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Die Hunde winselten. Die Ratten, vorher noch so angriffslustig, tanzten durcheinander und ergriffen scharenweise die Flucht.

Bleibt da! Bleibt da!

Nein ..., kam es aus den Horden der Ratten. Er bittet uns zu gehen.

Apolonia schossen Tränen in die Augen. Wieso verstanden die Tiere Morbus?! Die Dichter verdienten es nicht, verstanden zu werden!

Morbus kam auf Apolonia zu. »Jetzt hast du es bewiesen: Du bist eine Motte mit herausragenden Gaben. Du musst eine Dichterin werden, Apolonia. Du musst!« Ein Lächeln flackerte auf seinen Zügen. Apolonia stolperte einen Schritt zurück. Ihr Herz hämmerte schmerzhaft schnell.

Tut doch was! Greift ihn an! Ihr seid auf meiner Seite!

Morbus’ Augen zuckten, als er sie hörte, und sein Grinsen wurde breiter. »Ich habe nie jemanden wie dich in Gedanken sprechen gehört. So klar und laut. Und das alles in abstrakten Bildern. Unglaublich.«

»Kommen Sie nicht näher!« Apolonia stieß gegen einen großen Hund. Es war Buttermaus, der Bernhardinermischling.

Lass diesen Mann nicht in meine Nähe!, beschwor sie ihn. Buttermaus sah sie aus dunklen, großen Augen an.

Verschwindet, erscholl es aus seinen Gedanken. Übelkeit überkam sie, als ihr klar wurde, dass Morbus’ Wort in Buttermaus war und der Hund es nicht einmal zu verhindern versuchte. Zitternd sank sie auf die Knie und umschlang den großen Hund mit beiden Armen.

Buttermaus, höre mich! Greife diesen Mann an! Buttermaus winselte leise. Rings um sie wichen die Tiere vor Morbus und den näher kommenden Dichtern zurück.

»Du kannst uns nicht entkommen«, sagte Morbus sanft, aber Apolonia hörte an seiner Stimme, wie viel Anstrengung es ihn kostete, die Tiere vom Angriff abzuhalten. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. »Deine Tierfreunde können uns nicht aufhalten. Sie können nicht dein Schicksal aufhalten!«

Buttermaus stellte sich vor Apolonia. Komm mit. Wir verschwinden zusammen. Mit bebenden Knien stand Apolonia auf und hielt sich an Buttermaus fest.

»Sie liegen falsch, Morbus ... Sie können mir nicht entkommen. Ich werde Sie anzeigen. Ich werde Sie ruinieren.«

Die Adern traten an seinem Hals hervor, als er sich mit aller Macht auf die Tiere konzentrierte. Offenbar wollte er noch etwas zu Apolonia sagen, doch er fand nicht die Kraft.

Ein letztes Mal schickte Apolonia den Tieren ihre Nachricht: Haltet die Dichter in Schach. Bewacht sie und lasst keinen entkommen, bis ich die Polizei gerufen habe.

Noch immer kreisten die Krähen und Tauben unschlüssig über den Dichtern, wagten sich aber nicht näher als auf Armeslänge heran. Apolonia ging rückwärts, eine Hand an Buttermaus’ Rücken, bis sie zwanzig Meter von Morbus trennten. Sie warf einen Blick über die Schulter. Hinter ihr führte eine rostige Treppe aus der Halle.

Haltet durch, sagte sie den Tieren. Lasst sie nicht entkommen, bis ich wieder da bin.

Morbus ballte die Fäuste, als er sie hörte. »Du kannst deinem Schicksal nicht entrinnen! Du bist eine Dichterin!«

Seine Konzentration hatte nachgelassen und eine Krähe schoss auf ihn herab und fuhr ihm mit den Krallen übers Gesicht. Morbus krümmte sich. Apolonia sah, dass ihm Blut über die Wange lief, dann drehte sie sich um und rannte. Sie erreichte die Treppe und stürmte hinab. Hinter ihr verblasste die Gedankenstimme von Morbus. Verschwindet! Verschwindet ... Verschwindet ...

Buttermaus hetzte neben ihr her, sie schlitterten über die letzten Stufen, Apolonia stieß gegen eine aufgebrochene Tür und stolperte auf die Straße. Blasses Morgenlicht fiel über sie. Apolonia rang nach Luft.

Geht es dir gut? Buttermaus legte den Kopf schief. Hier unten waren die Gedanken der Dichter verhallt, und Apolonia war sich nicht sicher, ob Buttermaus sich bewusst war, was er getan hatte. Vielleicht begriff er nicht, dass er soeben auf Apolonias Feinde gehört hatte, dass er ihr beinahe in den Rücken gefallen wäre. Vielleicht gab es bei Tieren nur Verstehen oder Nichtverstehen. Und sie machten zwischen denen, die sie verstanden, keinen Unterschied.

Ja, sagte Apolonia endlich, ja, mir geht es gut. Sie drängte ihre Tränen zurück und atmete zitternd aus. Sie konnte nicht auf Buttermaus böse sein. Schließlich war er kein Mensch. Kein Freund. Er war nur... ein Hund. Vor Einsamkeit hätte sie schluchzen können.

Als sie sich endlich gefasst hatte und losging, trottete er friedlich neben ihr her, an den Straßenecken schnuppernd, als hätte nie etwas seinen Frieden erschüttert.

Ein Hinweis

Es war zum Haareausreißen. Tigwid hatte sich eine Zeit lang als Privatspitzel versucht, bevor er neben seiner Kuriertätigkeit bei Mone Flamm zu Gelegenheitsdiebstählen übergegangen war. Meistens hatte er Ehefrauen eifersüchtiger reicher Männer beschatten müssen, und auch wenn das zugegeben keine große Herausforderung gewesen war - schlecht hatte Tigwid sich dabei nie angestellt. Er war gut im Verfolgen.

Umso härter traf ihn, dass sie jetzt die Taube verloren hatten.

Irgendwie war sie in den zugeschneiten Straßen verschwunden... die ganze Stadt war schließlich grau und weiß, die beste Tarnung für eine Taube. Und jetzt war nichts Fliegendes mehr in Sicht.

»Verdammtes Vieh«, knurrte Tigwid, während er neben Vampa durch die Straßen stapfte. »Ich könnte... ich könnte mich selbst erwürgen!«

Vampa starrte ihn aus den Augenwinkeln an.

»Natürlich nur im übertragenen Sinn«, fügte Tigwid rasch hinzu und vergrub die Hände in den Taschen. Vampa schien ihn bei jeder Kleinigkeit beim Wort zu nehmen. Manchmal war das gar nicht so gut.

»Meinst du wirklich, das hier bringt was?«, wechselte er das Thema. Vampa runzelte die Stirn und zuckte die Schultern, so wie Tigwid es tat, wenn er an etwas nicht recht glaubte und es nicht zugeben wollte.

»Die Dichter waren doch in Eck Jargo, und du hast gesagt, dass Ferol sogar ein Zimmer in Laternenreich hatte. Also sind sie angemeldet gewesen. Sie muss sie kennen. Ich wüsste nicht, wer uns sonst helfen könnte.« Vampa warf Tigwid einen kurzen Blick zu, dann vergrub auch er die Hände in den Manteltaschen.

»Woher willst du wissen, dass Dotti nicht festgenommen wurde?«, gab Tigwid zu bedenken. Zu seinem Erstaunen öffnete Vampa den Mund, aber kein Laut kam hervor. Offenbar wollte er ein Lachen imitieren.

»Sie kann nicht festgenommen werden!«

Seit der siebzehnfache Messerstecher vor zwölf Jahren gefasst worden war, hatte im Polizeipräsidium nicht eine solche Hochstimmung geherrscht. Die Telefone liefen heiß, die Büros und Zentralen waren erfüllt von Geklingel, es kamen Telegramme aus den höchsten Regierungskreisen, und vor dem Präsidium hatte sich seit gestern eine Kolonie Journalisten und Fotografen angesiedelt, die sich auf jeden stürzte, der eine Dienstmarke trug. Noch hatte die Polizei nicht alle Fakten über die Stürmung von Eck Jargo bekannt gegeben - lediglich ein paar klangvolle Namen waren gefallen. Luca Malozza, der Auftragsmörder, die millionenschweren Bankräuber vom vergangenen Januar, der mehrfache Heiratsbetrüger Ernest Mollbaum und viele weitere illustre Gestalten aus der Welt des Verbrechens waren gefasst worden. Noch dazu hatte man Beamte aus den höchsten Regierungskreisen bei Tänzerinnen und illegalen Boxkämpfen erwischt. Die spektakulärsten Gerichtsprozesse des Jahrhunderts standen jetzt bevor.