unter normalen Umständen. Aber so, wie es zur Zeit stand, schickte nicht nur Mark Whitney seine Pferde anderswohin. Eine Rennbahn, die keine guten Pferde anlockte, brauchte auch nicht mit viel Zuschauern zu rechnen. Seaburys Verkauf an Eintrittskarten war in letzter Zeit zurückgegangen. Die Ausgaben stiegen, daher der Verlust.

Ich erreichte die Männer, die an der Bahn arbeiteten. Sie gruben den Boden auf und luden die Rasenstücke auf einen Anhänger hinter dem Traktor. Ein unangenehmer Geruch hing in der Luft.

Entlang der Bahn und fast genau in gleicher Breite war der Rasen auf einer Länge von dreißig Metern bräunlich versengt. Man hatte erst die Hälfte des betroffenen Bodens entfernt und noch enorm viel Arbeit vor sich. Ich war der Meinung, daß hier nicht genug Leute arbeiteten, um die Rennbahn bis zur nächsten Woche instand zu setzen.

«Guten Tag«, sagte ich.»Sieht ja scheußlich aus.«

Einer der Arbeiter stieß seinen Spaten in die Erde und kam herüber. Er wischte sich die Hände an der Hose ab.

«Wollen Sie etwas?«fragte er.

«Ich suche den Verwalter.«

«Er ist heute nicht hier. Mensch, sind Sie nicht Sid Halley?«

«Jawohl.«

Er grinste.»Ich bin der Vorarbeiter, Ted Wilkins.«

Ich schüttelte seine Hand.

«Der Verwalter ist nach London gefahren, er kommt erst morgen wieder.«

«Macht nichts«, sagte ich.»Ich bin gerade hier vorbeigekommen und wollte mir die Bahn ansehen.«

«Wirklich traurig, was?«

«Was ist denn eigentlich passiert?«

«Da vorne ist der Tankzug umgekippt«, er zeigte mir die Stelle, und wir gingen darauf zu. Die schmale geteerte Straße schnitt die Rennbahn kurz vor der unteren Kurve. Während der Rennen wurde die Straßenoberfläche dick mit Torf oder grünen Matten bedeckt, so daß die Pferde ohne Mühe darüber hinweggaloppieren konnten. Das war zwar nicht ideal, kam aber auf vielen Rennbahnen vor, zum Beispiel in Aintree und auch in Ludlow, wo sogar fünf Straßen kreuzten.

«Genau hier«, sagte Ted Wilkins.»Hätte gar nicht schlimmer sein können, mitten auf der Bahn. Der Tankzug ist einfach ausgelaufen. Er kippte hier um, und dabei muß der Verschluß geplatzt sein.«

«Wie ist es denn passiert?«fragte ich.

«Das weiß niemand genau.«

«Und der Fahrer? Er ist doch nicht umgekommen.«

«Nein, er ist nicht schwer verletzt worden. Aber er wußte nicht, was passiert war. Nach Einbruch der Dunkelheit fuhr ein Wagen vorbei und wäre beinahe mit dem Tankzug zusammengeprallt. Die Leute fanden den Fahrer am Straßenrand. Er hielt sich den Kopf und stöhnte — wahrscheinlich Gehirnerschütterung. Er muß sich irgendwo angestoßen haben, als der Lkw umfiel. Eigentlich erstaunlich, daß er so billig davongekommen ist. Das Führerhaus war ziemlich eingedrückt, und überall lagen Glassplitter herum.«

«Fahren hier oft Tankzüge? Es ist ja ein Glück, daß so etwas nicht schon früher passiert ist.«

«Früher nicht«, sagte er und kratzte sich am Kopf,»aber seit zwei Jahren kommen sie öfter vorbei. Der Verkehr nach London wird immer stärker.«

«Ach. Gehört der Wagen einer hiesigen Firma?«

«Irgendwo an der Küste, Intersouth-Chemiefabrik heißt die Firma.«

«Was glauben Sie, wann hier wieder Rennen stattfinden können?«fragte ich.»Schaffen Sie es bis nächste Woche?«

Er runzelte die Stirn.

«Ganz unter uns, ich glaube nicht, daß es klappt. Wir brauchten ein paar Bulldozer, nicht sechs Mann mit Spaten. Das habe ich schon zum Captain gesagt.«»Der Meinung bin ich auch.«

Er seufzte.»Er sagte nur, das könnten wir uns nicht leisten, und ich sollte mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern. Wir haben eben weitergemacht. Frühestens bis Mittwoch können wir den Rasen ganz ausgraben.«

«Aber dann bleibt doch keine Zeit mehr, den neuen einzusetzen«, meinte ich.

«Es wäre ein Wunder, wenn man ihn einsetzen kann, geschweige denn, daß Rennen stattfinden können«, meinte er düster.

Ich bückte mich und fuhr mit der Hand über das bräunlich verfärbte Gras. Es fühlte sich schleimig an. Ich verzog das Gesicht, und der Vorarbeiter lachte.

«Gräßlich, was? Es stinkt auch.«

Ich roch an meinen Fingern und bedauerte es sofort.

«War das von Anfang an so schlüpfrig?«

«Ja, hoffnungslos.«

«Na, ich will Sie nicht mehr stören«, sagte ich lächelnd.

«Ich sage dem Verwalter Bescheid, daß Sie da waren. Schade, daß er Sie verfehlt hat.«

«Lassen Sie nur, der hat Sorgen genug.«

«Eine Schwierigkeit nach der anderen«, meinte Wilkins.»Wiedersehen!«Er kehrte zu seinem Spaten zurück.

Ich machte mich wieder auf den Weg zu den verlassenen Tribünen. Eine Weile zögerte ich vor dem Wiegeraum und überlegte, ob ich mit meinen Nachschlüsseln aufsperren sollte, aber ich wußte, daß das vor allem Heimweh war, nicht von der Überzeugung diktiert, daß ich dabei etwas Brauchbares in Erfahrung bringen konnte. Ich begnügte mich damit, durch die Fenster zu starren.

Der leere Wiegeraum bot keine Überraschung: nackter

Holzboden, in einer Ecke ein Tisch und ein paar Stühle, links die große Waage.

Von dem alten Typ, bei dem die Jockeys auf einer Plattform standen, während Gewichte aufgelegt wurden, gab es keine mehr. Das dauerte viel zu lange. Jetzt verwendete man entweder Hängesitze, in denen man sich wie ein Sack Zucker vorkam, oder angeschraubte Stühle auf Federn. In beiden Fällen wurde das Gewicht durch einen Zeiger, der auf einer großen Scheibe herumwanderte, angezeigt. Ganz schlicht ausgedrückt: Es waren moderne Küchenwaagen in großer Ausführung.

Die Waage in Seabury gehörte zu dem Typ mit den angeschraubten Stühlen, die mir immer am praktischsten vorgekommen waren.

Ich zuckte die Achseln und wandte mich ab. Dort würde ich jedenfalls nie mehr Platz nehmen.

Ich setzte mich in den Wagen, fuhr zur nächsten Stadt, erkundigte mich nach der Chemiefabrik Intersouth und unterhielt mich eine Stunde später mit dem Personalchef.

Ich behauptete, im Auftrag des Nationalen Rennsportkomitees in Erfahrung bringen zu wollen, ob der Fahrer des Tanklastzugs inzwischen wieder gesund wäre und ob er sich noch an Einzelheiten erinnern könnte.

Der Personalchef, dick, Ende Fünfzig, war freundlich, konnte mir aber nicht helfen.

«Smith hat gekündigt«, sagte er.»Wir haben ihm ein paar Tage freigegeben. Gestern kam er zurück und sagte, seine Frau wollte nicht, daß er weiter Chemikalien führe. Er wollte Schluß machen.«

«War er lange bei Ihnen?«

«Ungefähr ein Jahr.«

«Ein guter Fahrer, nehme ich an?«

«Ja, guter Durchschnitt. Wir nehmen nur gute Fahrer. Smith war in Ordnung, aber nichts Besonderes.«

«Und Sie wissen immer noch nicht genau, wie es passiert ist?«

«Nein«, seufzte er.»Es gehört allerhand dazu, einen Tankwagen umzuwerfen. Auf der Straße selbst sah man keine Spuren. Sie war mit Öl, Benzin und der Säure bedeckt. Wenn es Spuren gegeben haben sollte, Schleuderspuren meine ich, dann waren sie jedenfalls verschwunden, nachdem die Kranwagen den Tankzug hochgehoben hatten.«