«Chrysopras, Aventurin, Achat, Onyx, Chalzedon, Tigerauge, Karneol, Citrin, Rosentopas, Plasma, Basanit, Heliotrop, Hornstein. Warum, zum Teufel, habe ich damit angefangen?«
«Na, und warum?«
Wieder der ausdruckslose Blick. Er wollte nicht damit herausrücken.
«Du kannst mich abhören«, sagte er.
Wir trugen sie Stück für Stück ins Eßzimmer, wo neben dem Kamin die großen Bücherschränke mit den Glastüren geleert worden waren.
«Da kommen sie später hinein«, sagte Charles, während er den großen Eßtisch mit einer dicken Filzplatte bedeckte.»Leg sie zunächst auf den Tisch.«
Als sie in Reih und Glied dalagen, ging er langsam im Kreis herum und lernte die Namen auswendig. Es waren ungefähr fünfzig Stück. Ich hörte ihn nach einer Weile ab, und er vergaß ungefähr die Hälfte. Kein Wunder, die meisten sahen einander ähnlich. Er seufzte.
«Jetzt trinken wir einen Schluck, und du gehst wieder ins Bett.«
Er ging voraus in das kleine Wohnzimmer und füllte zwei Gläser mit Kognak. Er prostete mir zu und trank genießerisch den ersten Schluck. Man spürte eine unterdrückte Erregung an ihm. In den unergründlichen Augen glitzerte es. Ich schlürfte den Kognak und fragte mich mit größerem Interesse, was er vorhatte.
«Übers Wochenende kommt Besuch«, sagte er gleichgültig.
«Mr. Rex van Dysart mit Frau und Mr. Howard Kraye mit Frau und meine Kusine Viola, die als Gastgeberin fungiert.«
«Alte Bekannte?«murmelte ich, da ich bisher nur von Viola gehört hatte.
«Nicht sehr«, sagte er beiläufig.»Sie werden morgen bis zum Abendessen hier sein. Da kannst du sie kennenlernen.«
«Aber ich bin doch überflüssig. Ich gehe hinauf, bevor sie kommen, und lasse mich übers Wochenende nicht blicken.«
«Nein«, sagte er scharf, viel zu nachdrücklich.
Ich war überrascht. Dann kam mir plötzlich die Idee, daß die ganze Spielerei mit den Gesteinsproben und seinem Angebot, mich bei ihm zu erholen, wohl nur dazu gedient hatte, eine Begegnung zwischen mir und den Wochenendgästen zu ermöglichen. Er bot mir Ruhe. Mr. van Dysart und Mr. Kraye bot er Quarzbrocken. Wir hatten seinen Köder geschluckt. Ich beschloß, ein bißchen an der Schnur zu zerren, um herauszufinden, wie entschlossen der Angler war.
«Ich bin aber lieber oben. Du weißt, daß ich Diät halten muß.«
Meine Ernährung bestand zu dieser Zeit aus Kognak, Bouillon und im Vakuum abgepackter Pasten, die man für die Versorgung von Astronauten erfunden hatte. Offenbar fügten diese Dinge meinen zerschossenen Gedärmen keinen weiteren Schaden zu.
«Beim Essen werden die meisten Leute aufgeschlossener, sie reden viel, und man lernt sie besser kennen.«
Er gab sich Mühe, nicht zu drängen.
«Sie reden mit dir genauso, wenn ich nicht dabei bin, sogar ungezwungener. Und ich kann euch nicht zusehen, wenn ihr alle Steaks verdrückt.«
«Du kannst alles, Sid«, sagte er nachdrücklich,»und ich glaube, daß du interessiert sein wirst, nicht gelangweilt — das verspreche ich dir! Noch einen Kognak?«
Ich schüttelte den Kopf und gab nach.
«Na schön, ich komme zum Essen, wenn du willst.«
Er entspannte sich nur wenig, ein beherrschter und kluger Mann. Ich lächelte ihn an, und er erriet, daß ich nur getestet hatte.
«Du bist ein Halunke«, sagte er.
Bei ihm war das ein Kompliment.
Das Transistorgerät neben meinem Bett brachte die Morgennachrichten, während ich langsam mein Astronautenfrühstück hinunterwürgte.
«Die für heute und morgen in Seabury vorgesehenen Rennveranstaltungen mußten abgesagt werden«, erklärte der Sprecher.
«Ein Tankzug mit flüssigen Chemikalien stürzte gestern nachmittag auf einer die Rennbahn überquerenden Straße um. Der Rasen wurde sehr stark beschädigt, und die Rennleitung entschied heute morgen nach einer Besichtigung, daß die Rennen nicht stattfinden können. Man hofft, die Bahn bis zur nächsten Veranstaltung in vierzehn Tagen wieder in rennfähigen Zustand bringen zu können. Hierzu erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Bekanntmachung. Abschließend der Wetterbericht «Das arme Seabury, dachte ich, immer dasselbe. Erst vor einem Jahr waren vor einer Veranstaltung die Stallungen abgebrannt. Auch damals hatte man absagen müssen, weil über Nacht nicht einmal Behelfsstallungen errichtet werden konnten, und das Nationale Rennsportkomitee nach Rücksprache mit Radnor entschieden hatte, daß die beliebige Unterbringung von Pferden in der Umgebung zu riskant wäre.
Die Bahn in Seabury war ausgesprochen gut, eine große Rundbahn ohne scharfe Kurven. Es hatte auch im Frühling schon einmal Schwierigkeiten gegeben: Während eines
Hindernisrennens war ein Entwässerungsgraben eingebrochen. Das Vorderbein eines bedauernswerten Pferdes war bis zu einer Tiefe von ungefähr vierzig Zentimetern abgerutscht, was zu einem Beinbruch geführt hatte. Bei dem sich entwickelnden Massensturz waren zwei weitere Pferde und ein Jockey schwer verletzt worden. Aus den Landkarten ließ sich das Vorhandensein des Abwasserkanals nicht ersehen, und ich hatte manchen Trainer Bedenken äußern hören, daß es vielleicht noch mehr solch alte Wassergräben gäbe, die ebenso unerwartet einbrechen könnten. Die Geschäftsführung behauptete natürlich das Gegenteil.
Eine Weile träumte ich vor mich hin, bestritt in Seabury ein Rennen und wünschte mir nutzlos, hoffnungslos, qualvoll, es in
Wirklichkeit tun zu können.
Mrs. Cross klopfte an die Tür und kam herein. Sie war eine kleine, unauffällige Frau mit braunem Haar und ein wenig schielenden graugrünen Augen. Obwohl sie völlig temperamentlos zu sein schien und kaum je sprach, hielt sie das Haus hervorragend in Schuß, unterstützt von einer meist unsichtbaren Armee von >Hilfenc. Für mich besaß sie die große Tugend, erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit hier zu arbeiten und Jenny und mir neutral gegenüberzustehen. Ihrer Vorgängerin, die Jenny wie ihr eigenes Kind betrachtet hatte, hätte ich nicht getraut.
«Der Admiral möchte wissen, ob Sie sich wohl fühlen, Mr. Halley?«fragte Mrs. Cross geziert und hob mein Tablett auf.
«Ja, danke, mehr oder weniger.«
«Er sagte, Sie möchten doch zu ihm ins Eßzimmer hinunterkommen.«
«Zu seinen Felsbrocken?«
Sie lächelte schwach.
«Er ist heute schon vor mir aufgestanden und hat dort gefrühstückt. Soll ich ihm sagen, daß Sie kommen?«
«Bitte.«
Als sie gegangen war und ich mich langsam anzog, läutete das Telefon. Kurz danach kam Charles selbst herauf.
«Das war die Polizei«, sagte er stirnrunzelnd,»offenbar hat man eine Leiche gefunden, die du identifizieren sollst.«
«Wessen Leiche?«
«Davon war nicht die Rede. Man schickt aber sofort einen Wagen her. Offenbar rief man hier an, weil man nicht genau wußte, wo du dich aufhältst.«
«Ich habe keine Angehörigen. Das muß ein Irrtum sein.«
Er zuckte die Achseln.»Wir werden ja bald Bescheid wissen. Komm jetzt mit hinunter und hör mich mit den Steinen ab. Ich glaube, jetzt habe ich’s.«
Wir gingen ins Eßzimmer, wo ich feststellen konnte, daß er nicht übertrieben hatte. Er ging die ganze Sammlung ohne einen einzigen Fehler durch. Ich veränderte die Reihenfolge, aber das brachte ihn nicht aus dem Konzept. Er lächelte zufrieden.
«Es klappt«, sagte er.»Jetzt legen wir sie in die Fächer, das heißt, die nicht so wertvollen da hinauf und die Halbedelsteine in den Bücherschrank im Wohnzimmer, den mit den Vorhängen an den Glastüren.«
«Sie gehören in einen Tresor. «Das hatte ich schon gestern abend erklärt.
«Trotz deiner Ängste ist nichts passiert, obwohl sie die ganze Nacht auf dem Tisch lagen.«
«Als beratender Privatdetektiv empfehle ich trotzdem einen Tresor.«
Er lachte.
«Du weißt sehr gut, daß ich keinen Tresor habe. Aber als beratender Privatdetektiv kannst du die Steine heute abend bewachen. Leg sie dir unters Kissen! Was hältst du davon?«