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»Ich tue es ungern, Craven«, antwortete sie. »Aber versprochen ist versprochen, das müssen Sie einsehen.« Damit kam sie noch näher, lächelte beinahe freundlich und gab Curd einen befehlenden Wink.

»Brich ihm das Genick«, befahl sie.

»Es tut mir leid«, sagte sie leise. »Ich wollte nicht, daß es so weit kommt, Temples.« Ich schüttelte bedauernd den Kopf, streifte Curds Hände ab und trat Temples und der alten Frau einen Schritt entgegen.

Temples’ Augen weiteten sich ungläubig.

»Was ... bedeutet das?« keuchte er. »Curd, was ... was tust du?«

»Du hättest auf ihn hören sollen, Lowry«, sagte Ayres leise. Sie wirkte wie jemand, der genau das erlebt, worauf er schon lange wartete. »Er wollte dir eine Chance geben.«

»Mir? Aber wieso ... was ... warum läßt Curd ...« stammelte Temples. Dann begriff er, und der Schrecken in seinen Augen machte plötzlichem Erkennen Platz.

»Sie haben das gewollt«, keuchte er. »Sie ... Sie haben sich absichtlich gefangennehmen lassen, Craven!«

Ich nickte. »Ja. Ich habe gehofft, Sie zur Vernunft bringen zu können, Lowry. Ich mußte wissen, was hier vorgeht.« Curd stand wie gelähmt hinter mir. Er hatte nicht einmal gemerkt, wie ich seinen Willen ausgeschaltet und mir Untertan gemacht hatte.

»Ich nehme es Ihnen nicht übel, Lowry«, fuhr ich fort. »Nicht nach dem, was ich gesehen habe.«

»Sie Teufel!« stöhnte Temples. »Sie ... Sie verdammtes Ungeheuer. Sie sind genau wie Ihr Vater, Craven. Sie sind -«

»Ich werde Ihnen trotzdem helfen, Lowry«, unterbrach ich. »Jedenfalls werde ich es versuchen.«

Aber Temples schien meine Worte gar nicht zu hören. In seinen weit aufgerissenen, starren Augen glaubte ich Wahnsinn flackern zu sehen. Plötzlich schrie er auf, krümmte sich wie unter einem Hieb - und fuhr mit einer unglaublich schnellen Bewegung herum. »Wulf!« brüllte er. »Pack ihn!«

Curd und der Wolfmann reagierten im gleichen Augenblick, aber der Riese war um eine Winzigkeit schneller. Wulf stieß ein tierisches Geheul aus und stürzte mit drohend vorgereckten Klauen auf mich zu, aber Curd ergriff ihn wie ein Spielzeug beim Kragen, riß ihn mitten in der Bewegung herum und hob ihn ohne sichtliche Anstrengung vom Boden hoch. Er bemühte sich, ihm nicht weh zu tun, aber seine riesigen Hände fesselten Wulfs Arme wie Stahlseile an den Körper.

»Geben Sie auf, Lowry«, sagte ich. »Ich will Sie nicht auch noch zwingen müssen. Glauben Sie mir - es ist nicht schön, nicht mehr Herr seines eigenen Willens zu sein.«

Temples’ Augen schienen vor Haß zu brennen. »Niemals!« keuchte er. »Sie kriegen mich nicht. Eher bringe ich mich um.«

»Das ist nicht nötig, Lowry«, sagte Ayres leise.

In ihrer Stimme war ein Klang, der mich für einen Moment erstarren ließ. Sie sprach noch immer ruhig, beinahe freundlich, aber das vage Gefühl von Bedrohung, das ich die ganze Zeit über verspürt zu haben glaubte, steigerte sich plötzlich zu einem schrillen Alarmläuten.

Mit einer abrupten Bewegung fuhr ich herum, starrte sie an - und prallte mit einem Aufschrei zurück.

Die alte Frau hatte sich vollkommen verändert. Ihr Gesicht, das noch vor Augenblicken eine Maske aus Runzeln und tief eingegrabenen Falten gewesen war, begann sich zu glätten, als liefe die Zeit auf bizarre Weise rückwärts. Innerhalb von Sekunden wandelte sie sich von einer hundertjährigen Greisin in eine dunkelhaarige, schlanke Frau.

Aber die Veränderung ging weiter. Plötzlich begann sich ihr Gesicht zu verzerren, wurde zu einer Grimasse mit flammenden Dämonenaugen und gebogenen, blutig schimmernden Reißzähnen, die Hände krümmten sich zu Krallen, und über ihre plötzlich gesprungenen Lippen kam ein gräßliches Hohngelächter.

»Genug des bösen Spieles, Craven«, kicherte sie. »Ich hoffe, Sie haben Ihren Spaß gehabt. Aber jetzt ist meine Geduld erschöpft.«

Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Curd den Wolfmann losließ und hinter mich trat, versuchte verzweifelt, ihn zum Stehenbleiben zu zwingen, und spürte, wie meine Kräfte gegen eine unsichtbare Mauer prallten.

»Das ist sinnlos, Craven«, kicherte Ayres - oder das, in was sich die Alte verwandelt hatte. »Deine Kräfte sind den meinen nicht gewachsen.« Ihr Gesicht war vollends zu einer Teufelsfratze geworden, und als ich ihrem Blick begegnete, hatte ich das Gefühl, direkt in die Hölle zu blicken.

»Du bist nicht der einzige, der sich aufs Lügen versteht«, kicherte sie. »Ich hätte dich vom ersten Moment an überwältigen können. Aber ich wollte wissen, wie groß deine Kräfte sind.« Sie kicherte. »Nicht groß genug, scheint mir. Ich muß gestehen, ich bin enttäuscht. Vom Sohn Roderick Andaras habe ich mehr erwartet. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Curd!«

Wieder griff der Gigant mit beiden Händen zu. Seine Pranken legten sich um meinen Hals und schnürten mir die Luft ab; gleichzeitig begann er meinen Kopf nach vorne zu drücken. Ich bäumte mich auf, trat um mich und hämmerte ihm verzweifelt den Ellbogen in den Leib, aber der Druck seiner Pranken verstärkte sich im Gegenteil noch; ein scharfer, immer schlimmer werdender Schmerz tobte durch mein Rückgrat.

Dann geschah alles gleichzeitig. Ein fürchterlicher, splitternder Laut erscholl, der Schmerz in meinem Nacken explodierte, und plötzlich lösten sich Curds Hände, und ich fiel halb betäubt zu Boden.

Sekundenlang blieb ich auf Händen und Knien hocken, versuchte die dunklen Schwaden fortzutreiben, die meine Gedanken zu vernebeln trachteten. Dumpfe, polternde Geräusche drangen an mein Ohr, ich sah Schatten, ohne sie in Beziehung zu den Lauten bringen zu können, und ein sanftes Gefühl der Verwunderung machte sich in mir breit, noch am Leben zu sein.

Dann traf mich ein Stoß in die Rippen, und der neuerliche, stechende Schmerz schleuderte mich abrupt in die Wirklichkeit zurück. Die Haustür war von einem ungeheuren Schlag halb aus den Angeln gerissen und nach innen geschleudert worden. Helles Tageslicht drang in den kleinen Raum und ließ mich blinzeln.

Und unter der Öffnung waren zwei Gestalten erschienen. Sie waren nicht mehr als bloße Schatten gegen den grellen Hintergrund, und trotzdem erkannte ich zumindest einen von ihnen.

Es war Rowlf. Und als die beiden Männer nebeneinander ins Haus traten, erkannte ich auch den anderen.

»Shannon!« keuchte ich. »Wo ... wie kommst du hierher?« Natürlich antwortete Shannon nicht; ich bezweifelte sogar, daß er meine Worte überhaupt hörte, denn auch Curd und der Wolfmann hatten mittlerweile ihre Überraschung überwunden und wandten sich den beiden Neuankömmlingen zu. Hinter mir zog Temples ein Klappmesser aus der Jacke und ließ die Klinge herausspringen.

Ich wartete, bis er an mir vorbeikam, streckte blitzschnell den Fuß aus und trat ihm mit dem anderen in die Kniekehle. Temples keuchte überrascht, ruderte einen Moment hilflos mit den Armen und fiel nach vorne. Das Klappmesser entglitt seinen Händen und flog klappernd davon. Ich versetzte ihm einen Schlag und fing ihn auf, als er halb bewußtlos zur Seite kippte.

Als ich mich aufrichtete, hatten Curd und sein schrecklicher tierischer Begleiter die Tür erreicht. Ich sah, wie sich Shannon auf den Riesen stürzen wollte, aber Rowlf hielt ihn mit einem raschen Griff zurück, schüttelte den Kopf und hob kampflustig die Fäuste.

»Nimm den anderen«, nuschelte er. »Den Großen laß mir; der Knirps is nich so gefährlich.«

In diesem Punkt mochte er sich durchaus täuschen, aber Shannon blieb keine Zeit mehr, zu protestieren, denn in diesem Moment sprang Wulf bereits vor und hieb mit seinen schrecklichen sechsfingrigen Krallen nach seinem Gesicht.

Eine halbe Sekunde später stürzte sich sein Begleiter auf Rowlf.

Unter anderen Umständen hätte mich der Kampf vielleicht sogar fasziniert, denn Curd schien selbst für Rowlf ein würdiger Gegner zu sein. Aber jetzt hatte ich nur Angst. Ich spürte, daß sich etwas Fremdes, Finsteres wie eine unsichtbare Wolke über unseren Köpfen zusammenballte. Der Atem des Bösen, der seit zweihundert Jahren über Innsmouth herrschte und jetzt zu einem letzten Hieb ausholte und ... Ayres!