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»Nein?« Trudes Augen wurden immer größer. »Aber was haben Sie denn bloß?«

»Äh ... das will ich nicht anziehen!« Apolonia wies auf das Kleid auf ihrem Bett, das Trude geholt hatte. Es gefiel ihr tatsächlich nicht: Hellrosa mit weißer Spitze traf nun wirklich nicht ihren Geschmack. »Hol mir ein Kleid in Schwarz.«

»Aber ich dachte, heute ist doch ein besonderer Anlass, und das Fräulein könnte wenigstens einmal ...«

»Was, wie ein Spanferkel aussehen?«

Trude ließ die Schultern sinken. »Immer schwarz, schwarz, schwarz. Warum muss das Fräulein immerzu trauern? Keine Witwe auf der Welt hat je so oft Schwarz getragen. Dabei passt Rosa so gut zu Ihren Haaren ...«

»Und Schwarz passt gut zu meiner Stimmung, wenn ich diese Gardine noch länger auf meinem Bett liegen sehe. Hol mir jetzt ein Kleid, in dem ich einigermaßen vernünftig aussehe!«

Trude kniff die Lippen zusammen, doch dann hob sie das rosafarbene Kleid mit äußerster Behutsamkeit vom Bett und verschwand im Ankleideraum. Kaum einen Moment später flitzte der Marder unter dem Bett hervor und war aus dem Fenster. Die Vorhänge wehten ihm hinterher, und Apolonia empfing zum Abschied ein schönes Bild von einem Sonnenuntergang, den Knebel irgendwann im Sommer beobachtet haben musste; dann war er fort.

»Bis dann also«, murmelte Apolonia und verschränkte fröstelnd die Arme vor der Brust. Obwohl keine Wolke am Himmel hing, war es kühl. Sicher würde es bald den ersten Schnee geben. Apolonia hörte Trudes Schritte hinter sich.

»Trude, kannst du bitte sofort das Fenster schließen? Bei der Kälte bekomme ich ja einen Schnupfen.«

Die Gesellschaft

Der gesamte westliche Hausflügel gehörte Nevera Spiegelgold. Sie besaß drei Salons, ein Schlafzimmer, zwei Bäder und eine Bibliothek. Diesen Morgen hielt sie sich in einem ihrer Salons auf, der durch mehrere Fenster dem Park entgegenblickte. Schon als Apolonia in den Korridor einbog, hörte sie die durchdringende Stimme ihrer Tante und Klaviermusik, denn die Türflügel des Salons standen offen. Apolonia trat ins Zimmer und wartete, bis ihre Tante sie bemerkte. Nevera stand auf einem Hocker, in der einen Hand eine Zigarettenspitze, in der anderen eine Seidenschärpe, die sich um ihre Schulter und ihre Hüfte schlang und am Saum ihres Kleides von einem Schneider festgesteckt wurde.

»Apolonia!«, rief sie aus, als sie Apolonia entdeckte, und setzte die Lippen an ihren Zigarettenhalter. Ihre Wangen wurden hohl, als sie inhalierte. »Schätzchen, komm herein!«

»Guten Morgen, Tante.« Apolonia trat näher. Nevera war eine große, schlanke Frau mit einem langen Hals und langen Fingern; ihre Nase war dafür umso kürzer, sodass die Nasenlöcher stets sichtbar waren, und ihr kleiner Mund konnte sich zu einem erstaunlich breiten Lächeln verziehen.

Der Schneider hatte sich inzwischen aufgerichtet und schob sich die Brille zurecht. »Fräulein Spiegelgold, nehme ich an?«

Apolonia nickte und reichte ihm die Hand.

»Du kommst reichlich spät, Liebes.« Nevera inhalierte noch einmal, dann winkte sie ein Dienstmädchen heran und gab ihr den Zigarettenhalter. Der graue Rauch umwaberte Neveras Gesicht, dann richtete sich der Blick ihrer hellen Augen auf Apolonia. »Ich habe Trude vor mehr als einer Dreiviertelstunde geschickt, um dich zu wecken. Aber nun gut, die Liebe ist schon alt. Und früher war sie gewiss auch nicht die Schnellste. Jedenfalls musst du dich jetzt gedulden, bis mein Kleid so weit ist. - Sie da unten, wann sind Sie fertig?«

»Bald, Frau Spiegelgold!« Der Schneider beeilte sich, ging in die Knie und nahm den Kleidersaum in Augenschein. Flink tanzte seine Nadel auf und ab.

»Hast du schon gefrühstückt, Apolonia?«, fragte Nevera und fuhr noch im selben Atemzug, an das Dienstmädchen gewandt, fort: »Hol uns Tee, Croissants und Konfitüre. Aber trödel nicht wieder, letztes Mal war der Tee schon kalt, als du ihn gebracht hast!«

»Ja, Frau Spiegelgold.«

»Ach, halt!« Nevera schnippte mit den Fingern und wies auf den Kamin. Das Dienstmädchen holte den Zigarettenhalter vom Kaminsims, steckte eine neue Zigarette hinein und zündete Nevera ein Streichhölzchen an.

»Madame?«

»Danke, du kannst gehen. - Pedro, los!«

Der Diener nickte und begann, dem Flügel eine fröhliche Melodie zu entlocken. Nevera summte leise mit und blies den Rauch zur Seite. Dann lächelte sie.

»Das bleibt unter uns, Liebes. Dein Onkel sieht es nicht gerne, wenn ich rauche, das weißt du ja. Er findet es unschicklich.« Nevera zuckte die Schultern. Der Schneider stieß einen leisen Schrei aus, als sich der Stoff verzog und ihm die Nadel in den Finger stach, aber Nevera bemerkte es nicht. »Unschicklich, Grundgütiger, die ganze Welt benimmt sich unschicklich! Das bisschen Rauch, das geht ihm zu weit. Dabei pafft er dreimal so viele Zigarren wie ich Zigaretten. Und fragt er sich, ob ich das für schicklich halte? Pah, Männer!« Sie lachte und blickte der Asche nach, die dem Schneider aufs ergraute Haupt rieselte. Glucksend sah sie Apolonia an. »Gott sei Dank ist beides grau, da merkt man nichts!«

Apolonia räusperte sich. »Sie tragen ein eindrucksvolles Kleid, Tante.«

Von oben bis unten blitzte Nevera vor Perlen, Strass und himmelblauer Seide. Man hätte meinen können, sie habe sich ihren ganzen Reichtum an die Haut kleben wollen - im Grunde war auch genau das ihre Absicht gewesen.

»Oh, danke, Liebes«, sagte Nevera und drehte sich leicht hierhin und dorthin, um die Pose zu finden, in der ihr Kleid am meisten Licht reflektierte. Der Schneider versuchte verzweifelt, ihr mit der Nadel zu folgen. »Ich habe mir eben gedacht, man hat nur einmal achten Hochzeitstag. Mein Kleid im letzten Jahr war gegen dies hier ein Fetzen, falls du dich erinnern kannst, ganz zu schweigen von dem armseligen Bettelkleid, das ich an meinem Geburtstag getragen habe, oder dem Silvesterkleid letzten Winter. Apropos Silvester: Was hältst du davon, wenn wir das Gleiche tragen? Ich dachte an etwas ...«, Nevera blickte zur Zimmerdecke hoch und öffnete die Hände in Erwartung einer göttlichen Eingebung, »... etwas Champagnerfarbenes. Mit einem spitzen Ausschnitt vorne und hinten. Ärmellos für mich, aufgebauschte Taftärmel für dich. Was sagst du?«

Apolonia atmete tief ein. »Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen. Ich fühle mich geehrt, dass Sie sich so um mich kümmern, aber ich fürchte, Mode ist an mich verschwendet. Und bevor Sie sich weiter bemühen, bitte ich Sie um die Erlaubnis, in einem der Kleider zu erscheinen, die ich schon besitze. Etwas Neues wäre unnötig.«

Nevera starrte sie an, als hätte Apolonia ihr offenbart, sie wolle Bergarbeiter werden. Erst als der Schneider auffuhr und sich glühende Funken aus den Haaren schlug, senkte Nevera ihren Zigarettenhalter und fand ihre Stimme wieder.

»Und ... was hast du zum Anziehen?«

»Was ich trage, reicht mir aus.«

»Das?«, entfuhr es Nevera. Eine Weile rangen verschiedene Gefühlsregungen in ihrem Gesicht, dann setzte sich Mitleid gegen Verblüffung und Verständnislosigkeit durch.

»Oh ... mein Liebes!« Sie stieg vom Hocker, um Apolonia in die Arme zu schließen. »Mein hübsches, kleines Ding! Du denkst, dass du nichts Besseres verdienst als das. Aber glaube mir«, sagte Nevera mit süßer, eindringlicher Stimme, »es ist dein Recht, mehr als eine kleine Krähe zu sein. Du wirst sehen, was sich aus dir machen lässt.«

»Danke«, knirschte Apolonia.

»Na, na, nichts zu danken. Natürlich sorge ich dafür, dass aus der einzigen Tochter meiner lieben Schwester eine Dame wird, das ist doch selbstverständlich!« Nevera legte beide Hände um Apolonias Gesicht und musterte es wie einen fremdartigen Stoff, bei dem sie sich noch nicht sicher war, ob er zu einem schönen Kleid taugte.