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Benommen öffnete er die Augen. Noch bevor er Apolonia und ihre Begleiter erkennen konnte, erklang das tiefe, grollende Knurren eines Hundes.

»Vorsicht. Eine falsche Bewegung und Buttermaus beißt dir den Kopf ab.« Apolonia saß mit gekreuzten Beinen vor ihm. Umgeben von einem Dutzend Tiere.

Blinzelnd blickte der Junge sich um. Neben dem großen Bernhardinermischling hockten Hunger und drei zerzauste Straßenkatzen; auf Apolonias anderer Seite schmiegten sich vier Marder aneinander. Zwei stattliche pechschwarze Krähen saßen auf ihren Schultern und beäugten den erwachenden Jungen aus scharfen Murmelaugen. Stöhnend rieb er sich die schmerzende Schulter, woraufhin der Bernhardiner erneut markerschütternd knurrte.

»Ich habe dir bereits gesagt, dass du aufpassen sollst. Buttermaus kann schnelle Bewegungen nicht leiden«, sagte Apolonia. Wie zur Bestätigung legten beide Krähen die Köpfe schief.

»Buttermaus, hm?«, murmelte der Junge. Langsam setzte er sich auf und fuhr sich so beiläufig wie möglich durch die dunkelblonden Haare. »Treffender Name für so’n süßen Fratz.«

Apolonia machte ein verkniffenes Gesicht. »Jemand, der Tauben und Kutschenrattern heißt, ist wohl kaum berechtigt, darüber zu urteilen.«

Der Junge lächelte, bis Apolonia ihn barsch unterbrach: »Wer hat gesagt, dass du Grinsepeter spielen darfst? Dies ist weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt, um zu kichern, Tigwid!«

»Tigwid?«

»So heißt du doch. Wie soll Tauben und Kutschenrattern denn sonst klingen? Oder heißt du vielleicht Gurr-Ratter?«

Der Junge grinste verwundert. »O Gott. Das ist ... Also, ja, nenn mich Tigwid, ich heiße Tigwid, in Ordnung?« Er hob beschwichtigend die Hände, als Apolonia ihn anfunkelte.

»Ich finde es nicht lustig, sondern bemitleidenswert, wie schlecht du deinen Namen für die Tiere übersetzt hast.«

»Du hast ihn nur falsch ausgesprochen. Wenn ich mich vorstellen darf: TIG-wid, nicht Tig-WÜDD. Aber scheu dich nicht, mich Tig zu nennen.«

»Ich scheue mich nicht, dich irgendwie zu nennen.«

Der Junge runzelte eine Augenbraue. Er hatte sehr bewegliche, dunkle Augenbrauen, die sich in allen Varianten verziehen konnten. »Ich glaube, wir haben falsch angefangen. Tut mir leid, dass ich dich vorher so erschreckt habe - aber ich musste dich hierherlocken, um zu testen, ob du es wirklich kannst. Und du kannst es wirklich. Du kannst mit ihnen sprechen, ich wusste -«

»Hör auf mit dem Geplapper! Du verstehst wohl nicht ganz, in welcher Situation du dich befindest!«

Tigwid rieb sich den Hinterkopf. »Man könnte meinen, nicht ich, sondern du wärst mit dem Schädel gegen sämtliche Stufen geknallt, so stinkig wie du bist. Ich wollte mich ja bloß vorstell-«

»Hör mir genau zu, denn ich wiederhole es nicht noch einmal, auch wenn du anscheinend für gewöhnlich einen Trottelbonus genießt: Du bist festgenommen! Aber ich schlage dir ein Tauschgeschäft vor, von dem wir beide profitieren können - vor allem du. Ich werde dich nicht der Polizei ausliefern, denn an Kleinganoven bin ich nicht interessiert. Allerdings tue ich das aus reiner Großzügigkeit. Und als Gegenleistung verrätst du mir, wo der Treffpunkt der Motten ist.«

Tigwid sah sie eine Weile an, als würde er kein Wort verstehen. Ein ungeduldiges Schnabelschnappen von einer der Krähen reichte allerdings, um ihn zum Sprechen zu bewegen.

»Apolonia - so heißt du doch -, fragst du dich eigentlich gar nicht, was ich überhaupt im Haus deines Onkels wollte?«

Apolonia war ganz perplex über diese irrelevante Frage. »Ich weiß natürlich, dass du mich ausspionieren wolltest, um zu prüfen, ob ich für dich und deine Mottenfreunde gefährlich bin und aus dem Weg geräumt werden muss!«

»Was?« Der Junge wurde sofort wieder leiser, als der Bernhardiner die Lefzen hochzog. »Ich wollte niemanden ausspionieren, schon gar nicht für irgendwelche Motten. Ich ... habe nur nach dir gesucht.«

Apolonia rieb sich die Schläfe. Dieses Gespräch lief in eine vollkommen verkehrte Richtung.

»Mir ist egal, wen oder was du gesucht hast oder warum du in unserem Haus warst - deine Antworten sind unwichtig, denn ich kenne die Wahrheit so oder so! Und wenn du nicht willst, dass ich die Polizei rufe, tust du, was ich verlange!«

»Was willst du der Polizei denn erzählen?«, erwiderte er und stützte die Arme auf die Knie. »Dein Onkel wird gar nicht erfreut sein, wenn rauskommt, dass ich in seinem Haus war. Und abgesehen davon: Ich arbeite für Mone Flamm. Er hat Kontakte zur Polizei, wenn du verstehst ... Keiner von Flamms Männern wird eingelocht.«

»Ich glaube aber«, sagte Apolonia finster, »meinen Freunden hier ist ziemlich gleichgültig, für wen du arbeitest, und dieser Mone Flamm interessiert sie kein Fünkchen.«

Tigwid ließ seinen Blick über die Reihe der Tiere gleiten. Alle Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Schluckend beobachtete er, wie eine der Katzen ihre Krallen ein- und ausfuhr.

»Du siehst also, du hast keine andere Wahl. Du weißt, wo die Motten sich treffen und wo man sie findet. Also bring mich zu ihnen, wenn dir dein Leben lieb ist.«

»Woher zum Henker soll ich denn wissen, wo die sich treffen?«

»Weil du eine Motte bist!«, rief Apolonia wütend.

»Du auch.«

»Wie kannst du es wagen, mich so dreist zu beschuldigen!« Sie ballte die Fäuste. »Ich hasse Motten! Und ich werde sie enttarnen, damit die ganze Welt erfährt, wer sie sind!«

Der Junge schien nicht zu begreifen. »Aber du kannst mit Tieren sprechen. Du bist

»Schluss jetzt!« Apolonia sprang auf. Die beiden Krähen flatterten erschrocken mit den Flügeln und verhedderten sich in ihren Haaren; dann hatten sie sich einigermaßen beruhigt, und Apolonia zupfte sich mit funkelndem Blick eine Feder aus dem Nasenloch, um ihre Autorität wiederherzustellen. »Entweder du gehst auf mein Angebot ein oder ...«

Der Junge stand ebenfalls auf. Stolz zog er sich die Ärmel zurecht und ignorierte dabei das drohende Keifen der Marder.

»Das ist irgendwie überhaupt nicht, wie ich es mir vorgestellt habe«, murmelte er. »Also. Eigentlich sollte es so laufen: Ich erzähle dir, warum ich noch mal zurückgekommen bin. Na gut, zugegeben gehe ich hin und wieder in Häuser zurück, in die ich eine Lieferung gebracht habe, um ... ein paar Souvenirs mitzunehmen. Aber heute Nacht war das anders. Ich wollte eigentlich nachsehen, ob du wirklich mit dem Hund sprechen kannst, und dann wollte ich mit dir gemütlich in deinem Zimmer über einige Dinge plaudern. Dann bist du mir schon im Flur über den Weg gelaufen, bevor ich überhaupt dein Zimmer gefunden hatte. Ich dachte, du wärst irgendein Dienstmädchen, und bin weggelaufen - und dann habe ich gesehen, dass dein Zimmer leer war und du mich durchs halbe Haus gehetzt hast. Weil du so wütend warst und mich fälschlicherweise für einen Einbrecher gehalten hast, dachte ich, es wäre das Beste, wenn wir unser Pläuschchen an die frische Luft verlegen. Und plötzlich kommst du mir mit Drohungen und der Polizei.«

»Ich sagte dir schon, es interessiert mich nicht, was du vorhattest, mich interessiert nur, wo die anderen Motten sind ...«

»... genau wegen der Motten hab ich dich ja gesucht!« Er hatte rufen müssen, um Apolonia zu übertönen. »Du hast recht, ich habe diese Sache - diese Gabe, ja! Wenn du willst, kannst du mich eine Motte nennen, aber bitte nur, wenn wir alleine sind. Du bist die Einzige, die es weiß, verstehst du? Du und noch eine Person, die es sozusagen zufällig herausgefunden hat. Gezeigt habe ich es aber nur dir.« Er holte tief Luft. »Und der Grund, weshalb ich es dir gezeigt habe - warum ich das Fenster aufgerissen und die Decke über deinen Hund geworfen habe -, der Grund ist, dass ich glaube, du ... Ich suche etwas. Jemanden.«

Apolonia trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf ihren Arm. »Hast du schon erwähnt, falls es dir entfallen ist.«