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Es lag mir auf der Zunge, darauf hinzuweisen, daß Oxon die Löhne für sechs Arbeiter hätte einsparen können, wenn gleich am ersten Tag ein Bulldozer eingesetzt worden wäre, aber da die Schlacht gewonnen war, hielt ich mich zurück.

Wir gingen zu den Tribünen zurück. Lord Hagbourne blieb stehen und registrierte mit düsterer Miene ihren schäbigen Zustand. Wirklich bedauerlich, daß Seabury mit einem Administrator geschlagen war, der sein Hauptinteresse dem erfolgreichen Rennplatz in Bristol widmete.

Ich folgte Lord Hagbourne und Captain Oxon durch das Tor, die Straße entlang zu Captain Oxons Wohnung, die über der Kantine im Stallblock lag.

Auf Lord Hagbournes Vorschlag rief Oxon ein Tiefbauunternehmen in der Nähe an und vereinbarte für den folgenden Vormittag den Einsatz des Bulldozers. Er war immer noch gereizt, und es trug nicht zur Versöhnung bei, daß ich die Schinkenbrote ablehnte, die er anbot, obwohl ich sie gerne gegessen hätte. Ich war seit vierzehn Tagen aus dem Krankenhaus entlassen, aber ich mußte noch mindestens zwei Wochen warten, bis frisches Brot, Schinken und Senf wieder zugelassen waren.

Nach dem Imbiß entschloß sich Lord Hagbourne zu einem Besichtigungsrundgang. Wir schlenderten zu dritt zuerst um die Stallungen herum in die Unterkunftsräume der Stallburschen, durch die Kantine in die Küche und von dort in die Büros — überall dasselbe. Abgesehen von den hölzernen Stallboxen, die nach dem Brand errichtet worden waren, sah man keine Spur von Instandsetzungsarbeiten oder frischer Farbe.

Wir kehrten wieder zum Tor zurück und gingen hinüber zur Tribüne, an deren Rückseite sich Wiegeraum, Speisesäle, Bars und Garderoben befanden. Das eine Ende beherbergte Büros für Sekretärinnen, Presse und Rennleitung, das andere die Sanitätsstation und einen Lagerraum. Ein breiter Tunnel lief durch das ganze Gebäude und ermöglichte einen zweiten Zugang zu den meisten Räumen, auf der anderen Seite zu den Tribünenplätzen. Wir ließen nichts aus, besuchten sogar den Heizungsraum und die Öltanks, so daß ich endlich auch zu einem wehmütigen Blick in die Wiege- und Umkleideräume kam.

Es war überall feuchtkalt, zugig und schmutzig. Nichts wirkte frisch, nicht einmal der Staub.

Captain Oxon erklärte, der allgemeine Verfall rührte in erster Linie von der Meeresluft her, weil der Rennplatz so nah an der Küste läge. Im Prinzip hatte er wohl auch recht, nur — man hatte der Meeresluft zu lange freie Hand gelassen.

Schließlich kehrten wir zu meinem Wagen zurück, der am Tor stand, und schauten zur Tribüne hinüber — alles verloren, verlassen, verfallend, wie ein kalter Novembernachmittag.

«Was kann man tun?«fragte Lord Hagbourne bedrückt, als wir wieder unterwegs waren.

«Ich weiß es nicht. «Ich schüttelte den Kopf.»Das Ganze ist einfach tot.«

Ich konnte nicht widersprechen. Seabury war wohl nicht mehr zu helfen. Die Rennveranstaltungen am Freitag und Samstag konnte man jetzt zwar abhalten, aber so, wie die Dinge standen, würden die Einnahmen kaum die Kosten decken. Kein Unternehmen vermochte auf die Dauer mit Verlust zu arbeiten. Seabury mochte sich noch eine Weile über Wasser halten, indem es die Reserven angriff, aber aus den Bilanzen ergab sich, daß sie nur ein paar tausend Pfund betrugen. Es würde noch schlimmer werden.

Der Bankrott schien unvermeidbar. Es war sicherlich vernünftiger, wenn man zugab, daß Seabury keine Zukunft hatte, und man den Grund zum bestmöglichen Preis zum Verkauf anbot. Warum sollten die Aktionäre nicht entschädigt werden und acht Pfund für jedes investierte Pfund erhalten? Viele würden gewinnen, wenn Seabury unter den Hammer kam, niemand verlieren. Seabury war nicht mehr zu retten.

Mein Gedankengang brach jäh ab. Genau das mußte die Einstellung des Administrators, Mr. Fotherton, und des Verwalters Oxon und aller Verantwortlichen sein. Das erklärte, warum man sich nicht richtig bemüht hatte, den Rennplatz zu retten. Der Niedergang war einfach hingenommen und nicht nur als harmlos, sondern auch als gewinnbringend angesehen worden. Wie bei anderen Rennplätzen und großen Bahnen wie Hurst Park und Birmingham würde es auch mit Seabury zu Ende gehen.

Was spielte es für eine Rolle, daß Cardiff, Derby, Bournemouth, Newport einen weiteren Nachfolger finden würden? Was spielte es für eine Rolle, daß vielbeschäftigte Leute wie Inspektor Cornish nicht mehr oft zu Rennen gehen konnten, weil der Rennplatz in der Nähe aufgelöst worden war? Was spielte es für eine Rolle, wenn Seaburys Feriengäste statt dessen in andere Vergnügungsstätten wanderten?

Die Rennpferdbesitzer müßten wie ein Mann aufstehen, dachte ich, und verlangen, daß Seabury gerettet würde, weil es für ihre Pferde einfach keine bessere Rennbahn gab. Natürlich würden sie das nicht tun. Man konnte den Pferdebesitzern auseinandersetzen, wie gut die Bahn war, aber wenn sie nicht selbst etwas vom Fach verstanden, nützte das nichts. Sie sahen nur die verfallenden Tribünen, nicht die ausgezeichneten Hindernisse. Sie wußten nicht, daß ihre Pferde den federnden Boden liebten, daß der Bahnverlauf ideal war.

Ich trat wütend auf das Gaspedal, und der Wagen schoß wie ein Vogel dahin. Ich fuhr sonst nicht mehr allzu schnell, weil ich nur mit einer Hand steuern konnte. Nach einer Weile pendelte sich der Tachometer wieder auf achtzig ein.

«Mir geht es genauso«, sagte er.

Ich sah ihn überrascht an.

«Das Ganze ist zum Verzweifeln«, meinte er.»Im Grunde eine hervorragende Bahn, aber man kann nichts machen.«

«Sie läßt sich retten«, sagte ich.

«Und wie?«

«Eine neue Einstellung. «Ich verstummte.

«Weiter«, sagte er.

Ich konnte ihm doch nicht sagen, daß er alle Verantwortlichen für Seabury an die Luft setzen sollte. Viele davon waren wahrscheinlich enge Freunde oder alte Schulkameraden von ihm.

«Angenommen, Sie hätten freie Hand«, sagte er nach einer Weile.»Was würden Sie tun?«

«Niemand hat freie Hand. Das ist ja die Schwierigkeit. Wenn jemand einen guten Vorschlag macht, ist ein anderer dagegen. Und am Ende wird gar nichts getan.«

«Nein, Sid. Ich meine Sie persönlich. Was würden Sie tun?«

«Ich?«sagte ich grinsend.»Wenn ich tun könnte, was mir vorschwebt, würde die ganze Rennsportkommission in Ohnmacht fallen.«

«Ich möchte es gerne wissen.«

«Im Ernst?«

Er nickte, als könnte er je etwas anderes als ernst sein.

Ich seufzte.»Na schön. Ich würde alle brauchbaren Ideen zur Anlockung von Zuschauern verwenden, die man sich anderswo hat einfallen lassen, und sie sofort in die Tat umsetzen.«

«Zum Beispiel?«

«Ich würde die ganzen Reserven nehmen und den Betrag als Preis für das Hauptrennen aussetzen. Ich würde dafür sorgen, daß wirklich nur erstklassige Pferde an den Start kommen. Dann würde ich persönlich mit den Trainern sprechen, ihnen die Lage erklären und sie um Unterstützung bitten. Ich würde zu den Leuten gehen, die Gold-Cup-Rennen fördern und sie dazu überreden, für alle anderen Rennen Fünfhundertpfund-Preise zu stiften. Ich würde aus dem ganzen eine Kampagne machen. Ich würde im Fernsehen und auf den Sportseiten der Zeitungen über eine Aktion >Rettet Seabury< diskutieren lassen. Ich würde die Menschen interessieren und beteiligen. Ich würde jemanden wie die Beatles zur Überreichung der Siegerpreise herbeischaffen. Ich würde kostenlos parken lassen, kostenlose Rennzeitungen verteilen und am Renntag alles mit Fahnen, Girlanden und Blumen garnieren, damit die alte Farbe nicht auffällt. Ich würde die Angestellten darauf aufmerksam machen, daß die Zuschauer freundlich behandelt werden müssen. Und ich würde darauf bestehen, daß ordentliches Essen serviert wird. Ich würde die Rennveranstaltung Anfang April ansetzen und auf einen sonnigen Frühlingstag hoffen. Das wäre der Anfang«, meinte ich abschließend.