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«Armes Mädel, das kann man ihr nicht verdenken.«

«Nein. Sie sah nicht lange genug hin, um ihn identifizieren zu können. Aber Ihre Aussage genügte, und wir brachten es nicht fertig, sie noch einmal hineinzuschicken.«

«Wie ist er gestorben? Konnten Sie das feststellen?«

«Allerdings. Er wurde von hinten erschossen. Die Kugel prallte an einer Rippe ab und blieb im Brustbein stecken. Der Schußwaffensachverständige hat diese Kugel mit der verglichen, die man aus der Wand Ihres Büros herausgeholt hat. Es gibt keinen Zweifel, er wurde mit der Waffe umgelegt, die er gegen Sie gerichtet hatte.«

«Ist sie gefunden worden?«

«Keine Spur. Der Tatbestand lautet: Mord durch unbekannte Täter. Und ganz unter uns, so wird es auch bleiben. Wir haben keine brauchbare Spur.«

«Was für eine Spur haben Sie?«fragte ich.

Er zögerte.

«Seine Schwester hat uns etwas erzählt. Sie wohnt in Islington, und er verbrachte den Abend, bevor er in Ihrem Büro einbrach, bei ihr. Er zeigte ihr den Revolver. Sie behauptete, er sei sehr stolz darauf gewesen. Offenbar war er ein bißchen bekloppt. Zu ihr sagte er nur, ein großer Mann habe ihm die Waffe geliehen, weil er etwas holen müßte, und er sollte alle niederschießen, die sich ihm in den Weg stellten. Sie glaubte ihm nicht. Sie sagte, er habe immer alles mögliche erfunden. Sie fragte ihn auch nicht nach dem großen Mann, oder wo er hinwollte.«

«Ein bißchen eigenartig«, sagte ich,»mit einem geladenen Revolver vor Augen.«

«Den Nachbarn zufolge war sie mehr an Männern interessiert als an den Dingen, die ihr Bruder trieb.«

«Die lieben Nachbarn.«

«Klar. Wir haben jedenfalls bei allen Leuten nachgefragt, die Andrews in der Woche, bevor er auf Sie schoß, gesehen haben. Da war nirgends die Rede von einem Revolver oder einem großen Mann oder einem Auftrag für die Cromwell Road.«

«Er ist nachher nicht mehr zu seiner Schwester gegangen?«

«Nein, sie sagte ihm, sie erwarte einen Gast.«

«Um ein Uhr früh? Die Nachbarn haben doch recht. Bei den Rennplätzen haben Sie auch herumgefragt?«

«Andrews ist dort recht gut bekannt als eine Art Laufbursche. Alle schienen überrascht zu sein, daß eine so harmlose Person ermordet worden ist.«

«Harmlos!«

«Wenn Sie ihn nicht für harmlos gehalten hätten, wären Sie vorsichtiger gewesen.«

«Sie haben ja recht«, sagte ich.»Jetzt sehe ich in jedem braven Bürger einen Schurken. Das ist sehr unangenehm.«

«Die meisten sind auch Schurken, auf die eine oder andere Weise«, meinte Cornish fröhlich.»Jedenfalls haben wir genug zu tun. Was halten Sie übrigens von Sparkies Chancen im Hennessy-Rennen?«

Als ich endlich auflegte, riß mir Dolly das Telefon weg und bat das Mädchen am Klappenschrank, ihr drei Ferngespräche hintereinander zu geben, und zwar >ohne daß mir Halley dazwischen kommtc. Ich grinste, nahm die Fotografien aus der Schublade und sah sie noch einmal durch. Sie verrieten mir nicht mehr als vorher.

Als Dolly mit ihren Anrufen fertig war, nahm ich ihr den Hörer aus der Hand und rief meine Bank an.

«Mr. Hopper! Hier ist Sid Halley. Ja, gut, danke. Und Sie? Gut. Könnten Sie mir sagen, wie mein Kontostand ist?«

«Gar nicht übel«, erwiderte er in seiner Baßstimme.»In letzter Zeit sind ein paar Dividenden eingegangen. Wenn Sie sich ein bißchen gedulden, lasse ich mir die genauen Zahlen bringen. «Er sprach mit einem Mann im Hintergrund, dann wieder mit mir:

«Es wird Zeit, daß Sie einen Teil erneut anlegen.«

«Das hatte ich auch vor«, meinte ich.»Ich wollte mit Ihnen darüber sprechen. Ich möchte diesmal von einem Börsenmakler Aktien kaufen, nicht über die Bank. Bitte glauben Sie nicht, daß ich unzufrieden bin, ganz im Gegenteil. Es hängt mit meiner Arbeit bei Radnor zusammen.«

«Verstehe. Und was wollen Sie?«

«Sie als Referenz angeben«, sagte ich.»Er wird Sie sicher verlangen, aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ganz unpersönlich bleiben würden. Erwähnen Sie bitte weder meinen früheren noch meinen jetzigen Beruf. Das ist sehr wichtig.«

«In Ordnung. Noch etwas?«

«Nein. Das heißt, ja. Ich habe mich bei ihm als John Halley angemeldet. Würden Sie bitte darauf achten, wenn er sich mit Ihnen in Verbindung setzt.«

«Gerne. Ich hoffe, daß Sie mir später einmal erzählen, worum es gegangen ist. «Die tiefe Stimme klang amüsiert.»Ah, hier kommen die Zahlen. «Er nannte die Gesamtsumme, die zur Abwechslung einmal größer war, als ich erwartet hatte.

Ich gab Dolly mit einer ironischen Verbeugung das Telefon zurück und ging zur Abteilung Bona Fides hinauf. Copelands lehmfarbener Pullover war in nicht ganz passender Farbe gestopft worden.

«Wißt ihr schon etwas über Kraye?«fragte ich.»Oder komme ich zu früh?«

«George hat, glaube ich, schon etwas.«

Ich trat an Georges Schreibtisch. Auf einem Blatt Papier hatte er Kurznotizen verewigt. >Ges. verh., 2 J., 2 fr., 1 Sch., 1 Selbstm., Gr.< hieß es dort, dahinter eine Reihe von Namen und Daten.

«So?«sagte ich.

«Ja. «Er grinste.»Kraye schloß vor zwei Jahren mit Doria Dawn geborene Easterman die gesetzliche Ehe. Vorher war er schon zweimal verheiratet. Die eine Frau brachte sich um, die andere ließ sich wegen seelischer Grausamkeit scheiden.«

George wies auf die Namen und Daten.

«Ganz klar«, meinte ich,»wenn man sich auskennt.«

«Wenn Sie nicht so ungeduldig wären, bekämen Sie einen ausführlichen Bericht. Aber weil Sie schon da sind. «Er überflog die Seite.»Bei den Geologen gilt er als exzentrisch. Der Wert der Kristalle ist oft gering, weil sie sehr häufig vorkommen, mit Ausnahme der Halbedelsteine. Aber Kraye kauft alles, was ihm ins Auge sticht. Im Geologiemuseum kennt man ihn recht gut. Aber kein Hauch von unsauberen Dingen. In den Klubs — er gehört diesen dreien an — ist er nicht maßlos beliebt, aber die meisten halten ihn für einen patenten Burschen, weil er sich gut ausdrücken kann. Er spielt bei Croxfords, aber keine größeren Gewinne oder Verluste. Er reist stets erster Klasse, meist mit dem Schiff. Kein Beruf, auch in keinem Universitätsregister zu finden. Man nimmt an, daß er von Börsenspekulationen lebt. Nicht besonders beliebt, gilt aber bei den meisten als kluger, kultivierter Mann, bei ein paar als heuchlerischer Angeber.«

«Von unsauberen Machenschaften ist nirgends die Rede?«

«Nein. Sollen wir ein bißchen tiefer schürfen?«»Wenn das zu machen ist, ohne daß er es merkt?«

George nickte.»Wollen Sie ihn beschatten lassen?«

«Nein, ich glaube nicht. Jedenfalls vorerst nicht. Keine Angaben über seine Vergangenheit?«

George schüttelte den Kopf.»Nichts. Keiner seiner Bekannten kennt ihn länger als ungefähr zehn Jahre. Er ist entweder nicht hier geboren oder hieß bei der Geburt nicht Kraye. Keine Angehörigen zu finden.«

«Sie haben ja wahre Wunder geleistet, George. Das alles an einem Tag!«

«Beziehungen, sehr viele Telefonate, ein paar Besuche in Lokalen, Unterhaltungen mit Geschäftsleuten — nichts dabei.«

Jack sah mich über seine Brille an und erklärte, ein Vorbericht über Bolt wäre noch nicht lieferbar, weil Carter, der den Fall bearbeitete, noch nicht angerufen habe.

«Sagen Sie mir Bescheid, wenn er sich meldet?«bat ich.»Ich bin für halb vier zu Bolt bestellt und möchte vorher gern Bescheid wissen.«

«Okay.«

Die Firma >Charing, Street and King< umfaßte zwei Räume in einem großen Bürohaus und bestand nur aus Bolt, einem Büroangestellten und einer Sekretärin.

Man zeigte mir die Tür des Vorzimmers, und ich betrat einen düsteren Raum mit kaltem Neonlicht und Aussicht auf die Feuerleiter durch das schmutzige Fenster. An der rechten Wand saß eine Frau am Schreibtisch vor dem Fenster, mit dem Rücken zu mir. Hinter ihrem Stuhl befand sich eine Tür. Auf der Milchglasscheibe stand >Ellis Bolt<. Ich hatte den Eindruck, daß sie sehr unpraktisch saß, aber vielleicht machte es ihr Spaß, ständig Aussicht auf Zugluft zu haben und sich jedesmal umdrehen zu müssen, wenn jemand ins Zimmer kam.