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»COLLONTA!«, kreischte eine weibliche Stimme. »Hör auf mit den Spielchen! Kämpfe! Kämpf richtig!«

Wieder rasten heiße Luftwogen auf sie zu. Das elektrisierende Kribbeln wurde so unerträglich, dass Tigwid sich krümmte. Es fühlte sich an, als würde ihn jemand häuten.

»Was ist?«, brüllte Nevera. »Komm schon!«

»Hier bin ich!«

Alle fuhren herum. Plötzlich stand Collonta in ihrer Mitte.

»Erasmus -« Fuchspfennig keuchte.

»Wo ist Loo?«, fragte Fredo alarmiert.

Ohne zu reagieren, schritt Collonta an ihnen vorbei auf die Dichter zu. »Ihr wollt mich. Dann lasst meine Kameraden gehen. Tretet zur Seite ... und ich werde mich ergeben.«

Nevera stieß ein kurzes, höhnisches Lachen aus. »Meinst du das ernst?« Sie warf den Dichtern ringsum amüsierte Blicke zu, doch als sie wieder Collonta ansah, funkelten ihre Augen vor Misstrauen. »Na schön. Du gegen deine kleinen Lehrlinge.«

»Schwört - schwört bei euren und unseren Gaben, dass ihr sie gehen lasst.«

Nevera nickte. »Abgemacht!«

Collonta seufzte. Dann schritt er durch den zerstörten Gang auf die Dichter zu.

»Erasmus!«, schrie Fuchspfennig. Fassungslos taumelte er einen Schritt vor. »Nein! Aber -«

»Was tut er da?«, stammelte Bonni.

Tigwid verstand es nicht. Sein Herz schlug schmerzhaft schnell, doch er fand seine Stimme nicht. Collonta hatte die Dichter fast erreicht. Nevera schwankte mit einem lauernden Lächeln hin und her und konnte ihre Erregung kaum verbergen. Die Dichter hatten die Hände in Bereitschaft verkrampft. Nevera und Morbus tauschten flüsternde Worte, ohne Collonta aus den Augen zu lassen. Zwei Schritte trennten sie voneinander.

Dann blieb Collonta zögernd stehen. »Nun lasst die anderen vorbei.«

Nevera trat zur Seite und hielt den Kopf so tief, dass es fast wie eine Verneigung aussah. »Bitte - du darfst sie rufen.«

Collonta drehte sich zum Treuen Bund um. Sein Gesicht sah plötzlich vollkommen verändert aus; unsägliche Traurigkeit überschattete seine Züge und ließ die tiefen Falten verblassen. »Beeilt euch, Freunde.«

In diesem Augenblick reichte Morbus Nevera seine Pistole. Hinter dem Treuen Bund stieß jemand einen schrillen Schrei aus. Ein Knall, wie ein Donnerschlag.

»NEEIN!« Collonta fiel auf die Knie. Im selben Moment stürzte ein zweiter Collonta an Tigwid vorbei. »NEEIN!«

Der getroffene Collonta war verschwunden. An seiner Stelle kniete Zhang auf dem Boden. Zitternd fassten ihre Finger nach dem Blut, das ihr aus der Brust strömte. Dann kippte sie um.

Tigwid konnte nicht schreien. Er konnte sich nicht regen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er Zhang an, die vor den Füßen der Dichter starb.

»Was ist das?«, kreischte Nevera.

Der Gehstock fiel Collonta aus der Hand. Am ganzen Körper bebend, stand er da und starrte die Tote an. Tränen sammelten sich in den Runzeln um seine Augen. Dann sagte er leise und gefasst zu den anderen: »Geht.« Er drehte sich um, sein Blick irrte von einem Gefährten zum nächsten und suchte ihre Augen. »Dieser Kampf ist zwischen mir und Nevera. Danke, dass ihr so weit mit mir gekommen seid.«

»Was hast du vor?«, rief Fredo. Er ballte die Fäuste. »Ich kämpfe mit.«

Collonta machte sich nicht die Mühe, den Kopf zu schütteln. »Ich kann die Dichter nur besiegen, wenn ich weiß, dass ihr nicht mehr hier seid.« Er sah sie eingehend an und schluckte die Tränen hinunter. »Ich werde Energie absorbieren. Alle Energie... im gesamten Umkreis. Es wird tödlich sein, nicht nur für die Dichter.«

»Aber - das ist auch für dich -«

Collonta schnitt Fuchspfennig das Wort ab. »Du bist der neue Anführer des Bunds. Verwirkliche unsere Vision, Rupert. Und nun - rennt, so schnell ihr könnt. Ich weiß nicht, wie lange ich sie ablenken kann.«

Und noch bevor jemand ein weiteres Wort hätte sagen können, fuhr Collonta herum und streckte die Hand aus. Ein Beben lief durch den Gang. Die Wände schienen sich zu verbiegen und zu flackern wie träge Flammen. Die Schreie der Dichter verzerrten sich.

Fredo, der mit einer Hand Loo gepackt hatte, zerrte nun auch Tigwid vorwärts. Die anderen rannten los. Tigwid taumelte zwei Schritte mit, dann hielt er an. Sobald sie fort waren, würde Collonta alle Menschen im Umkreis mit in den Tod reißen. Alle Menschen ...

Fredo starrte Tigwid ins Gesicht. Die heraufbeschworenen Winde verwischten ihre Umrisse, als wollten sie alles Feste zum Schmelzen bringen.

»Ich kann nicht mit«, rief Tigwid gegen die tosenden Kräfte an. Fredo begriff, was in ihm vorging - und doch konnte er es nicht verstehen. Sein Griff schloss sich fester um Tigwids Handgelenk.

»Sie ist eine Dichterin! Wenn du sie jetzt rettest, dann sind Zhangs - Zhangs und Collontas - Opfer ganz sinnlos, sie wird nicht mehr die Seite wechseln!«

Tigwid machte sich los. »Ich rette sie nicht, damit sie die Seite wechselt. Ich rette sie... weil ich muss.« Und er spürte, wie ein Gewicht von seinem Herzen fiel, das viel zu lange schon darauf gelastet hatte. Dann wünschte er Fredo und Loo alles Gute, obwohl Fredo ihn nicht mehr hören konnte, drehte sich um und rannte los. Hinter ihm erklangen laute Stimmen. Vielleicht war es Fredo, der ein letztes Mal nach ihm rief. Vielleicht war es Collonta, der die anderen nicht mehr schützen konnte, der einen Schmerzensschrei ausstieß und sich für seinen letzten, übermenschlichen Kraftaufwand bereitmachte. Vielleicht waren es die gerufenen Mächte, die wie aus Menschenkehlen heulten. Tigwid dachte nicht mehr darüber nach, denn jetzt war nur noch eines wichtig.

Der Weg zum Bunker schien unter seinen Füßen fortzufliegen. Ein paar große Schritte, drei Biegungen, vier Flure, eine Treppe, Polizisten, Schüsse - die Luft stach ihm in den Lungen, er stolperte über Schutt und Asche -, dann war er angekommen. Er hob die schwere Steinplatte mit einem angestrengten Keuchen aus dem Boden und ließ sie neben dem Erdloch fallen. »Apolonia!«

Erschrocken hob sie den Kopf, als Licht in die Finsternis fiel. Sie stützte sich auf einen Arm und hielt sich die Hand vor die geblendeten Augen. Als jemand ihren Namen rief und die Leiter herunterkletterte, kroch sie langsam zurück.

»Apolonia?« Es war Tigwid. Im Dunkeln dauerte es einen Moment, ehe er sie erkennen konnte. Eilig lief er zu ihr und zog sie auf die Füße. »Schnell, wir hauen ab!«

»Was?«, fragte sie zittrig.

Obwohl er völlig außer Atem war und die Panik in seinen Augen jede Eile rechtfertigte, trat Tigwid dicht vor sie, sammelte sich und sagte ruhig: »Wir müssen uns beeilen. In ein paar Minuten ist hier niemand mehr am Leben.« Als er sie auf die Leiter zu ziehen wollte, blieb sie stehen.

»Wieso bist du hier?«

Tigwid schluckte schwer. »Weil ... ich dich ... weil ich weiß, dass du ein guter Mensch bist.«

Vor Fassungslosigkeit, vor Bestürzung und Scham konnte sie nichts erwidern. Sie verbarg das Gesicht in den Händen und wischte sich die Tränen aus den Augen.

»Komm«, sagte er und nahm sanft ihre Hand. Dann kletterte er die Leiter empor und sie folgte ihm ins Licht.

Oben half er ihr aus dem Loch. »Ich kenne hier nur einen Ausgang, aber dort sind Collonta und die Dichter. Wir müssen einfach so weit weg von ihnen wie möglich und hoffen, dass Collontas Energieentzug uns nicht erreicht. Ich schlage vor, wir rennen einfach -«

Tigwid brach ab, als sie kaum das Ende des Ganges erreicht hatten. Ein dumpfes Vibrieren lief durch die Luft. Tigwids Knie wollten nachgeben; verblüfft stützte er sich gegen die Wand. Plötzlich fühlte er sich entsetzlich wackelig auf den Beinen.