Einsam nunmehr und schlimm mißtrauisch gegen mich, nahm ich, nicht ohne Ingrimm, damals Partei gegen mich und für alles, was gerade mir wehtat und hart fieclass="underline" so fand ich den Weg zu jenem tapferen Pessimismus wieder, der der Gegensatz aller idealistischen Verlogenheit ist, und auch, wie mir scheinen will, den Weg zu mir, — zu meiner Aufgabe… Jenes verborgene und herrische Etwas, für das wir lange keinen Namen haben, bis es sich endlich als unsre Aufgabe erweist, — dieser Tyrann in uns nimmt eine schreckliche Wiedervergeltung für jeden Versuch, den wir machen, ihm auszuweichen oder zu entschlüpfen, für jede vorzeitige Bescheidung, für jede Gleichsetzung mit solchen, zu denen wir nicht gehören, für jede noch so achtbare Tätigkeit, falls sie uns von unsrer Hauptsache ablenkt, ja für jede Tugend selbst, welche uns gegen die Härte der eigensten Verantwortlichkeit schützen möchte. Krankheit ist jedesmal die Antwort, wenn wir an unsrem Recht auf unsre Aufgabe zweifeln wollen, wenn wir anfangen, es uns irgendworin leichter zu machen. Sonderbar und furchtbar zugleich! Unsre Erleichterungen sind es, die wir am härtesten büßen müssen! Und wollen wir hinterdrein zur Gesundheit zurück, so bleibt uns keine Wahclass="underline" wir müssen uns schwerer belasten, als wir je vorher belastet waren…
DER PSYCHOLOG NIMMT DAS WORT
Je mehr ein Psycholog, ein geborener, ein unvermeidlicher Psycholog und Seelen-Errater, sich den ausgesuchteren Fällen und Menschen zukehrt, um so größer wird seine Gefahr, am Mitleiden zu ersticken. Er hat Härte und Heiterkeit nötig, mehr als ein andrer Mensch. Die Verderbnis, das Zugrundegehn der höheren Menschen ist nämlich die Regeclass="underline" es ist schrecklich, eine solche Regel immer vor Augen zu haben. Die vielfache Marter des Psychologen, der dies Zugrundegehn entdeckt hat, der diese gesamte innere «Heillosigkeit» des höheren Menschen, dies ewige «Zu spät!» in jedem Sinne erst einmal und dann fast immer wieder entdeckt durch die ganze Geschichte hindurch, — kann vielleicht eines Tages die Ursache davon werden, daß er selber verdirbt… Man wird fast bei jedem Psychologen eine verräterische Vorneigung zum Umgang mit alltäglichen und wohlgeordneten Menschen wahrnehmen: daran verrät sich, daß er immer einer Heilung bedarf, daß er eine Art Sucht und Vergessen braucht, weg von dem, was ihm seine Einblicke, Einschnitte, was ihm sein Handwerk aufs Gewissen gelegt hat. Die Furcht vor seinem Gedächtnis ist ihm zu eigen. Er kommt vor dem Urteile anderer leicht zum Verstummen, er hört mit einem unbewegten Gesichte zu, wie dort verehrt, bewundert, geliebt, verklärt wird, wo er gesehn hat — , oder er verbirgt noch sein Verstummen, indem er irgend einer Vordergrunds-Meinung ausdrücklich zustimmt. Vielleicht geht die Paradoxie seiner Lage so weit ins Schauerliche, daß die «Gebildeten» gerade dort, wo er das große Mitleiden neben der großen Verachtung gelernt hat, ihrerseits die große Verehrung lernen… Und wer weiß, ob sich nicht in allen großen Fällen eben nur dies begab, — daß man einen Gott anbetete und daß der Gott nur ein armes Opfertier war… Der Erfolg war immer der größte Lügner — und auch das Werk, die Tat ist ein Erfolg… Der große Staatsmann, der Eroberer, der Entdecker ist in seine Schöpfungen verkleidet, versteckt, bis ins Unerkennbare; das Werk, das des Künstlers, des Philosophen, erfindet erst den, welcher es geschaffen hat, geschaffen haben soll… Die «großen Männer», wie sie verehrt werden, sind kleine schlechte Dichtungen hinterdrein, — in der Welt der historischen Werte herrscht die Falschmünzerei…