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Eines Tages gelangte er schließlich auf ein großes Stück Gemeindeland mit schwarzem, torfigem Boden, das meilenweit von Heidekraut, Wacholder und Sandbirken bewachsen war. An den sumpfigen Stellen wuchsen fleischfressende Pflanzen und Braunellen, und Steinschmätzer flogen hier und da, sprachen El-ahrairah aber nicht an, denn sie kannten ihn nicht. Als Fremder wanderte er weiter, bis er sich schließlich völlig erschöpft an einer sonnenbeschienenen Stelle niederlegte, ohne überhaupt an ein streunendes Hermelin oder Wiesel zu denken.

Während er so döste, spürte er die Gegenwart einer anderen Kreatur in seiner Nähe und machte die Augen auf; da sah er eine Schlange, die ihn beobachtete. Natürlich hatte er keine Angst vor Schlangen; er begrüßte sie und wollte hören, was sie zu vermelden hatte.

»Kalt!« sagte die Schlange endlich. »Wie kalt es ist!«

Es war ein sonniger Tag, und El-ahrairah fühlte sich in seinem Fell schon fast zu warm. Recht vorsichtig streckte er eine Pfote aus und berührte den langen, grünen Leib der Schlange - der sich in der Tat kalt anfühlte. Er grübelte darüber nach, fand aber keine Erklärung.

Lange lagen sie zusammen auf dem Gras, bis El-ahrairah endlich etwas auffiel, was ihm noch nie aufgefallen war.

»Euer Blut ist nicht wie unseres«, teilte er der Schlange mit. »Du hast keinen Puls, verstehst du?«

»Was ist ein Puls?«

»Fühl mal meinen«, sagte El-ahrairah.

Die Schlange drückte sich an ihn heran und fühlte seinen Herzschlag.

»Dir ist kalt«, erklärte El-ahrairah, »weil dein Blut kalt ist, Schlange. Du mußt dich sooft wie möglich in der Sonne baden. Wenn du das nicht kannst, wirst du dich schläfrig fühlen. Aber wenn du's kannst, dann erwärmt sich dein Blut und du wirst lebhaft und munter. Das ist die Lösung deines Problems: Sonnenschein.«

Sie lagen noch ein paar Stunden in der Sonne, bis die Schlange sich wieder so lebhaft und munter fühlte, daß sie Lust hatte, nach Nahrung zu jagen.

»Du bist ein guter Freund, El-ahrairah«, sagte die Schlange. »Ich habe gehört, wie du schon vielen Geschöpfen mit deinem Rat geholfen hast. Ich möchte dir etwas schenken. Ich gebe dir die hypnotische Kraft der Schlangen, die in meinen Augen ist. Wofür du sie auch immer einsetzen willst, setze sie bald ein, denn sie hält nicht vor. Starre mich jetzt an!«

El-ahrairah blickte gebannt in die Augen der Schlange und fühlte, wie seine Willenskraft sich auflöste und wie selbst die Kraft, sich zu bewegen, von ihm wich. Nach einiger Zeit wandte die Schlange den Blick ab. »Das genügt«, sagte sie. El-ahrairah stand auf und verabschiedete sich von ihr.

Nun machte er sich auf den Heimweg zu seinem Gehege. Es war ein langer Weg, und erst am folgenden Abend näherte er sich seinem Ziel.

Jetzt erzählt uns die Legende, daß ein Bach seinen Weg kreuzte, über den eine kleine Brücke führte. Auf der Brücke blieb er stehen und wartete, denn er wußte in seinem Herzen, was geschehen würde.

Und gleich darauf kam der Fuchs aus dem höhergelegenen Wald. El-ahrairah sah ihn kommen, und Furcht befiel sein Herz, dennoch blieb er auf der Brücke stehen, und der Fuchs legte sich neben ihn und leckte sich die Lippen.

»Ein Kaninchen!« sagte der Fuchs. »Wahr und wahrhaftig, ein wohlgenährtes, junges Kaninchen. Was für ein Glücksfall!«

Darauf sprach El-ahrairah zum Fuchs: »Wie ein Fuchs magst du riechen und wie ein Fuchs siehst du aus. Aber ich bin ein Wahrsager, und ich sehe deine Zukunft im Wasser.«

»Was du nicht sagst!« erwiderte der Fuchs. »Siehst meine Zukunft im Wasser, wie? Was? Und was siehst du im Wasser, mein Freund? Fette Kaninchen laufen übers Gras, wie? Was?«

»Nein«, erwiderte El-ahrairah, »fette Kaninchen sehe ich nicht, wohl aber flinke Bluthunde, die ihr Wild verfolgen, und meinen Feind, der um sein Leben läuft.«

Damit wandte er sich um und blickte dem Fuchs starr in die Augen. Der Fuchs starrte zurück, und El-ahrairah wußte, daß er seinem Blick nicht ausweichen konnte. Der Fuchs schien vor seinen Augen zu einem Häufchen zu schrumpfen, und dabei war es El-ahrairah, als sähe er wie im Traum große Bluthunde den Hügel hinabjagen, als hörte er sie sogar Laut geben.

»Weg!« flüsterte El-ahrairah dem Fuchs zu. »Weg mit dir! Und komm nie wieder!«

Der Fuchs stand auf, wie betäubt, stolperte zum Rand der Brücke; halb sprang er, halb fiel er ins Wasser. El-ahrairah sah zu, wie er abwärtstrieb. Der Fuchs kämpfte sich aufs andere Ufer und schlug sich, mit eingezogenem Schwanz, seitwärts in die Büsche.

Erschöpft von der schrecklichen Begegnung, wandte sich El-ahrairah ab und machte sich auf den Weg zu seinem Gehege, wo alle seine Kaninchen überglücklich waren, ihn wiederzusehen. Fuchs samt Füchsin verschwanden aus ihrer Nachbarschaft. Sie haben wohl von ihrer Erfahrung berichtet, denn es kamen keine Füchse mehr, um ihren Platz einzunehmen, und das Gehege hatte endlich Frieden - so wie wir heute, Frith sei Preis und Dank!

5. Das Loch im Himmel

Doch er wird ihnen antworten:

Wahrlich, ich sage euch, was ihr einem von diesen Geringsten da nicht getan habt,

das habt ihr auch mir nicht getan.

Matthäus-Evangelium, 25:45

Unsere Werte sind jetzt das Hohe und das Grausige aus einer Wunde strömend, die im Bösen heilt.

Roy Fuller (Autumn 1942)

Es wird erzählt, daß El-ahrairah oft in diesem Gehege zu Besuch war, ein paar Tage bei dem Leitkaninchen und seinen Owsla blieb, um sie bei eventuell vorhandenen Problemen zu beraten. Selbst die ältesten und erfahrensten Kaninchen nahmen seinen Rat gern an und freuten sich, ihn zu sehen. Gewöhnlich fühlte er sich nicht bemüßigt, von sich selber zu sprechen, doch war er ein äußerst teilnahmsvoller Zuhörer, immer bereit, auf Schwierigkeiten und Abenteuer von anderen einzugehen, und Lob zu spenden, wo es am Platze war. Ich habe selbst oft gehofft, daß er eines Tages hier hereinschaut, und wir sollten wohl alle immer wachsam sein für diesen Fall; man sagt nämlich, daß er oft nicht so leicht zu erkennen ist, und dafür gibt es gute Gründe, wie ihr gleich hören werdet.

Es war einmal ein Gehege namens Parda-rail - so wird erzählt -, und die Kaninchen dort waren ungeheuer eingebildet. Wenn man sie hörte, war niemand so adrett, so wagemutig, so hurtig zu Fuß wie die Kaninchen von Parda-rail. Wer dorthin kam, sollte also wenigstens eine persönliche Empfehlung vom Fürsten Regenbogen haben, um eingelassen zu werden. Der Anführer hieß Henthred, und bevor jemand Henthred-rah ansprechen durfte, mußte er von einem der Owsla hereingebracht und vorgestellt werden. Was seine Kaninchenfrau betrifft, Anflellen - o was war sie für eine himmlische Erscheinung, bis man dahinterkam, daß ihr so gut wie alle Eigenschaften eines ehrlichen Kaninchens abgingen; sie hatte andere Kaninchen, die ihr zu Diensten waren.

Nun, eines Abends befanden sich zwei der Owsla dieses großartigen Geheges, Hallion und Thyken, auf dem Heimweg, nachdem sie einen fernen Küchengarten erfolgreich geplündert hatten, als sie im Umland von Parda-rail auf ein Kaninchen stießen - offensichtlich ein hlessi, ein Streuner -, das unter einem Dornbusch auf der Seite lag, schwer atmete und sichtbarlich böse zugerichtet war. Ein Ohr war aufgerissen und blutete, seine beiden Vorderpfoten waren in getrocknetem Schlamm fast eingebacken, und die Hälfte des Fells auf dem Kopf hatte er verloren. Als sie näher kamen, versuchte es aufzustehen, fiel aber nach zwei Ansätzen wieder zurück und blieb liegen. Sie hielten kurz an, um sich zu vergewissern, daß es nicht vom Parda-rail war. Als sie es beschnüffelten, sagte es zu Hallion: »Herr, ich glaube, ich bin in einem bösen Zustand. Ich bin völlig erschöpft und weiß, ich kann nicht mehr laufen. Wenn ich so hier liegen bleibe, dann wird mich sicher der eine oder andere der Tausend erwischen. Könnt ihr mir in eurem Gehege Obdach für eine Nacht gewähren?«