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«Ich erinnere mich«, sagte ich.

«Sie haben ihn buchstäblich auf die Schulter genommen und ins Ziel getragen. «Er biß von seinem Brot ab.»So einen Jubel hört man selten. Ganz ohne Witze, Sie waren wirklich phantastisch. Schade, daß Sie aufgeben mußten.«

«Ja.«

«Immerhin, Hindernisrennsport ist ein großes Risiko. Da gibt es eben immer einen Sturz zuviel.«

«Richtig.«

«Wo ist es eigentlich passiert?«

«In Stratfort on Avon, im Mai vor zwei Jahren.«

Er schüttelte mitfühlend den Kopf.»Scheußliches Pech.«

Ich lächelte.»Immerhin hatte ich vorher ziemlichen Erfolg.«

«Das kann man sagen. «Er schlug mit der Faust auf den Tisch.»Vor drei oder vier Jahren war ich mit meiner Frau in Kempton.«

Er sprach begeistert von Rennen, die er gesehen hatte, einer der echten Enthusiasten, ohne deren beständiges Interesse der ganze Rennsport verschwinden würde. Schließlich trank er seinen Whisky aus und schaute auf die Uhr.

«Ich muß zurück. Hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen. Eigentlich merkwürdig, wie’s oft geht, nicht? Als Sie noch ritten, hätten Sie wohl nie gedacht, daß Sie für diesen Beruf geeignet wären.«

«Was heißt geeignet?«fragte ich überrascht.

«Hm? Na, Andrews meine ich. Die Beschreibung, die Sie von seiner Kleidung gegeben haben, und jetzt die Identifizierung — sehr fachmännisch, wirklich brauchbar. «Er grinste.

«Ich habe mich aber nicht sehr klug benommen, als ich angeschossen wurde«, meinte ich.

Er zuckte die Achseln.»Das kann jedem passieren, glauben Sie mir. Darüber würde ich mir keine Gedanken machen.«

Während mich der Fahrer nach Aynsford zurückbrachte, lächelte ich über den Gedanken, daß mich jemand für einen guten Detektiv hielt. Es gab eine einfache Erklärung für meine Fähigkeit, zu beschreiben und zu identifizieren — ich hatte unzählige Akten über Vermißten- und Scheidungsfälle gelesen. Die ehemaligen Polizeibeamten, die sie zusammenstellten, wußten, wonach man identifizieren mußte: nach den unveränderlichen Dingen wie Ohren und Hände, nicht nach der Haarfarbe, nach Brillen oder Schnurrbärten. Einer hatte mir ohne Stolz erzählt, daß Perücken, Bärte oder der Gebrauch von Kosmetika keinen Eindruck auf ihn machten, weil er sich darum nicht bekümmerte.

«Ohren und Finger«, sagte der Fahrer,»die kann man nicht verändern.«

Er setzte mich an der Hintertür von Charles’ Villa ab, und ich ging durch den Flur in die Halle. Als ich die Treppe hinaufgehen wollte, erschien Charles unter der Tür zum Wohnzimmer.

«Ach, ich dachte schon, daß du es bist. Komm herein und schau dir das an!«

Widerwillig ließ ich das Geländer los und betrat das Zimmer.

«Da«, sagte er. Er hatte Leuchtröhren im Bücherschrank angebracht, und das Licht brachte die Halbedelsteine zum Glitzern. Die offenen Türen mit den roten Seidenvorhängen lieferten einen angenehmen Rahmen. Das Ganze wirkte sehr eindrucksvoll, und ich sagte ihm das auch.

«Gut. Das Licht flammt automatisch auf, wenn man die Tür öffnet. Raffiniert, nicht wahr? Und du kannst dich beruhigen, jetzt sind sie versichert.«

«Ausgezeichnet.«

Er klappte die Türen zu, und das Licht erlosch. Die roten Vorhänge verbargen diskret die Schätze vor dem Auge eines Unbefugten. Charles wandte sich mir zu und fragte mit ernster Miene:

«Wer war die Leiche?«

«Andrews.«

«Der Mann, der dich niedergeschossen hat? Unglaublich, Selbstmord?«

«Nein, ich glaube nicht. Jedenfalls war die Waffe nicht zu finden.«

Er deutete abrupt auf den Sessel.»Mein lieber Sid, setz dich! Du siehst wie ein — wie ein Gespenst aus. Du hättest dir die Anstrengung noch nicht zumuten dürfen. Leg die Beine hoch, ich bringe dir etwas zu trinken.«

Er bemühte sich um mich wie eine Glucke um ihr Jüngstes, holte mir zuerst ein Glas Wasser, dann ein Glas Kognak und schließlich eine Tasse Fleischextrakt aus der Küche, setzte sich mir gegenüber und sah zu, während ich trank.

«Magst du das Zeug?«fragte er mich.

«Ja, zum Glück.«

Ich erzählte ihm von Andrews und dem Zustand, in dem er aufgefunden worden war.

«Sieht aus, als sei er ermordet worden«, meinte er.

«Würde mich nicht wundern. Er war jung und gesund. In Essex wird er nicht plötzlich an Erschöpfung gestorben sein.«

Charles lachte.

«Wann kommen die Gäste?«fragte ich. Es war kurz nach fünf.

«Gegen sechs.«

«Dann gehe ich jetzt noch mal hinauf und lege mich eine Weile aufs Bett.«

«Es ist doch alles in Ordnung, Sid? Ich meine, wirklich in Ordnung?«

«Gewiß. Ich bin nur müde.«

«Kommst du zum Essen herunter?«Eine winzige Spur von Enttäuschung war aus seiner Stimme zu hören. Ich dachte an seine Mühe mit den Steinen, dachte daran, welche Manöver er ausgeführt hatte. Außerdem war ich auf seine Absichten wirklich neugierig geworden.

«Ja«, sagte ich, während ich aufstand,»laß mir einen Teelöffel aufdecken.«

Ich schaffte die Treppe und lag schwitzend auf dem Bett — und fluchte. Obwohl die Kugel alle lebenswichtigen Organe in meinem Körper verschont hatte, waren doch ein paar empfindliche Nerven geschädigt worden. Man hatte mir schon im Krankenhaus gesagt, daß es eine Weile dauern würde, bis ich mich wieder einigermaßen wohl fühlen würde. Es war kein Vergnügen, diese Meinung bestätigt zu finden.

Ich hörte die Besucher kommen, hörte ihre lauten, fröhlichen Stimmen, als man sie zu ihren Zimmern führte, das Zuklappen der Türen, das Rauschen des Wassers, das Poltern und Murmeln aus den Räumen in der Nähe und schließlich das leiser werdende Geplauder, als sie sich umgezogen hatten und an meiner Tür vorbei nach unten gingen. Ich raffte mich auf, zog die weite Hose und das Wollhemd aus, obwohl ich mich darin am wohlsten fühlte, und zog ein weißes Hemd und einen dunkelgrauen Anzug an.

Mein Gesicht starrte mich blaß, hager und dunkeläugig aus dem Spiegel an, als ich mir die Haare bürstete: Totenschädel beim Festessen. Ich grinste mich böse an. Es half nur wenig.

Kapitel 3

Als ich unten ankam, schlenderte Charles mit seinen Gästen gerade ins Eßzimmer. Die Männer trugen weiße Jacketts zur schwarzen Hose, die Frauen festliche Kleider. Charles hatte mich absichtlich nicht darauf aufmerksam gemacht, dachte ich. Er wußte, daß mein Rekonvaleszentengepäck keine Gesellschaftskleidung enthielt.

Er blieb nicht stehen, um mich seinen Gästen vorzustellen, sondern nickte nur knapp und marschierte schnurstracks ins Eßzimmer, in charmantes Geplauder mit der rundlichen, gepflegten Frau vertieft, die er neben sich hatte. Viola und eine große dunkelhaarige Frau, die verblüffend hübsch war, folgten. Viola, Charles’ ältere, verwitwete Kusine, lächelte mich im Vorbeigehen verlegen und besorgt an. Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte; normalerweise empfing sie mich mit großer Wärme, und erst vor kurzer Zeit hatte sie herzliche Genesungswünsche geschickt. Die junge Frau neben ihr blickte nur kurz in meine Richtung, die beiden Männer dahinter gönnten mir überhaupt keinen Blick.

Achselzuckend folgte ich ihnen ins Eßzimmer. Der für mich gedeckte Platz war nicht zu übersehen: Er bestand aus einem Löffel, einer kleinen Matte, einem Glas und einer Gabel. Mir gegenüber hatte man eine Lücke gelassen.

Charles führte seine Gäste an ihre Plätze, er selbst nahm wie üblich am Tischende Platz, die mollige Mrs. van Dysart rechts und die auffallend schöne Mrs. Kraye links neben sich. Ich saß zwischen Mrs. Kraye und Rex van Dysart. Es dauerte eine Weile, bis ich sie alle unterscheiden konnte. Charles enthielt sich jeder Vorstellung.

Die Gruppen an beiden Enden des Tisches begannen angeregt miteinander zu plaudern und schenkten mir keinerlei Beachtung.

Ich begann mir zu überlegen, ob ich nicht zu Bett gehen sollte.