»Eine Veränderung? Tja, die hast du jetzt jedenfalls. Und darf ich der erste sein, der dir gratuliert?«
Auf dem Türschild stand:
R. B. MAYHEW
JUNIORPARTNER
»Herzlichen Glückwunsch«, wiederholte Garry. Er zog ab, und Richard ging in sein Büro.
Es war sein Schreibtisch. Seine Trolle lagen alle fein säuberlich in einer Schreibtischschublade, und er nahm sie alle heraus und verteilte sie im Büro. Er hatte ein eigenes Fenster mit einem schönen Blick auf den Fluß und die South Bank. Es gab sogar eine große Grünpflanze mit riesigen wächsernen Blättern, eine von der Sorte, die künstlich aussieht, es aber nicht ist. Sein altes cremefarbenes Computerterminal war durch ein viel eleganteres schwarzes ersetzt worden, das auf dem Schreibtisch weniger Platz wegnahm.
Er schaute aus dem Fenster, während er seinen Tee trank. »Und, sind Sie mit allem zufrieden?«
Er blickte auf. Frischgestärkt und effizient stand Sylvia, die Chefsekretärin, in der Tür. Sie lächelte, als sie ihn sah.
»Ähm. Ja. Hören Sie, ich muß noch zu Hause ein paar Dinge erledigen … meinen Sie, ich könnte mir den Rest des Tages freinehmen und – «
»Ganz wie Sie wollen. Sie müssen ohnehin eigentlich erst morgen wieder hier sein.«
»Ja?« fragte er. »Gut.«
Sylvia runzelte die Stirn. »Was ist denn mit Ihrem Finger passiert?«
»Den hab’ ich mir gebrochen«, erklärte er.
Sie schaute besorgt seine Hand an. »Sie sind doch wohl nicht in eine Schlägerei geraten, oder?«
»Ich?«
Sie grinste. »Ich wollte Sie nur aufziehen. Ich nehme an, Sie haben ihn in der Tür eingeklemmt. So war’s jedenfalls bei meiner Schwester.«
»Nein«, platzte Richard heraus. »Ich bin in eine Schl …« Sylvia zog eine Augenbraue hoch. »Eine Tür geraten«, beendete er den Satz lahm.
Er fuhr mit dem Taxi zu seiner alten Wohnung. Er wußte nicht recht, ob er es sich schon wieder zutrauen konnte, mit der U-Bahn zu fahren. Noch nicht.
Da er keinen Schlüssel hatte, klopfte er an seine Wohnungstür und war enttäuscht, als sie von der Frau geöffnet wurde, die Richard, so weit er sich erinnerte, zuletzt in seinem Badezimmer getroffen oder vielmehr nicht getroffen hatte.
Er stellte sich als der Vormieter vor und erfuhr, daß a) er, Richard, nicht mehr dort wohnte, und daß sie b) keine Ahnung hatte, was aus seinem persönlichen Besitz geworden war. Richard machte sich ein paar Notizen, und dann verabschiedete er sich sehr freundlich und nahm ein weiteres Taxi, um den Mann im Kamelhaarmantel aufzusuchen.
Der Mann im Kamelhaarmantel hatte seinen Mantel nicht an und war beträchtlich weniger zuckersüß als das letzte Mal, als Richard ihm begegnet war.
Sie saßen in seinem Büro, und er hatte sich Richards Vorwürfe mit einem Gesichtsausdruck angehört, als habe er aus Versehen eine lebende Spinne verschluckt und würde gerade spüren, wie sie anfing, sich zu bewegen.
»Nun ja«, gab er zu, nachdem er in die Akten geschaut hatte. »Sie haben ganz recht, es scheint wirklich so etwas wie ein Problem gegeben zu haben. Ich verstehe gar nicht, wie das passieren konnte.«
»Ich finde, es ist unwichtig, wie es passiert ist«, sagte Richard ganz vernünftig. »Tatsache ist, daß Sie, während ich ein paar Wochen fort war, meine Wohnung an«, er warf einen Blick auf seine Notizen, »George und Adele Buchanan vermietet haben. Die nicht vorhaben, wieder auszuziehen.« Der Mann klappte die Akte zu. »Nun ja«, sagte er. »Fehler kommen vor. Menschliches Versagen. Ich fürchte, wir können es nicht ändern.«
Richard war sich vollkommen darüber im klaren, daß der alte Richard, derjenige, der in dem jetzigen Zuhause der Buchanans gewohnt hatte, an diesem Punkt klein beigegeben, sich für die Störung entschuldigt hätte und gegangen wäre. Statt dessen sagte er: »Wirklich? Sie können es nicht ändern? Sie haben eine Wohnung, die ich rechtmäßig bei ihrer Firma gemietet habe, an jemand anderen vermietet und dabei all meinen persönlichen Besitz verloren, und Sie können es nicht ändern? Also, ich bin zufälligerweise der Meinung, und mein Anwalt wird ebenfalls der Meinung sein, daß Sie daran eine ganze Menge ändern können.«
Der Mann ohne Kamelhaarmantel sah aus, als würde ihm die Spinne langsam wieder die Kehle hochkrabbeln. »Aber wir haben keine anderen freien Wohnungen in dem Gebäude, die der Ihren entsprechen«, sagte er. »Nur die Penthouse-Suite steht leer.«
»Das«, erklärte Richard kalt, »wäre mir recht …«
Der Mann entspannte sich. »… als zeitweise Unterbringung. Jetzt«, sagte Richard, »lassen Sie uns über die Entschädigung für mein verlorengegangenes Eigentum reden.«
Die neue Wohnung war viel schöner als die, die er damals zurückgelassen hatte. Sie hatte mehr Fenster und einen Balkon, ein geräumiges Wohnzimmer und ein richtiges Gästezimmer. Richard lief unzufrieden hin und her.
Der Mann-ohne-Kamelhaarmantel hatte die Wohnung äußerst widerwillig mit einem Bett, einem Sofa, mehreren Stühlen und einem Fernseher ausstatten lassen.
Richard legte Hunters Messer auf den Kaminsims.
Er kaufte sich bei dem indischen Restaurant gegenüber ein Currygericht zum Mitnehmen, setzte sich auf den Teppichboden seiner neuen Wohnung, aß und fragte sich, ob er wirklich jemals spät in der Nacht auf einem Straßenmarkt auf dem Deck eines an der Tower Bridge liegenden Kriegsschiffes Curry gegessen hatte. Es schien nicht sehr wahrscheinlich, wenn er recht darüber nachdachte.
Es klingelte an der Tür. Er stand auf und öffnete.
»Wir haben einen Großteil Ihrer Sachen gefunden, Mr. Mayhew«, sagte der Mann, der wieder seinen Kamelhaarmantel trug. »Es hat sich herausgestellt, daß sie eingelagert wurden. Also, bringt das Zeug herein, Jungs.«
Zwei stämmige Männer schleppten mehrere große, mit Richards Sachen gefüllte Teekisten herein.
»Danke«, sagte Richard.
Er griff in die erste Kiste, und der erste Gegenstand, den er auswickelte, stellte sich als gerahmte Photographie von Jessica heraus. Er starrte sie eine Weile an, und dann legte er sie wieder in die Kiste zurück.
Schließlich fand er die Kiste mit seiner Kleidung und packte sie aus, die anderen jedoch blieben mitten im Zimmer stehen. Von Tag zu Tag bekam er ein schlechteres Gewissen, weil er sie nicht auspackte. Aber er tat es trotzdem nicht.
Er saß in seinem Büro am Schreibtisch und starrte aus dem Fenster, als die Gegensprechanlage summte. »Richard? « sagte Sylvia. »Der Chef hat in zwanzig Minuten in seinem Büro ein Meeting anberaumt, um den Wandsworth-Bericht zu besprechen.«
»Ich komme«, sagte er.
Dann nahm er, weil er die nächsten zehn Minuten nichts anderes zu tun hatte, einen orangen Troll und bedrohte einen ein wenig kleineren grünhaarigen Troll damit.
»Ich bin der größte Krieger von Unter-London. Mach dich auf den sicheren Tod gefaßt!« sagte er mit gefährlich trolliger Stimme und wackelte mit dem orangen Troll. Dann nahm er den grünhaarigen Troll und sagte: »Aha! Aber erst trinkst du eine schöne Tasse Tee …«
Jemand klopfte an die Tür, und schlechten Gewissens stellte er die Trolle wieder hin.
»Herein!«
Die Tür ging auf, und Jessica kam herein und blieb im Türrahmen stehen. Sie sah nervös aus.
Er hatte vergessen, wie schön sie war.
»Hallo, Richard«, sagte sie.
»Hallo, Jess«, sagte Richard, und dann verbesserte er sich. »Entschuldigung – Jessica.«
Sie lächelte und warf die Haare zurück. »Oh, Jess ist in Ordnung«, sagte sie und sah aus, als würde sie das beinahe ernst meinen. »Jessica – Jess. Mich hat schon ewig keiner mehr Jess genannt. Ich vermisse es beinahe.«
»Und«, sagte Richard, »was bringt, welche Ehre, dich her, ähm.«
»Ich wollte dich eigentlich nur sehen.«
Er wußte nicht recht, was er sagen sollte. »Das ist nett«, sagte er.