Ihre Augen öffneten sich, und sie schreckte hoch. Sie blinzelte das Geld mit alten Augen an. »Was ist das?« fragte sie verschlafen und ärgerlich, daß man sie geweckt hatte.
»Behalten Sie’s«, sagte Richard.
Sie faltete das Geld auseinander und schob es in ihren Ärmel. »Waswollnse?« fragte sie Richard mißtrauisch.
»Nichts«, sagte Richard. »Ich will wirklich nichts. Gar nichts.« Und dann wurde ihm klar, wie sehr das stimmte; und wie furchtbar es war. »Haben Sie jemals alles bekommen, was Sie sich je gewünscht hatten? Und dann festgestellt, daß es gar nicht das war, was Sie wollten?«
»Kann ich eigentlich nicht sagen«, sagte sie und pulte sich den Schlaf aus den Augenwinkeln.
»Ich dachte, ich hätte dies hier gewollt«, sagte Richard. »Ich dachte, ich hätte ein nettes normales Leben gewollt. Ich meine, vielleicht bin ich verrückt. Na ja, vielleicht. Aber wenn das hier alles ist, will ich nicht vernünftig sein. Verstehen Sie?« Sie schüttelte den Kopf. Er griff in seine Innentasche. »Sehen Sie das?« fragte er. Er hielt das Messer hoch. »Das hat Hunter mir gegeben, als sie starb«, erklärte er.
»Tun Sie mir nichts«, sagte die alte Frau. »Ich hab’ doch gar nichts angestellt.«
Seine Stimme war seltsam eindringlich. »Ich habe ihr Blut von der Klinge gewischt. Ein Jäger pflegt seine Waffen. Der Earl hat mich damit zum Ritter geschlagen. Er hat mir die Freiheit der Unterseite verliehen.«
»Davon weiß ich nichts«, sagte sie. »Bitte. Stecken Sie’s weg. Seien Sie ein guter Junge.«
Richard wog das Messer in der Hand. Dann stürzte er sich auf die Backsteinmauer neben dem Eingang, in dem die Frau geschlafen hatte. Er hieb dreimal darauf ein, einmal horizontal, zweimal vertikal.
»Was tun Sie da?« fragte die Frau argwöhnisch.
»Ich mache eine Tür«, sagte er ihr.
Sie schniefte. »Tun Sie das lieber weg. Sonst werden Sie noch wegen Waffenbesitz eingesperrt.«
Richard sah den Türumriß an, den er in die Mauer gekratzt hatte. Er steckte sein Messer wieder in die Tasche, und er begann, mit den Fäusten an die Mauer zu hämmern. »Hey! Ist da jemand? Hört ihr mich? Ich bin’s – Richard! Door? Irgend jemand?«
Er riß sich die Hände auf, aber er bearbeitete den Backstein weiter.
Und dann verflog der Wahnsinn, und er hörte auf.
»Entschuldigung«, sagte er zu der alten Frau.
Sie antwortete nicht. Entweder war sie wieder eingeschlafen, oder, was wahrscheinlicher war, sie tat nur so. Altes Schnarchen, echt oder vorgetäuscht, ertönte aus dem Eingang.
Richard setzte sich auf den Gehweg und fragte sich, wie man sich bloß das Leben so ruinieren konnte wie er.
Dann schaute er wieder zu der Tür, die er in die Wand gekratzt hatte.
In der Mauer war ein türförmiges Loch, dort, wo er den Umriß hineingeritzt hatte. Ein Mann stand im Eingang, die Arme theatralisch verschränkt. Er blieb dort stehen, bis er sicher war, daß Richard ihn gesehen hatte. Und dann hielt er sich eine dunkle Hand vor den Mund und gähnte ausgiebig. Der Marquis de Carabas zog eine Augenbraue hoch. »Nun?« fragte er leicht gereizt. »Kommen Sie?«
Richard starrte ihn einen Herzschlag lang an.
Dann nickte Richard, denn er wagte es nicht, zu sprechen, und stand auf. Und gemeinsam gingen sie durch das Loch in der Wand, zurück in die Finsternis, und ließen nichts zurück, nicht einmal die Tür.