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»Mein Gott, Robert«, murmelte Howard. »Was ... was geschieht hier? Was geschieht mit diesem Haus?«

Diesmal antwortete ich nicht darauf. Aber die Kälte schien zuzunehmen.

Plötzlich hatte ich es sehr eilig, den Keller zu verlassen.

»Hier.« Howard beugte sich vor, blies mir eine übelriechende blaue Qualmwolke ins Gesicht und hielt mir mit einem aufmunternden Lächeln eine randvoll gefüllte Tasse entgegen. »Der Kaffee wird dir sicher gut tun.«

Ich nickte dankbar, griff mit spitzen Fingern nach der Tasse und nahm einen vorsichtigen Schluck des brühheißen, höllisch starken Getränkes. Wir waren durch den Garten zurück ins Haus gegangen, und Howard hatte mich hier herauf in den Salon geführt. Dr. Gray hatte sich uns angeschlossen und schweigend zugehört, während Howard berichtete, was unten im Keller geschehen war.

»Und du weißt wirklich nicht, wer dieser Mann war und was er von euch wollte?« fragte er. Es war vielleicht das zehnte Mal, daß er diese Frage stellte, und meine Antwort bestand, wie die neun Male zuvor, aus einem Kopfschütteln. »Fragen Sie Howard, Doc«, sagte ich zwischen zwei Schlucken. »Ich glaube, er weiß mehr, als er zugibt.«

Obwohl ich nicht hinsah, sondern weiter in meine Tasse starrte, entging mir Howards rasches, schuldbewußtes Zusammenfahren keineswegs. Und auch Gray legte den Kopf auf die Seite und blickte ihn fragend an.

»Was meint Robert damit?«

»Nichts«, sagte Howard ausweichend. »Ich weiß auch nicht, warum er -«

Ich setzte die Tasse mit einem hörbaren Klirren auf den Tisch zurück und blickte ihn strafend an. »Hast du vergessen, daß man mich nicht belügen kann, Howard?« fragte ich sanft. »Du weißt mehr über diesen Vorfall, als du zugibst.«

»Ich ... weiß überhaupt nichts«, sagte Howard. Aber er sagte es in einer Art, die das Gegenteil behauptete. »Ich glaube, ich habe einen Mann wie diesen schon einmal gesehen«, gestand er schließlich. »Aber ich bin mir nicht sicher. Laß mir etwas Zeit, Nachforschungen anzustellen.«

»Wie lange?« fragte Gray scharf. So einen Tonfall war ich gar nicht von ihm gewohnt. »Bis er wiederkommt und dich und Robert umbringt?« Sein Blick wurde hart. Er beugte sich vor, umklammerte die Sessellehne mit beiden Händen und starrte Howard herausfordernd an. »Sage es ihm!«

Howard zuckte erneut zusammen, senkte den Blick und blies eine Rauchwolke von sich, als wolle er sich dahinter verstecken.

»Was soll er mir sagen, Doktor?« fragte ich.

Howard seufzte gequält. »Bitte, Gray«, sagte er. »Ich brauche einfach ein wenig Zeit. Die Dinge sind kompliziert genug.«

»Verdammt, Howard - wenn Sie es nicht tun, dann tue ich es!« antwortete Gray scharf. »Was muß noch geschehen, ehe Sie begreifen, daß es ernst ist? Warum, glauben Sie denn, war dieser Kerl hier?«

Howard antwortete noch immer nicht, sondern zog nur eine Augenbraue hoch, drückte seine Zigarre im Aschenbecher aus und kramte sofort eine neue aus der Rocktasche. Ich unterdrückte ein Seufzen. Howard ohne Zigarre war so unvorstellbar wie ein Ozean ohne Wasser, und der Gestank von brennendem Tabak war in meiner Erinnerung untrennbar mit seinem Gesicht verbunden - aber allmählich konnte man die Luft im Salon fast schneiden. Wenn Howard länger blieb, dann würde ich das Haus neu tapezieren lassen müssen.

»Vielleicht haben Sie recht, Doktor«, sagte Howard schließlich. Der Klang seiner Stimme gefiel mir nicht. Er lehnte sich zurück und nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarre.

Plötzlich riß mir die Geduld. »Verdammt, was ist denn los?« polterte ich. »Ihr beide benehmt euch wie kleine Kinder, die ein Geheimnis haben. Was ist passiert? Ist ein Krieg ausgebrochen?«

Ich versuchte zu lachen, aber das Lachen blieb mir im Halse stecken, als ich die Reaktion auf Howards Zügen bemerkte. Seine Miene verfinsterte sich, und ein Ausdruck tiefer Sorge glomm in seinen Augen auf.

»Ja, Robert«, sagte er. »Ich fürchte, die Antwort auf deine Frage ist ja. Und das, was du gerade erlebt hast, war nur die erste Schlacht.«

»Was ... ist passiert?« fragte ich leise.

»Eine Menge«, erwiderte Howard ernst. »Wir hätten Arkham nie verlassen dürfen, Robert.«

Er schwieg einen Moment, starrte vor sich hin und tauschte einen langen, wissenden Blick mit Gray.

»Verdammt! Was ist geschehen?« Langsam saß ich auf glühenden Kohlen.

»Ich habe ein Telegramm erhalten, vor einigen Tagen. Professor Lengley hat es über den Telegraf der Western Union laufen lassen. Es muß ihn ein Vermögen gekostet haben.« Howard drehte die Zigarre nervös zwischen den Fingern.

»Er und Rowlf haben versucht, auf Shannon achtzugeben, nachdem du abgereist warst.«

»Versucht?« Ein eisiger Schrecken stieg in mir auf. »Ist Shannon ...«

»Tot? Nein, das nicht. Drei Wochen nach deiner Abreise kamen die Männer nach Arkham, die ihm den Auftrag gaben, dich umzubringen. Die Hexer von Salem. Sie haben ihn mit sich genommen. Vielleicht ist er auch freiwillig gegangen.« Howards Lippen bebten, als er fortfuhr. »Sie haben die Universität überfallen. Es gab einen Kampf und mehrere Tote. Rowlf wurde schwerverletzt. Aber er ist außer Lebensgefahr. Robert, der Angriff galt nicht nur Shannon. Die Hexer haben etwas gesucht!«

»Und was?« fragte ich, als Howard nicht weitersprach.

»Das NECRONOMICON«, sagte Gray. »Die Abschrift, die in der Universität aufbewahrt wird.«

»Und haben sie es bekommen?« fragte ich, sehr leise und mit einer Stimme, der man den eisigen Schrecken, den ich bei Howards Worten empfunden hatte, nur zu genau anhörte.

Howard schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich fürchte, sie wissen jetzt, daß du im Besitz des zweiten Exemplares bist. Necron ist ...«

»Necron?«

»Ihr Meister«, erklärte Howard. »Der Herr der Drachenburg. Von dem Shannon seinen Auftrag erhielt, dich zu töten. Dieser Necron ist ein sehr mächtiger Zauberer; und er weiß, daß du ein Exemplar des Necronomicons besitzt. Der Mann, der uns vorhin dort oben überfallen hat, war einer seiner Killer, Robert.«

Ich starrte ihn an. »Vermutest du das - oder weißt du es?«

»Ich vermute es«, gestand Howard. »Aber es ist die einzige Erklärung. Ihr Versuch, das Buch aus den Tresoren der Universität zu stehlen, ist fehlgeschlagen. Es wäre nur logisch, wenn sie jetzt versuchen, sich dein Exemplar zu holen. Necron wird alles daransetzen, das Buch zu bekommen. Hast du es hier?«

Die Frage kam so überraschend, daß ich um ein Haar den Kopf geschüttelt und geantwortet hätte. Aber Howard stellte sie in einem so lauernden Ton, daß ich bei seinen Worten wie unter einem Hieb zusammenfuhr.

»Warum?« fragte ich.

Howard runzelte die Stirn. »Das ist eine ziemlich dumme Frage, findest du nicht?« sagte er. »Der Killer wird wiederkommen, mein Junge. Und wahrscheinlich nicht allein. Wir müssen das Buch in Sicherheit bringen, ehe es Necron in die Hände fallen kann.«

»Dort, wo es jetzt ist, ist es in Sicherheit«, antwortete ich ausweichend.

Howard seufzte. »Ich habe befürchtet, daß du so reagieren würdest«, behauptete er. »Du traust niemandem, wenn es um das Buch geht, wie? Nicht einmal mir.«

»Warum fragst du überhaupt, wenn du es schon weißt?« schnappte ich. »Verdammt, Howard, als dieses Buch das letzte Mal aufgeschlagen wurde, sind ein paar Dutzend Menschen gestorben, und eine halbe Stadt ist niedergebrannt.«

»Ich weiß«, antwortete Howard lakonisch. »Aber es wird noch viel mehr geschehen, wenn es in Necrons Hände fallen sollte.«

»Das wird es nicht«, behauptete ich. »Selbst wenn ich sterben sollte, bekommt er es nicht. Vielleicht wäre es überhaupt das beste, wenn dieses verdammte Manuskript endlich vernichtet würde.«