Выбрать главу

Die Feuerwehr war mit zwei Spritzenwagen gekommen und hatte länger als eine Stunde gelöscht, und schließlich war es ihr auch gelungen, ein Übergreifen des Feuers auf die benachbarten Häuser zu verhindern. Trotzdem waren die Bewohner vorsorglich evakuiert worden. Sie hockten, etwas abgesondert von der Menge der Gaffer und Neugierigen, die die Arbeit von Polizei und Feuerwehr behinderten, auf ihren Koffern und den hastig gepackten Bündeln. Sie wirkten niedergeschlagen, beinahe unnatürlich ruhig und gefaßt. Nur hier und da wimmerte ein Kind oder weinte eine Frau still in sich hinein.

Shannon hatte sich zur gegenüberliegenden Straßenseite zurückgezogen. Aufmerksam beobachtete er, wie sich zwei, drei Männer von ihren Plätzen erhoben und scheinbar ziellos die Straße hinunterzugehen begannen. Auf ihren Gesichtern stand ein Ausdruck grimmiger Entschlossenheit geschrieben.

Shannon begriff nicht, was hier vorging. Er war nach Arkham gekommen, weil die einzige Straße nach Innsmouth durch diesen Ort führte, und war geblieben, um dem Feuer zuzusehen und vielleicht zu helfen, falls dies nötig sein sollte. Aber er hatte den Haß und den aufgestauten Zorn, die wie eine übelriechende Wolke über der Stadt lasteten, schon von weitem gespürt.

Haß worauf? dachte er verwirrt. Auf das Feuer? Lächerlich. Ein Feuer haßt man nicht.

Die Gruppe bewegte sich an ihm vorbei, und plötzlich erkannte Shannon, was ihr Ziel war. Ein Stück östlich die Straße hinab stand ein zweispänniger, geschlossener Wagen mit schwarzem Verdeck. Der Fahrer war abgesessen und redete gestenreich mit zwei Männern in den dunkelblauen Uniformen der Stadtpolizei.

Kurz entschlossen schloß sich Shannon der Gruppe an. Niemand nahm von ihm Notiz, denn aus den drei Männern, die sich aus der Gruppe der Evakuierten gelöst hatten, war mittlerweile ein gutes halbes Dutzend geworden, und während sie sich der Kutsche näherten, schlossen sich immer mehr und mehr Männer an. Sie waren fast zwei Dutzend, als sie den Wagen erreichten. Unauffällig schob sich Shannon nach vorne und blieb zwei Schritte hinter dem Kutschfahrer stehen, der in einen heftigen Streit mit den beiden Polizisten verstrickt war.

»... nich, wasse von mir wolln!« polterte er gerade. »Sucht lieber nach Howard unnem Jungen, statt mich anzupflaumen!«

Howard? Ein kurzer, rascher Schrecken durchfuhr Shannon. Hastig sah er auf und betrachtete den Wagen noch einmal, und genauer. Er kannte das Fuhrwerk. Es war der gleiche Wagen, mit dem Jeffs Freund ihn vom Flußufer abgeholt hatte.

»Verzeihung«, sagte er. »Sie sind doch Rowlf, nicht? Ich möchte mich nicht einmischen, aber -«

Der Kutscher fuhr mit einer ärgerlichen Bewegung herum. »Warum tunses’n dann?« schnappte er, brach aber dann plötzlich ab und sah Shannon beinahe erschrocken an. »Was machen Sie denn hier?«

»Sie sprachen von einem gewissen Howard«, sagte Shannon, ohne auf das unwillige Murren zu achten, das aus der Menge hinter ihm lauter wurde. Der Haß schien sich zu verdichten. Irgend etwas würde passieren, das spürte er. »Ich hoffe, Sie meinen nicht -«

»Ich meine Howard«, unterbrach ihn der Riese gereizt. »Howard Lovecraft, und R ... ich meine Ihren Freund.«

»Jeff?« entfuhr es Shannon.

»Jeff«, nickte Rowlf. »Sie sin beide da innem Haus gewesen, als das Feuer losgegangen is.« Er deutete wütend auf die beiden Polizisten. »Aber statt nach ihnen zu suchen, löchern mich die beiden Schießbudenfiguren mit Fragen.«

»Der Brand ist völlig grundlos ausgebrochen, Sir«, sagte einer der Polizisten steif. »Und zwar, nachdem Ihre beiden Begleiter das Haus betreten haben. Ich frage mich also, weshalb. Das Haus steht seit elf Jahren leer, und es gab dort drinnen absolut nichts, was sich von selbst hätte entzünden können.«

»Warum vertrödelst du deine Zeit überhaupt noch mit Fragen, Matt?« sagte eine Stimme aus der Menge. »Hol einen Strick und häng’ den Burschen an den nächsten Baum.«

Der Polizist fuhr unwillig auf, aber schon stimmten andere in den Ruf ein. »Hängt ihn auf«, kreischte eine Frau. »Und den anderen gleich mit. Er kommt auch aus dieser verdammten Universität!«

»Seit diese Fremden hier aufgetaucht sind, hat der Teufel in Arkham Einzug gehalten«, fügte ein anderer hinzu. »Bringt sie um. Um ein Haar wäre unsere ganze Stadt niedergebrannt.«

»Tötet die fremden Teufel!« brüllte jemand. »Verbrennt sie, so wie sie fast unsere Stadt niedergebrannt hätten!« fiel ein anderer ein.

Shannon spannte sich. Er fühlte, wie die Stimmung den Siedepunkt erreichte und weiter stieg; ein Funke, dachte er, ein einziges, falsches Wort, und der ganze Ort würde in einer Woge von Gewalt explodieren wie ein Pulverfaß.

»Ich glaube, es ist besser, wenn wir jetzt gehen«, sagte er, so leise, daß nur Rowlf und einer der beiden Polizisten die Worte hörten. Der Beamte nickte abgehackt. Seine Lippen zitterten. Er spürte die Spannung ebenso wie Shannon. Und er wußte, daß er die aufgeputschte Menge nicht im Zaum halten konnte, wenn sie erst einmal losbrach.

»Es ist gut, Sir«, sagte er, mit absichtlich erhobener Stimme. »Das Beste wird sein, Sie fahren erst einmal zum Campus zurück. Wir wissen ja, wo wir Sie finden können, sollten sich noch Fragen ergeben.«

Aber es schien zu spät zu sein, Rowlf drehte sich um und griff zum Kutschbock hinauf, aber in diesem Moment löste sich ein Mann aus der Menge, die mittlerweile einen dichten Kreis um den Wagen gebildet hatte, und zog ihn am Arm zurück.

Wenigstens versuchte er es.

Rowlf knurrte zornig, fuhr herum und versetzte dem Burschen einen Stoß, der ihn zurück und gegen die anderen taumeln ließ.

Hätte er angefangen, auf die Menge zu schießen, wäre das Ergebnis kaum mehr anders gewesen. Ein gellender, vielstimmiger Schrei erhob sich aus der aufgeputschten Meute. Wie eine Woge fluteten sie heran, begruben Rowlf und die beiden Polizisten unter sich und begannen mit Fäusten und Füßen auf sie einzudreschen.

Auch Shannon ging unter dem plötzlichen Ansturm zu Boden, kam aber fast sofort wieder auf die Füße und stieß die beiden Männer, die sich an ihn klammerten, von sich. Jemand versuchte nach seinem Gesicht zu schlagen; Shannon wich dem Hieb aus, packte den Mann und brach ihm den Arm.

Aber er sah, daß er der Angreifer auf diese Weise nicht Herr werden konnte. Hastig wich er zurück, stieß einen Mann aus dem Weg und erreichte das Gespann.

Auch Rowlf hatte sich - auf seine gewaltige Körperkraft vertrauend und weniger elegant als Shannon (aber deswegen nicht weniger wirksam) - seiner Gegner entledigt. Er schwang die gewaltigen Fäuste wie Dreschflegel, während von den beiden Polizisten keine Spur mehr zu sehen war.

Shannon deutete mit einer Kopfbewegung zum Bock hinauf.

»Steigen Sie auf, Mann«, sagte er hastig. »Ich versuche sie aufzuhalten. Schnell!«

Rowlf nickte, zog sich mit einer hastigen Bewegung auf den Kutschbock hinauf und griff nach der Peitsche. Die Pferde wieherten nervös.

»Bringt sie um!« brüllte eine Stimme, und die Menge nahm den Ruf begeistert auf und wiederholte ihn, bis die Straße unter einem dröhnenden, an- und abschwellenden Chor widerzuhallen schien. Shannon gewahrte eine Bewegung aus den Augenwinkeln, duckte sich instinktiv und entging so im letzten Moment einer geschleuderten Fackel, die dicht über seinen Rücken hinwegsegelte und gegen den Wagenaufbau prallte. Sofort leckten kleine, gierige Flammen aus dem trockenen Stoff. Shannon sprang hinzu, schlug die Flammen mit bloßen Händen aus und warf die Fackeln zurück in die Menge.

Ein zorniger, vielstimmiger Aufschrei ging durch die Reihen. Shannon sah, wie der Wagen unter dem Anprall Dutzender Männer wankte und Rowlfs Peitsche auf die Köpfe des tobenden Mobs herunterpfiff, der ihn vom Bock zu zerren versuchte, aber er hatte keine Zeit, dem Kutscher zu Hilfe zu eilen. Fast ein Dutzend Männer stürzte sich gleichzeitig auf ihn.