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Ruislip, der Gegner des Lackaffen, sah aus wie etwas, wovon man vielleicht träumt, wenn man vor einem Sumo-Ringkampf im Fernsehen einschläft, während im Hintergrund eine Bob-Marley-Platte läuft: ein riesiger Rastafari, der Ähnlichkeit mit einem übergewichtigen Riesenbaby hatte. Sie standen einander in der Mitte eines Kreises gegenüber, umringt von Zuschauern, anderen Leibwächtern und Schaulustigen.

Keiner der beiden Männer bewegte einen Muskel.

Der Lackaffe war einen guten Kopf größer als Ruislip. Ruislip hingegen wog soviel wie vier Lackaffen zusammen, jeder mit einem großen Lederkoffer voller Speck in der Hand.

Stocksteif starrten sie einander an.

Der Marquis de Carabas tippte Door auf die Schulter und zeigte auf die beiden. Gleich würde etwas geschehen.

Zwei Männer, und sie schauten einander nur an …

Da schoß der Kopf des Lackaffen ruckartig nach hinten, als habe er gerade einen Schlag ins Gesicht erhalten. Eine kleine, rötlichblaue Schramme erschien auf seiner Wange. Er schürzte die Lippen, und seine Lider flatterten.

»Oho!« sagte er, dann verzog er seine geschminkten Lippen zu der geisterhaften Parodie eines breiten Lächelns. Er machte eine Handbewegung.

Ruislip wankte und griff sich an den Magen.

Der Lackaffe ohne Namen grinste abscheulich affektiert, drohte mit dem Finger und hauchte mehreren Zuschauern Küßchen zu.

Ruislip starrte den Lackaffen wütend an und verdoppelte seine gedankliche Schlagkraft.

Blut begann von den Lippen des Lackaffen zu tropfen. Sein linkes Auge schwoll langsam an. Er wankte. Das Publikum murmelte anerkennend.

»Das ist nicht so eindrucksvoll, wie es aussieht«, flüsterte der Marquis Door zu.

Der Lackaffe ohne Namen stolperte plötzlich. Er sank auf die Knie, als ob ihn jemand niederzwang, und fiel zu Boden. Dann durchfuhr ihn ein Ruck, als hätte ihn gerade jemand kräftig in den Magen getreten.

Ruislip schaute sich triumphierend um. Die Zuschauer klatschten höflich. Der Lackaffe krümmte sich und spuckte Blut in das Sägemehl auf dem Boden von Harrods’ Fisch- und Fleischabteilung.

»Der Nächste«, sagte der Marquis.

Der Lackaffe wurde von Freunden in eine Ecke gezerrt und übergab sich heftig.

Der nächste Kandidat war wiederum dünner als Ruislip (er hatte etwa das Gewicht von zweieinhalb Lackaffen, die zusammen nur einen einzigen Koffer voll Speck trugen). Er war über und über mit Tätowierungen bedeckt, und seine Kleidung sah aus, als hätte man sie aus alten Autositzen und Gummimatten zusammengeflickt. Sein Schädel war rasiert, und seine verächtlich hochgezogene Oberlippe entblößte verfaulte Zähne.

»Ich bin Varney«, sagte er, räusperte sich und spuckte grün ins Sägemehl. Er trat in den Ring.

»Es kann losgehen, meine Herren«, sagte der Marquis.

Ruislip stampfte mit seinen nackten Füßen auf den Boden, eins-zwei, eins-zwei, und fing an, Varney durchdringend anzustarren. Eine kleine Wunde öffnete sich auf Varneys Stirn, und Blut begann ihm daraus ins Auge zu tropfen. Varney achtete nicht darauf und schien sich statt dessen auf seinen rechten Arm zu konzentrieren.

Er zog ihn langsam hoch, so als müßte er gegen einen starken Druck ankämpfen. Dann rammte er Ruislip seine Faust in den Adamsapfel. Ruislip ging mit einem Geräusch zu Boden, als hätte man eine halbe Tonne nasse Leber in eine Badewanne geworfen.

Varney kicherte.

Ruislip rappelte sich langsam wieder auf.

Varney wischte sich das Blut von der Stirn und entblößte widerwärtig grinsend sein ruiniertes Gebiß. »Komm schon«, sagte er. »Fetter Wichser. Versuch’s noch mal.«

»Der wirkt vielversprechend«, murmelte der Marquis. Door schauderte. »Er sieht nicht besonders nett aus.«

»Nettigkeit ist bei einem Leibwächter«, belehrte sie der Marquis, »etwa so nützlich wie die Fähigkeit, einen Hummer in einem Stück zu erbrechen. Er sieht gefährlich aus.«

Da ertönte ein wohlwollendes Murmeln, denn Varney hatte Ruislip etwas ziemlich Schmerzvolles zugefügt, etwas Schnelles, das mit einem plötzlichen Aufeinandertreffen von Varneys lederumwickeltem Knie und Ruislips Hoden zusammenhing. Das Murmeln war ein zurückhaltender und zutiefst unbegeisterter Applaus, wie man ihn normalerweise nur bei dörflichen Kricket-Spielen an verschlafenen Sonntagnachmittagen zu hören bekommt.

Der Marquis klatschte höflich mit. »Sehr gut, Sir«, sagte er. Varney sah Door an und zwinkerte ihr zu, beinahe so, als wäre sie sein, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Ruislip zuwandte.

Door schauderte.

Richard hörte das Klatschen und bewegte sich darauf zu.

Fünf fast identisch gekleidete, außerordentlich blasse junge Frauen gingen an ihm vorbei. Sie trugen lange Kleider aus Samt, jedes Kleid so dunkel, daß es beinahe schwarz war: eins dunkelgrün, eins schokoladenbraun, eins königsblau, eins blutrot und eins schlicht schwarz.

Alle hatten schwarze Haare und trugen Silberschmuck; alle waren perfekt frisiert, perfekt geschminkt. Sie bewegten sich schweigend: Nur der schwere Samt raschelte, als sie vorbeigingen, und es klang fast wie ein Seufzer.

Die letzte, diejenige, die schwarz gekleidet war, die bleichste und schönste, lächelte Richard an.

Vorsichtig lächelte er zurück.

Dann ging er weiter.

Die Probekämpfe fanden in der Fisch- und Fleischabteilung statt, vor der Fischskulptur.

Das Publikum stand mit dem Rücken zu ihm, in zwei oder drei Reihen. Richard fragte sich, ob es wohl einfach wäre, Door und den Marquis zu finden: Und dann teilte sich die Menge, und er sah sie beide auf der Glasplatte der Räucherlachstheke sitzen. Er öffnete den Mund, um ›Door!‹ zu rufen, und während er das tat, wurde ihm klar, wieso die Menge sich geteilt hatte, denn ein monströser dreadlockiger Mann, nackt bis auf ein grün-gelb-rotes Stück Stoff, das er sich wie eine Windel um den Bauch gewickelt hatte, schoß wie von einem Katapult abgefeuert durch die Menge und landete direkt auf ihm.

»Richard?« sagte sie.

Er schlug die Augen auf. Das Gesicht vor ihm verschwamm immer wieder. Seltsam gefärbte Augen schauten ihn an, aus einem jungen, fast koboldhaften, blassen Gesicht.

»Door?« sagte er.

Sie war wütend. Sie war mehr als wütend.

»Temple und Arch, Richard. Ich glaub’s einfach nicht. Was tust du hier?«

»Freut mich auch, dich zu sehen«, sagte Richard schwach. Er setzte sich auf und fragte sich, ob er eine Gehirnerschütterung hatte. Falls ja, fragte er sich, woran er das erkennen sollte. Und dann fragte er sich, wie er auf die Idee gekommen war, Door könnte sich freuen, ihn zu sehen.

Der große Mann mit den furchtbar schlechten Zähnen, der ihn auf der Brücke umgestoßen hatte, trat gerade gegen einen Zwerg an. Sie kämpften mit Brecheisen, und der Zweikampf war nicht so ungleich, wie es vielleicht aussehen mochte. Der Zwerg war übernatürlich schnelclass="underline" Er rollte sich weg, er schlug zu, er sprang, er tauchte ab; jede seiner Bewegungen ließ Varney vergleichsweise schwerfällig und ungelenk erscheinen.

Richard drehte sich zu dem Marquis um, der aufmerksam den Kampf verfolgte.

»Was geht hier vor?« fragte er.

Der Marquis würdigte ihn eines kurzen Blickes und wandte sich dann wieder dem Geschehen vor seiner Nase zu. »Sie«, sagte er, »haben den Boden unter den Füßen verloren, sitzen tief in der Scheiße, und bis zu Ihrem vorzeitigen und zweifelsohne blutigen Ende sind es, wie ich vermute, nur noch wenige Stunden. Wir hingegen sind dabei, einen Leibwächter zu engagieren.«

Varney traf den Zwerg mit seinem Brecheisen, und dieser hörte sofort auf zu hüpfen und umherzuschießen und begann statt dessen unverzüglich, besinnungslos dazuliegen. »Ich glaube, wir haben genug gesehen«, sagte der Marquis laut. »Ich danke Ihnen allen. Mister Varney, könnten Sie bitte noch hierbleiben?«