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NEUES VOM HEXER VON SALEM

Er ist der Sohn eines mächtigen Magiers. Doch nicht nur die Hexerkräfte seines Vaters sind auf Robert Craven übergegangen. Auch der furchtbare Fluch der Großen Alten. Craven ist dem Tode geweiht. Es gibt nur einen Weg, den finsteren Göttern zu entkommen - die Magie eines uralten, sagenumwobenen Buches, in dem der Wahnsinn haust. Zusammen mit seinem Freund H. P. Lovecaft macht er sich auf die Suche nach dem Necronomicon. Doch alles scheint verloren, als die Großen Alten Macht über den Geist seines Vaters erlangen.

WOLFGANG HOHLBEIN EDITION im BASTEI LÜBBE Taschenbuch-Programm

25 263 DER HEXER VON SALEM Buch 1

25 264 NEUES VOM HEXER VON SALEM Buch 2

25 265 DER HEXER VON SALEM Der Dagon-Zyklus Buch 3

25 266 DER SOHN DES HEXERS

Weitere Taschenbücher von Wolfgang Hohlbein

13 228 Auf der Spur des Hexers

13 406 Die Sieben Siegel der Macht

NEUES VOM HEXER VON SALEM

Buch 2

BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH

Band 25 264

Erste Auflage: April 1995

© Copyright 1988/89/90/91/92/93/95 by Bastei-Verlag

Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach

All rights reserved

Titelbild: Gabriel Picart

Umschlaggestaltung: Klaus Blumenberg

Satz: VID GmbH & Co KG, Villingen-Schwenningen

Druck und Verarbeitung: Brodard & Taupin, La Fleche, Frankreich

Printed in France

ISBN 3-404-25264-0

Neues vom Hexer von Salem

Über den Dächern lag noch ein leiser Hauch von Nebel, als ich die Stadt erreichte. Die Häuser schienen sich hinter den wogenden Schleiern zu ducken, und obwohl die Sonne bereits vor einer guten Stunde aufgegangen war, war auf den Straßen weder Mensch noch Tier zu sehen. Nicht das geringste Zeichen von Leben regte sich. Selbst der Wind, der die letzten zwei Stunden meines Weges begleitet hatte, schien zu verstummen, kaum daß ich zwischen die ersten Häuser getreten war.

Erschöpft blieb ich stehen, setzte die beiden schwergewichtigen Koffer neben mich auf den Bürgersteig und sah mich mit einer Mischung aus Neugier und dumpfer Müdigkeit um. Jeder einzelne Knochen in meinem Körper schien zu schmerzen, und das Gewicht der Koffer hatte mir fast die Schultern aus den Gelenken gerissen. Meine Hände brannten höllisch, obgleich ich ein Stück aus meinem Hemd gerissen und um die Handgriffe der beiden Gepäckstücke gewickelt hatte.

Was ich sah, war auch nicht gerade dazu angetan, meine Laune zu bessern.

Ich hatte - zumal heute Sonntag war - nach Howards Berichten nicht gerade damit gerechnet, eine vor Leben und Freundlichkeit strotzende Stadt zu finden. Was ich aber jetzt erblickte, erinnerte mich eher an eine ausgestorbene Geisterstadt. Sämtliche Fenster waren geschlossen, und vor den meisten waren zusätzliche Läden vorgelegt. Nirgends war ein Licht oder ein anderes Anzeichen menschlichen Daseins zu gewahren, und der einzige Laut, den ich hörte, war ein leises, irgendwie beunruhigendes Rauschen und Wispern, das vom Fluß herüberwehte. Die Häuser waren allesamt schmal und wirkten geduckt, und selbst das wenige Grün, das hier und da das triste graue Antlitz der Stadt durchbrach, wirkte kränklich und blaß.

Das also war Arkham.

Der Ort, von dem ich jetzt schon so viel gehört hatte und dessen Name meist nur flüsternd ausgesprochen wurde. Aber vor allem der Ort, an dem ich meinen Freund Howard wiedersehen würde.

Ich nahm meine Koffer wieder auf und ging langsam die Straße hinab. Howard hatte mir in dem Brief, den ich vor zwei Monaten erhalten hatte, die Adresse eines Hotels genannt. Der Gedanke an ein weiches Bett und vielleicht sogar ein Bad war im Moment mächtiger als alle düsteren Bilder.

Nach einer Weile gewahrte ich das Hotel ein Stück vor mir. Ich wechselte den schweren Koffer von der Linken in die Rechte (was nicht viel nutzen würde, denn die beiden Gepäckstücke hatten auf den letzten drei Meilen beständig an Gewicht zugenommen und taten es noch) und betrat das Hotel.

Für einen ganz kurzen Moment spürte ich, wie mein sechster Sinn Alarm schlug. Irgend etwas stimmte hier nicht! Aber dann war das Gefühl wieder verschwunden. Mein Nervenkostüm schien auch nicht mehr das beste zu sein. Die Müdigkeit war wohl daran schuld.

Mit einem erleichterten Seufzer ließ ich die Koffer neben der Tür stehen, schlurfte mit hängenden Schultern zur Rezeption und schlug die Hand auf die kleine Glocke, die auf der zerkratzten Theke stand.

Es dauerte fast eine Minute, bis endlich hinter mir schlurfende Schritte laut wurden. Ich drehte mich herum und gewahrte einen buckeligen, kahlköpfigen Alten, der ohne sonderliche Hast herbeigeschlurft kam.

»Guten Morgen«, sagte ich. »Mein Name ist Craven. Robert Craven. Für mich müßte ein Zimmer in Ihrem Hotel reserviert sein.«

Der Alte sagte nichts, schlurfte nur kopfschüttelnd an mir vorbei und hinter die Theke. Ich sah, daß seine rechte Hand von der Gicht verkrüppelt war, und beschloß, ihm seine Unfreundlichkeit nachzusehen.

»Zimmer reservieren wir nicht«, murmelte er unfreundlich. »Aber Sie können eins haben. Für wie lange?« Er bückte sich, holte einen abgewetzten Folianten unter seiner Theke hervor und schlug ihn auf. Die Seiten waren schmutzig und verknickt und mit kleinen Zeilen in einer fast unleserlichen Handschrift übersät. Mit zitternden Fingern zog er einen Bleistiftstummel hervor, leckte ihn an und blinzelte aus kleinen roten Augen zu mir hinauf.

»Ihr Name?«

»Craven«, wiederholte ich, noch immer um Ruhe und freundliches Auftreten bemüht. »Robert Craven.«

»Roooobeeert Craaaven«, wiederholte der Alte gedehnt und begann etwas in sein Buch zu kritzeln, hielt dann aber inne und blinzelte mich wieder an: »Schreibt sich das mit K oder C?« fragte er.

»Mit einem C«, erwiderte ich. »Einem großen, wissen Sie?«

Meine Geduld war nach einer durchwachten Nacht und einem Fünf-Meilen-Marsch, bei dem ich noch einen halben Zentner Gepäck hatte mitschleppen müssen, ziemlich erschöpft.

»Ce-er-e-ef-e-en«, buchstabierte der Alte. »Richtig?«

»Nein«, schnappte ich. »Ganz einfach Craven. Wie Raven, nur mit einem C vorne. Der Rabe, verstehen Sie?« Ich starrte ihn böse an, hob die Arme und machte eine flatternde Bewegung.

Aber wenn der Alte meinen Sarkasmus überhaupt begriff - was ich bezweifelte -, dann reagierte er nicht darauf. Er zuckte nur mit den Achseln, beendete seine Eintragung und klappte das Buch wieder zu. Dann klaubte er einen Zimmerschlüssel von dem Bord hinter sich und gab ihn mir.

»Zimmer dreihundertdrei«, sagte er. »Im dritten Stock. Die Nummer steht an der Tür. Wenn Sie Frühstück wollen, müssen Sie sich am Abend vorher anmelden. Heute ist’s zu spät.«

Der Gedanke an Frühstück war mir noch nicht einmal gekommen. Alles, was ich wollte, war schlafen. Müde nahm ich den Schlüssel entgegen, wandte mich halb um und deutete auf die beiden Koffer, die neben der Tür standen.

»Mein Gepäck -«

»Müssen Sie schon selbst aufs Zimmer bringen«, unterbrach mich der Alte. »Der Hausdiener ist krank, und ich bin zu alt. Und jetzt entschuldigen Sie mich.«

Ohne mich noch eines weiteren Blickes zu würdigen, drehte er sich um und schlurfte gebückt davon.

Ich starrte ihm mit einer Mischung aus Wut und Resignation nach. Howard hatte mich gewarnt, daß die Leute in Arkham seltsam seien; und Fremden gegenüber nicht immer sehr freundlich. Aber eine Behandlung wie diese in einem Hotel war mir bislang noch nicht untergekommen.