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Sie mahnten die GROSSEN ALTEN, in ihrem Tun innezuhalten und nicht an der Schöpfung selbst zu rühren.

Aber in ihrem Machtrausch mißachteten die GROSSEN ALTEN selbst diese letzte Warnung und lehnten sich gegen die ÄLTEREN GÖTTER auf, und abermals kam es zum Krieg, einem gewaltigen Kräfteringen derer, die von den Sternen gekommen waren, und derer, die noch dort lebten.

Die Sonne selbst verdunkelte ihr Antlitz, als die Mächte des Lichtes und die der Finsternis aufeinanderprallten. Eine der zehn Welten, die ihre Bahn um sie zogen, zerbarst zu Millionen Trümmern, und die Erde gerann zu einem flammenden Brocken aus Lava.

Schließlich siegten die ÄLTEREN GÖTTER, aber nicht einmal ihre Macht reichte aus, die GROSSEN ALTEN zu vernichten, denn was nicht lebt, vermögen nicht einmal die Götter zu töten.

Und so verbannten sie die GROSSEN ALTEN vom Antlitz dieses verwüsteten Sternes.

CTHULHU ertrank in seinem Haus in R’Lyhe und liegt seit Äonen auf dem Grunde des Meeres.

SHUDDEMEL wurde verschlungen von feuriger Lava und Fels, und all die anderen Kreaturen und Wesen wurden verstreut in alle Winde und verbannt in finstere Kerker jenseits der Wirklichkeit.

Zweimal hundert Millionen Jahre sind seither vergangen, und seit zweimal hundert Millionen Jahren warten sie, denn das ist nicht tot, das ewig liegt, bis daß der Tod die Zeit besiegt ...«

Eine lange Zeit, nachdem Necron mit seiner Erzählung zu Ende gekommen war, herrschte Schweigen in dem kleinen Raum. Der alte Mann hatte sehr langsam gesprochen und immer wieder lange Pausen eingelegt, in denen sein Geist in den Bereichen zwischen der Wirklichkeit zu wandeln schien. Über der Festung war die Sonne untergegangen; die Dunkelheit und Kälte waren in die Kammer gekrochen, und es schien, als hätte sich mit ihnen noch ein anderer, düsterer Hauch über den Raum und die beiden ungleichen Männer gelegt, etwas wie ein unheimliches, lautloses Echo auf die Worte Necrons.

DeVries richtete sich ein wenig im Stuhl auf und sah Necron scharf an. Die Erzählung des alten Hexenmeisters hatte ihn stärker berührt, als er zugeben wollte. Er fühlte sich beunruhigt, auf eine Weise, die er selbst nicht zu erklären vermochte.

Es war, als hätten die Worte des Alten etwas in ihm berührt, ein tiefes, verborgenes Wissen geweckt, das die ganze Zeit über da gewesen war, ohne daß er es wußte.

»Das war ... sehr interessant«, brach er schließlich das bedrückende Schweigen, das zwischen ihnen lastete. »Eine wahrhaft erschreckende Geschichte, Necron. Warum habt Ihr sie mir erzählt?«

Necron sah ihn eine Weile schweigend an, ehe er antwortete, und in seinem Augen stand ein Ausdruck, der DeVries’ Unwohlsein noch verstärkte.

»Weil es mehr ist als eine Geschichte«, sagte er schließlich. »Es ist die Wahrheit, DeVries. Alles ist so geschehen, wie ich es Euch erzählt habe. Und noch vieles mehr.«

DeVries schluckte nervös. »Selbst ... selbst wenn es so wäre«, sagte er nervös. »Warum erzählt Ihr mir all dies, Necron? Was soll ich mit Geschichten über Wesen, die seit zweihundert Millionen Jahren tot sind?«

»Nicht tot«, verbesserte ihn Necron. »Das ist nicht tot, das ewig liegt, bis daß der Tod die Zeit besiegt«, wiederholte er die letzten Worte seiner Erzählung. »Sie schlafen nur, DeVries. Sie schlafen und warten.«

»Und nun ...«, begann DeVries stockend. Der Schrecken in seiner Seele wuchs. »Was ... was meint Ihr? Redet!«

»Und nun«, sagte Necron und atmete scharf und hörbar ein, »ist die Zeit des Wartens für sie vorbei, DeVries. Sie beginnen zu erwachen.«

Es wurde nahezu Mittag, ehe wir uns auf den Weg zur Miscatonic-Universität machten.

Mein neuer Weggefährte hatte mir geholfen, mein Gepäck aus dem Haus und in das wirkliche Arkham-Hotel zu schaffen, das der Ruine gegenüber auf der anderen Straßenseite lag. Und dann hatte ich das Haus zum ersten Mal so gesehen, wie es wirklich aussah: eine Ruine, seit einem Jahrzehnt oder mehr dem Verfall anheimgegeben und nur noch von Ratten und Spinnen bewohnt.

Die Treppe, über die ich nach oben gestiegen war, war an vielen Stellen durchgesackt, das Geländer zerborsten und selbst die Stufen hier und da von großen, gähnenden Löchern zerrissen. Im nachhinein kam es mir wie ein Wunder vor, daß ich mir nicht schon auf dem Weg nach oben den Hals gebrochen hatte.

Die Halle, in der ich mich eingetragen und mit dem Alten gesprochen hatte - nein, zu sprechen geglaubt hatte, denn nichts von dem, was ich gesehen und erlebt zu haben glaubte, war wirklich gewesen -, erwies sich als großer, von Trümmern und Unrat übersäter Raum. Die Decke war an einer Seite niedergebrochen, so daß der Blick ungehindert bis zu dem durchlöcherten Dachstuhl hinauf reichte.

Ein Trugbild. Alles war nichts als eine Illusion gewesen; Lüge und Täuschung, eine der zahllosen Waffen unserer Feinde.

Im nachhinein war es mir ein Rätsel, daß ich die Falle nicht erkannt hatte. Irgend jemand - oder etwas - mußte meine übermüdeten Sinne beeinflußt haben, meine magischen Fähigkeiten blockiert.

Erst im Hotel kam mir wirklich zu Bewußtsein, wie knapp ich dem Tode (oder vielleicht Schlimmerem) entronnen war. Wäre Shannon nicht im buchstäblich letzten Moment aufgetaucht, hätte mein geplantes Wiedersehen mit Howard ein vorzeitiges Ende im Grab gefunden.

Ich zog mich rasch um und ging wieder in die Halle hinunter, wo mich Shannon bereits erwartete. Auch er hatte ein Zimmer im gleichen Haus angemietet, und als ich die Treppe hinunterging, stand er an der Rezeption und unterhielt sich mit dem Portier.

Als ich neben ihn trat, brach er mitten im Wort ab, verabschiedete sich von dem verblüfft dreinblickenden Hotelangestellten und deutete zur Straße hinaus.

»Machen wir uns auf den Weg«, sagte er. »Es ist ein gutes Stück bis zur Universität.«

Ich nickte, trat durch die gläserne Schwingtür auf den Bürgersteig hinaus und sah mich neugierig um. Die Stadt war zum Leben erwacht: da und dort hastete jemand gebückt über das Trottoir oder die Straße, ein einzelner Wagen quälte sich knarrend über das ausgefahrene Kopfsteinpflaster, und der Wind trug den klagenden Laut einer Glocke heran.

Trotzdem wirkte der Ort auf schwer zu fassende Weise gelähmt; wie in Angst.

»Haben Sie Ihren Freund gefunden?« erkundigte ich mich, als Shannon ebenfalls aus dem Hotel trat und neben mir stehenblieb.

Shannon verneinte. »Leider nicht. Er hat ein Zimmer hier im Hotel reservieren lassen, scheint aber noch nicht eingetroffen zu sein. Der Portier wußte auch nicht genau, wann er eintreffen würde.«

Ich hatte Mühe, in aller Harmlosigkeit zu nicken. Ich hatte mich unter dem falschen Namen im Hotel eingetragen und auf Shannons neugierige Fragen geantwortet, daß ich aus New York käme und einen Studienfreund hier in Arkham zu besuchen wünschte.

Er hatte mir die Geschichte geglaubt; der näselnde New Yorker Slang, den ich während des größten Teiles meiner Jugend gesprochen hatte, ging mir noch immer glatt von der Zunge. Das magische Erbe meines Vaters hat mich zudem schon immer dazu befähigt, auf Anhieb zu erkennen, ob mich mein Gegenüber belügt oder die Wahrheit spricht. Außerdem besaß ich manchmal schier unglaubliches Überzeugungstalent, wohl auch ein Teil meines magischen Erbes.

Howard hatte einmal bemerkt, daß er mich für fähig hielte, mich zum Präsidenten der Vereinigten Staaten hochzuschwindeln. Ich war mir bis zum heutigen Tage nicht sicher, ob seine Worte wirklich so scherzhaft gemeint waren, wie sie geklungen hatten.

Im Moment war ich froh, über diese Gabe zu verfügen. Shannon hatte mir längst nicht alles über sich erzählt, und es interessierte mich doch, ein wenig mehr über einen Mann zu wissen, der behauptete, ein guter Freund von mir zu sein, und dessen Namen und Gesicht ich an diesem Morgen zum ersten Mal gehört und gesehen hatte.