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Ich antwortete nicht gleich, und Howard hob einen der kleinen Lederbeutel hoch und schüttete seinen Inhalt auf den Tisch. Ich konnte nicht genau erkennen, worum es sich handelte - aber die kleinen schwarzen Körnchen erinnerten mich auf unangenehme Weise an getrocknete Spinnen oder Ameisen.

»Es ist kein Zufall«, behauptete Howard, als ich noch immer keine Anstalten machte, von mir aus zu reden. »Vor Tagesfrist bist du in diesem Haus einem leibhaftigen Shoggoten begegnet - und jetzt platzen wir mitten in irgendeine düstere Beschwörung.« Er seufzte, sah mich an und deutete ungeduldig auf den Tisch.

»Zum Teufel, Robert - muß ich dir jedes Wort aus der Nase ziehen?« fragte er. »Schließlich bist du der Magier von uns beiden, nicht ich. Was bedeutet das alles hier?«

»Nichts«, antwortete ich, trat neben Howard an den Tisch und nahm eines der kleinen Gläser zur Hand. Auf seinem Boden lag ein verschrumpeltes braunes Ding, das irgendwann einmal ein Laubfrosch gewesen sein mußte.

»Wirklich nichts, Howard«, wiederholte ich, so ernsthaft, wie ich konnte. »Ich wollte dich mit meiner Bemerkung über den Friedhof nicht auf den Arm nehmen, Howard. Das hier hat mit Magie und Hexerei so viel zu tun wie ich mit dem englischen Königshaus.«

Howard sah mich fragend an, und ich warf das Glas mit dem mumifizierten Frosch angewidert zu Boden, wo es zerbrach. »Ich habe mich in den letzten anderthalb Jahren beinahe ausschließlich mit Magie und Hexerei beschäftigt, Howard«, fuhr ich fort. »Und mit das erste, was ich gelernt habe, war, daß so etwas nicht dazu gehört. Getrocknete Krötenbeine und Fledermausflügel, die man zu Mitternacht und Neumond auf dem Friedhof verbrennt - das ist Magie, wie sie sich Kinder und Narren vorstellen. Es hat nichts mit wirklicher Zauberei zu tun.«

»Die beiden kamen mir nicht wie Kinder vor«, murmelte Howard. »Auch nicht wie Narren. Im Gegenteil - ich hatte das Gefühl, daß sie es verdammt ernst meinten.«

»Möglich. Aber was immer sie vorhatten, hätte nicht funktioniert. Damit kannst du keine Beschwörung vornehmen, Howard. Es schadet höchstens denen, die sich damit beschäftigen.«

»Trotzdem sollten wir es mitnehmen«, beharrte Howard. »Ich will wissen, wer die beiden waren - und was sie hier wollten.«

Er blickte mich noch einen Moment nachdenklich an, löste sich dann von seinem Platz am Tisch und ging noch einmal zur Badezimmertür hinüber. Mein Herz begann wie wild zu schlagen, als ich sah, wie er sich - mit der Linken am Türrahmen Halt suchend - vorbeugte und in den schwarzen Abgrund hinabstarrte, der sich wie ein gierig aufgerissenes Maul unter ihm auftat. Es war weniger der Anblick, der mich schaudern ließ, als vielmehr die Erinnerung, die er in mir wachrief. Der Raum hatte keinen Boden. Er war nichts als ein rechteckiger, bis in die Kellergeschosse des Hauses führender Schacht. Um ein Haar wäre er mein Grab geworden, bei meinem ersten Besuch in diesem gastlichen Haus ...

»Weißt du, was dort unten ist?« fragte Howard, als er sich wieder aufrichtete.

»Die Keller, vermutlich«, antwortete ich achselzuckend. »Warum?«

»Wir sollten hinuntergehen«, murmelte Howard. »Vielleicht finden wir irgendwelche Spuren. Die beiden können sich schließlich nicht in Luft aufgelöst haben.« Er drehte sich mit einem plötzlichen Ruck herum. »Komm.«

Ich widersprach nicht, denn ich war insgeheim froh, aus dem Zimmer verschwinden zu können. Dieses ganze Haus war verhext, beseelt von einer bösen, finsteren Macht, die uns aus unsichtbaren Augen zu belauern schien. Und es war nicht der Shoggote, der mich um ein Haar verschlungen hätte. Seine Gegenwart hätte ich gespürt. Aber es wäre mir fast lieber gewesen, sie zu fühlen. Denn dann hätte ich wenigstens gewußt, welcher Art von Feind wir gegenüberstanden.

Wir verließen das Zimmer und traten wieder auf den düsteren Korridor hinaus.

Irgendwo unter uns polterte etwas.

Howard blieb so abrupt stehen, als wäre er vor eine unsichtbare Wand geprallt. Das Poltern wiederholte sich, dann ertönte ein berstender Schlag, und plötzlich schien das gesamte Gebäude unter unseren Füßen wie von einem Hammerschlag getroffen zu erzittern.

Howard brüllte mir irgend etwas zu, das in einem neuerlichen, noch lauterem Krachen unterging, und rannte los.

Aber nur ein paar Schritte weit. Er hatte kaum die obersten Stufen der Treppe erreicht, als er abermals mitten im Schritt zurückprallte. Und als ich neben ihm anlangte, wußte ich auch, warum.

Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen. Dieses Haus war eine Falle.

»Siehst du«, schrie Howard. »Ich hatte recht - die beiden waren nicht zufällig hier. Ich glaube, irgend jemand in dieser Stadt hat etwas gegen uns.«

Ich fand seine Art von Humor nicht besonders originell.

Nicht in Anbetracht der brüllenden Flammenwand, die das untere Viertel der Treppe einhüllte und krachend und tosend auf uns zutobte.

Um ihn waren Stille und Dunkelheit wie eine warme, beschützende Decke, als er erwachte. Er wußte nicht, wo er war, wie er hierher gekommen war, nicht einmal, wer er war.

Shannon blinzelte, versuchte, die Hand zu heben und stellte fest, daß sie so dick bandagiert war, daß er die Finger nicht bewegen konnte. Ein dünner, brennender Schmerz bohrte sich wie eine Nadel in sein Handgelenk, und als wäre dieser Schmerz der Schlüssel zu seinen Erinnerungen gewesen, zerriß der dumpfe Schleier, den der Schlaf um seine Gedanken gelegt hatte. Er erinnerte sich wieder. Und doch waren diese Erinnerungen ... falsch! War das das richtige Wort? Er wußte es nicht.

Er wußte nur, daß irgend etwas mit seiner Umgebung nicht stimmte.

Langsam richtete er sich in eine halb sitzende Position auf und schlug die Decke zurück. Er war nackt bis auf eine Pyjamahose, aber sein Körper war über und über mit Verbänden und Pflastern bedeckt, und selbst da, wo die bloße Haut noch sichtbar war, war sie zerschunden und gerötet. Er erinnerte sich an Flammen und Hitze.

Ja, das war es gewesen. Er hatte gegen den Shoggoten gekämpft, der Jeff töten wollte, und war dabei schwer verletzt worden. So schwer, daß er nicht einmal in der Lage gewesen war, sein geheimes Wissen anzuwenden und sich selbst zu heilen.

Mit einem entschlossenen Ruck schwang der junge Magier die Beine aus dem Bett und stand auf, obwohl sein Körper bei dieser Bewegung vor Schmerz zu zittern begann. Die beiden größten Verbände begannen sich dunkel zu färben, als die Wunden darunter wieder aufbrachen.

Shannon ignorierte den Schmerz, wankte mühsam zum Fenster und riß die Vorhänge mit einem Ruck auf. Helles Sonnenlicht strömte in den Raum, aber es flackerte, und in seinem Schein war etwas Fremdes, Störendes. Wieder hatte Shannon das Gefühl, daß irgend etwas in seiner Umgebung nicht so war, wie es hätte sein müssen, und wieder entglitt ihm der Gedanke, ehe er ihn weiter verfolgen konnte.

Eine Zeitlang blieb Shannon reglos und mit geschlossenen Augen am Fenster stehen. Das Sonnenlicht umspielte seinen Körper wie eine streichelnde Hand, und Shannon spürte, wie das Reservoir magischer Energien tief in seinem Inneren Kraft aus dem Licht bezog. Die Schmerzen verebbten langsam, und das Gefühl von Müdigkeit und Schwäche wich einem neuen Empfinden von Kraft.

Fünf, sechs Minuten blieb Shannon reglos so stehen, dann ging er zum Bett zurück und trat vor den mannshohen Wandspiegel. Ein dünnes Lächeln spielte um seine Lippen, als er damit begann, die Verbände abzuwickeln.

Es dauerte lange, bis er fertig war. Als der letzte Verband zu Boden fiel, war von den zahllosen Wunden, die seine Haut zuvor bedeckt hatten, nichts mehr zu sehen. Seine Haut war so glatt und unversehrt wie die eines Neugeborenen.

Shannon bückte sich nach seinen Kleidern, die zusammengefaltet auf einem Stuhl neben dem Bett lagen, und zog sie rasch über.