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Rowlf drehte sich vom Fenster weg und sah mich vorwurfsvoll an. »Hasse was ‘gegen?« nuschelte er.

Vorwurfsvoll streckte er die Hände aus und deutete auf die großen, blutigroten Brandblasen, die langsam auf seinen geschwärzten Fingern entstanden. »Hast ‘ne komische Art, danke zu sagen«, sagte er.

Ich starrte Howard an. Langsam zweifelte ich ernsthaft an meinem Verstand.

»Aber du ... wir ... wir wissen doch beide ... Rowlf ist doch in Arkham, in der Universität. Du hast mir selbst erzählt, er wäre verletzt worden.«

»Ich habe dir das gesagt?« vergewisserte sich Howard. Ich nickte.

»Wann soll ich dir das gesagt haben, Robert?«

»Vor ein paar Stunden«, antwortete ich verstört.

»Vor ein paar Stunden, so«, wiederholte Howard. »Ich habe dich seit über vier Wochen nicht mehr gesehen, Robert«, fuhr er fort. »Nicht, seit ich aus Arkham abgereist bin.«

»Seit -« Ich stockte, setzte mich vollends auf und starrte abwechselnd ihn und Rowlf an. Mir fiel erst jetzt auf, daß Howard einen anderen Rock trug als noch am Nachmittag. Und als ich genauer hinsah, sah ich auch, daß die blutunterlaufene Beule an seiner Schläfe, wo ihn das Schwert des Angreifers getroffen hatte, verschwunden war.

»Robert, was geht hier vor?« fragte Howard, als ich nicht von mir aus antwortete. »Du solltest überhaupt nicht in diesem Haus sein, wenigstens jetzt noch nicht, sondern -«

»Ich bin seit heute mittag hier, Howard«, unterbrach ich ihn, leise, aber sehr ernst. »Dr. Gray hat mich hergebracht - und du selbst hast mich empfangen, unten an der Tür. Hast du das schon vergessen?«

»Dr. Gray?« vergewisserte sich Howard. »Bist du sicher?« Er runzelte die Stirn, stand auf und tauschte einen langen, sehr nachdenklichen Blick mit Rowlf.

»Howard, was bedeutet das alles?« fragte ich schließlich.

»Wo kommt Rowlf plötzlich her, und wieso kannst du dich nicht erinnern, mich selbst begrüßt zu haben? Verdammt, wir haben vor einer Stunde miteinander zu Abend gegessen!«

»Nein, Robert«, antwortete er leise. »Ich weiß nicht, mit wem du zu Abend gegessen hast, aber vor einer Stunde war ich noch nicht einmal hier.«

»Und wo willst du sonst gewesen sein?«

Howard überging den spöttischen Ton in meiner Stimme, richtete sich ein wenig auf und deutete mit der Hand auf die Standuhr. »Dort.«

Ich drehte mich herum, musterte Howard noch eine Sekunde mit einer Mischung aus Zweifel und allmählich größer werdendem Schrecken und ging auf die monströse Standuhr zu. Ihre Tür war jetzt halb geöffnet, aber dahinter war nicht das Innere einer Uhr zu erkennen, sondern eine zweite, niedrige Tür, die in einen angrenzenden Raum führte.

»Was ist das« fragte ich.

»Die ... die Geheimbibliothek deines Vaters«, antwortete Howard zögernd. »Jedenfalls glaube ich es.«

»Du glaubst es?« wiederholte ich betont.

»Ich war niemals dort«, sagte Howard.

»Moment! Ich denke, Rowlf und du wart dort drüben?«

Howard lächelte flüchtig. »Du hast mich falsch verstanden, Junge«, sagte er. »Ich habe auf die Uhr gezeigt, nicht auf die Tür in ihrer Rückwand. Sie ist nur eine Tarnung, Rowlf und ich waren bis vor fünf Minuten in Arkham.«

»Und es wäre auch besser gewesen, wenn Sie dort geblieben wären«, sagte eine Stimme hinter ihm.

Howard, Rowlf und ich fuhren in einer einzigen Bewegung herum. Die Zimmertür war lautlos aufgegangen, und unter dem Durchgang waren zwei Männer erschienen.

Howard und Dr. Gray.

Rowlf knurrte und spannte sich zum Sprung, aber in den Händen des zweiten - falschen - Howard erschien plötzlich eine kleine, doppelläufige Pistole. Der Hahn knackte hörbar.

»Ich würde das nicht tun, Rowlf«, sagte er mit einem bösen Lächeln. Rowlf erstarrte mitten in der Bewegung, und die beiden Doppelgänger Howards und Dr. Grays kamen langsam näher.

»Was bedeutet das?« fragte ich verwirrt.

»Wissen Sie das wirklich nicht, Sie junger Narr?« fragte der falsche Howard kalt.

Ich starrte ihn an, schluckte ein paarmal, um den bitteren Geschmack loszuwerden, der mir plötzlich auf der Zunge lag, und nickte schließlich.

»Doch, Du ... - Sie - haben sich ja genug Mühe gegeben.«

Howard - der echte Howard - blickte mich verständnislos an. »Genug Mühe?«

Ich lachte, sehr leise und sehr bitter. »Das Buch, Howard. Das NECRONOMICON. Sie wollen das Buch.«

»Dann gehören Sie zu den gleichen, die die Universität in Arkham überfallen haben?« fragte Howard. Ich fuhr zusammen und sah erst ihn und dann seinen Doppelgänger irritiert an.

»Das ist wahr?« fragte ich.

Der Howard-Doppelgänger nickte grimmig. »Beinahe. Ich hasse es, zu lügen, Craven, und ich tue es nur, wenn es unumgänglich nötig ist. Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt: die Universität wurde von unseren Verbündeten - unseren ehemaligen Verbündeten - überfallen. Von der Bruderschaft der Hexer. Auch, was Ihren Freund Shannon angeht, hat sich alles genauso abgespielt, wie ich es Ihnen erzählt habe. Und Rowlf wäre an seinen Verletzungen gestorben, wenn ihm Howard nicht beigestanden hätte. Aber während der echte Howard sofort nach Arkham ›reiste‹, als er das Telegramm erhielt, habe ich hier seine Rolle übernommen.« Er lachte böse. »Das NECRONOMICON ist viel zu wichtig, um es in den Händen eines solchen Narren zu lassen, wie Sie es sind, Craven. Ich wollte es ohne Blutvergießen bekommen, aber wenn Sie mich zwingen, werde ich Gewalt anwenden.«

»Ohne Blutvergießen?« Beinahe hätte ich gelacht. »Haben Sie deshalb ein paarmal versucht, mich umbringen zu lassen?«

Der Mann schüttelte heftig den Kopf. »Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich nichts mit diesen sonderbaren Vorfällen zu tun hatte, Craven.«

»Was für Vorfälle?« fragte Howard scharf.

Ich zögerte einen Moment, sah seinen Doppelgänger fragend an und erzählte Howard schließlich in wenigen Sätzen von den Zwischenfällen.

Howard hörte schweigend zu, aber der Ausdruck von Sorge auf seinem Gesicht wuchs mit jedem Wort, das er hörte. Als ich fertig war, schüttelte er ein paarmal hintereinander den Kopf, sah seinen Doppelgänger an und lächelte auf seltsam spöttische Art.

»Sie sind ein Narr, Mister, wer immer Sie sind«, sagte er schließlich.

Sein Doppelgänger starrte ihn verwirrt an. »Was meinen Sie damit?«

»Warum, glauben Sie, bin ich so rasch zurückgekehrt?« fuhr Howard fort. »Warum ich ein zweites Mal das Risiko eingegangen bin, das Tor zu benutzen? Ich wollte Robert noch in Southampton abfangen und ihn warnen. Aber nicht vor ihnen. Der Mann, der versucht hat, Robert umzubringen, und der, den sie am Nachmittag getroffen haben, gehörten zu Necron. Und ich fürchte, er ist selbst hier. Ich weiß nicht, ob es Ihnen gefallen würde, mit ihm zusammenzutreffen. Ihre beiden ... nennen wir sie Interessengruppen, sind nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen, habe ich gehört.«

Sein Doppelgänger zitterte vor Wut. »Sie wissen eine Menge, Lovecraft«, schnappte er.

»Auf jeden Fall mehr als Sie«, gab Howard gelassen zurück. »Sie scheinen sich ein bißchen mit Magie auszukennen, denn sonst wäre es Ihnen kaum gelungen, Robert zu täuschen, aber leider sind Sie nicht gut genug. Sonst hätten Sie gespürt, daß dieses Haus alles andere als ein normales Haus ist.«

Der andere schien für einen Moment verwirrt. »Was wollen Sie damit sagen, Lovecraft?« fragte er.

Howard lächelte. »Dieses Haus hat Roderick Andara gehört«, sagte er. »Roberts Vater. Er war ein Magier wie sein Sohn, haben Sie das vergessen? Das Haus spürt ganz genau, daß sein rechtmäßiger Besitzer wieder hier ist.«