«Benutzen Ihre Fahrzeuge diese Straße oft?«
«In letzter Zeit schon, aber jetzt ist Schluß. Soviel ich mich erinnere, hat sogar Smith diesen Umweg gefunden. Ein paar von den anderen Fahrern waren sehr zufrieden.«
«Sie fahren also regelmäßig über den Platz?«
«Ja. Es ist der direkte Weg nach Southampton und zur Ölraffinerie in Fowley.«
«So. Was transportierte Smiths Fahrzeug?«
«Schwefelsäure. Sie wird unter anderem zur Benzinraffinierung verwendet.«
Schwefelsäure — ölig, ätzend. Etwas Schlimmeres hätte der Rennbahn gar nicht passieren können. Bei einem weniger ätzenden Mittel hätte man Sand auf das tote Gras werfen und die Rennen trotzdem abhalten können. Aber auf einem mit Vitriol getränkten Boden durfte man ein Pferd nicht einsetzen.
«Könnten Sie mir Smiths Adresse geben?«fragte ich.»Ich möchte bei ihm vorbeifahren und mich erkundigen, ob er sich erinnern kann.«
«Gerne. «Er suchte in einer Kartei und gab mir die Anschrift.
«Sagen Sie ihm, er kann wieder bei uns anfangen, wenn er will.«
Ich versprach es ihm, bedankte mich und fuhr in einen Vorort hinaus, wo Smith eine Zweizimmerwohnung hatte. Aber Smith und seine Frau wohnten nicht mehr dort. Sie hätten gepackt und wären gestern ausgezogen, erfuhr ich von einer jungen Frau. Nein, sie wüßte nicht, wo sie hingefahren seien; nein, sie hätten nichts hinterlassen, und ich brauchte mir auch keine Sorgen um seine Gesundheit zu machen, weil er nach dem Unfall die ganze Nacht gelacht, gesoffen und Platten gespielt habe. Offenbar sei seine Gehirnerschütterung sehr schnell vorübergegangen.
Inzwischen war es dunkel geworden. Langsam fuhr ich nach London zurück, zu meiner Wohnung in einem modernen Appartementhaus, nicht weit vom Büro entfernt. Ich brachte meinen Wagen in die Garage und fuhr mit dem Lift zum fünften Stock hinauf. Meine Wohnung hatte zwei Zimmer nach Süden, Schlaf- und Wohnzimmer, zwei Räume dahinter — Bad und Küche —, deren Fenster auf einen Innenhof gingen. Eine hübsche, sonnige Wohnung, die Möbel aus hellem Holz in kühlen Farben, Zentralheizung, Reinigung im Mietvertrag inbegriffen. Woche für Woche wurden mir die Lebensmittel geliefert. Der Abfall verschwand im Müllschlucker. Einfacher ging es nicht. Keine Mühe, kein Schmutz, keine Belastung — und sehr einsam, nach dem Leben mit Jenny.
Ich goß mir einen Kognak ein, setzte mich, legte die Beine auf den Tisch und dachte an Seabury, Ted Wilkins, Intersouth und Smith.
Danach dachte ich an Kraye: eine glatte, verlogene Schale, die unbarmherzige Habgier verbarg; eine Leidenschaft für Kristalle und für Grundstücke; eine Besessenheit, sich sauberzuhalten, um den Schmutz der Seele auszugleichen; und die abnorme Einstellung, eine verkrüppelte Hand anstarren und dann zuschlagen zu können.
Nein, Howard Kraye war nicht im mindesten sympathisch.
Kapitel 7
«Chico«, sagte ich,»wie kippt man einen Lastwagen genau an einer Stelle um, die man sich vorher ausgesucht hat?«
«Was? Das ist einfach. Da brauchst du nur schweres Hebewerkzeug. Einen großen hydraulischen Wagenheber, einen Kran, irgend etwas in dieser Richtung.«
«Und wie lange würde das dauern?«
«Wenn Kran und Lastwagen schon an Ort und Stelle sind, meinst du?«
«Ja.«
«Nur ein paar Minuten. Was für eine Art von Lastwagen?«
«Ein Tankfahrzeug.«
«Benzintransporter?«
«Ein bißchen kleiner. Eher die Größe von den Milchtankfahrzeugen.«
«Nichts dabei. Der Schwerpunkt liegt ziemlich tief, man braucht also viel Kraft, aber trotzdem ist es kein Problem.«
Ich sah Dolly an.
«Hat Chico schon was zu tun, oder können Sie ihn entbehren?«
Dolly beugte sich vor, kaute an ihrem Bleistift und überflog den Dienstplan. Die Wickelbluse erzielte ihre Wirkung.
«Ich könnte jemand anderen nach Kempton schicken.«
Sie sah meinen Blick, lachte und richtete sich ein bißchen auf.
«Ja, Sie können ihn haben. «Sie warf ihm einen liebevollen Blick zu.
«Chico«, sagte ich,»fahr nach Seabury und versuch herauszufinden, ob vergangenen Freitag in der Nähe der
Rennbahn schweres Hebezeug gesehen worden ist. Die kleinen Häuser sind voll von Menschen, die nichts zu tun haben, als zum Fenster hinauszugucken. Du könntest auch herumforschen, ob in der Nähe ein solches Gerät gemietet worden ist, aber soviel Glück haben wir sicher nicht. Die Straße müßte ein paar Minuten lang gesperrt gewesen sein, bevor der Tanklaster umgeworfen wurde, nehme ich an. Vielleicht findest du jemanden, der etwas gesehen hat — Umleitungsschilder zum Beispiel. Und dann gehst du zu den Gemeindeämtern und läßt dir die alten Karten zeigen, wegen der Abzugskanäle.«
Ich erklärte ihm, wo sich der unterirdische Wassergraben befand, damit er wußte, wonach er auf den Landkarten zu suchen hatte.
«Und sei vorsichtig.«
«Mach dich naß«, sagte er grinsend.
«Unser Freund versteht keinen Spaß.«
«Und du möchtest nicht, daß er uns anschleichen sieht?«
«Genau.«
«Der kleine Chico kommt schon zurecht.«
Nachdem er gegangen war, rief ich Lord Hagbourne an und schilderte ohne Umschweife den Zustand der Rennbahn.
«Sie brauchen ein paar Bulldozer und zwar schnell. Offenbar haben sie aber kein Geld in der Kasse, Kann man denn nicht aus dem Unterstützungsfonds.«
«Wir können keine Geschenke verteilen«, unterbrach er mich.»Aber ich werde sehen, was sich tun läßt. Noch nicht einmal halb ausgegraben, sagten Sie? Hm. Captain Oxon, der Verwalter, hat Weatherby aber versichert, daß die Bahn bis zur nächsten Veranstaltung rennfertig sein wird. Hat er seine Meinung geändert?«
«Ich konnte nicht mit ihm sprechen, Sir, er war unterwegs.«
«Oh. «Lord Hagbournes Stimme wurde kühler.»Dann hat er
Sie nicht gebeten, meine Hilfe zu erbitten? Es tut mir leid, da kann ich mich nicht einmischen. Als Rennbahnverwalter trägt er die Verantwortung, und daran können wir nichts ändern. Hm, ja. Wenn er Rat braucht, wird er sich an den Administrator wenden.«
«Der Administrator ist Mr. Fotherton, der in Bristol wohnt. Er führt auch die Aufsicht über den dortigen Rennplatz und ist dort mit den Veranstaltungen von morgen und am Montag beschäftigt.«
«Ja, stimmt.«
«Sie könnten Captain Oxon doch einmal anrufen und sich erkundigen, wie die Arbeit vorangeht, Sir«, schlug ich vor.
«Ich weiß nicht.«
«Sie können mich beim Wort nehmen, Sir. Wenn es weiter so langsam vorwärtsgeht, finden am nächsten Wochenende in Seabury keine Rennen statt. Ich glaube nicht, daß Captain Oxon sich darüber im klaren ist, wie langsam die Männer vorankommen.«
«Ausgeschlossen«, protestierte er.»Er hat versichert.«
«Noch eine Absage in letzter Minute gibt Seabury den Rest«, sagte ich nachdrücklich.
Es blieb eine Weile still, dann sagte er widerstrebend:»Ja, das kann wohl sein. Gut, ich erkundige mich bei Captain Oxon und Mr. Fotherton, ob sie mit dem bisherigen Verlauf zufrieden sind.«
Ein größeres Zugeständnis konnte ich ihm nicht abringen, es würde zweifellos nicht genügen. Der Dienstweg bricht Seabury das Genick, dachte ich.
Ich behielt Dollys Telefon gleich bei mir, rief als nächstes bei der Polizeistation in Epping an und sprach mit Chefinspektor Cornish.
«Etwas Neues im Fall Andrews?«fragte ich.
«Man kann wohl nicht bestreiten, daß Sie persönlich interessiert sind. «Er lachte.»Ich habe inzwischen eine Schwester von ihm ermitteln können. Bei der gestrigen gerichtlichen Untersuchung haben wir sie zur Identifizierung als Zeugin aufgerufen, weil sie die einzige Angehörige ist. Aber wenn Sie mich fragen, wußte sie nicht genau Bescheid. Sie sah sich die Überreste im Leichenschauhaus an und kippte um.«