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Es fiel Apolonia schwer, durch das dichte Gedränge der Journalisten zu kommen, und als sie es endlich ins Polizeipräsidium geschafft hatte, stolperte ihr sogleich ein gehetzter Beamter in die Arme, der einen Stapel Akten trug. Die Papiere flatterten durch die Luft und verstreuten sich über die gesamte Eingangshalle.

»Haben Sie keine Augen im Kopf?«, fauchte Apolonia gereizt. Der Beamte funkelte sie durch sein Monokel an, dann bückte er sich und klaubte grummelnd die Akten wieder auf. Apolonia stieg über ihn hinweg und lief die breite Treppe hinauf, die zur Kriminalpolizei führte. Überall kamen ihr geschäftige Polizisten und Sekretäre entgegen, finster dreinblickende Männer wurden in und aus Verhörzimmern geschleppt, irgendwo erklang das Schluchzen einer Tänzerin, und in den weitläufigen Büros tummelten sich Beamte, Kommissare und ein paar hochrangige Journalisten zwischen schrillenden Telefonen und Sektgläsern.

Endlich erreichte Apolonia den gesuchten Schalter und klopfte gegen die Glasscheibe. Eine Beamtin, die sich lautstark mit einem Kollegen unterhalten hatte, wandte sich ihr zu und setzte schlagartig eine gelangweilte Miene auf.

»Name und Anliegen«, verlangte sie.

»Mein Name ist Apolonia Spiegelgold«, sagte Apolonia und betonte dabei ihren berühmten Nachnamen, »und ich wünsche, unverzüglich Inspektor Bassar zu sehen. Es handelt sich um einen Notfall.«

Die Beamtin blinzelte gelangweilt. »Der Inspektor ist außer Haus. Er wird zu gegebener Zeit die Presse informieren, allerdings hat die Durchsuchung von Eck Jargo im Augenblick Vorrang. Er gibt momentan auch keine Interviews. JA, Luca Malozza wurde festgenommen, JA, er befindet sich in Untersuchungshaft, JA, es wurden Raubgüter sichergestellt, ihr Wert ist zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, NEIN, es wurden keine Schmiergeldbunker in privaten Mieträumen gewisser Staatsbeamter gefunden ...«

»Ich bin keine Journalistin, die sich hier hereingeschmuggelt hat«, unterbrach sie Apolonia. »Ich habe ein wichtiges Anliegen, das den Inspektor interessieren wird, und gewiss möchten Sie nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn ihn gewichtige Informationen nicht erreichen.«

Die Beamtin betrachtete sie nach dieser Drohung ungerührt. »Der Inspektor ist wie gesagt außer Haus.«

»Wo kann ich ihn finden?«

Die Beamtin lehnte sich zurück. »Ich bin für Stockwerke Nummer drei und vier zuständig und kümmere mich ausschließlich um die dort quartierten Beamten. Guten Tag.« Damit drehte sie sich um und setzte die Unterhaltung mit ihrem Kollegen fort.

Fassungslos starrte Apolonia die Frau an. Dann klopfte sie energisch gegen das Glasfenster. Beim zwanzigsten Klopfen drehte sich die Beamtin endlich um.

»Ich muss Sie darauf hinweisen, dass jegliche Beschädigung von Staatseigentum zur Anzeige gebracht wird.«

»Wo kann ich auf den Inspektor warten?«

Die Beamtin maß Apolonia mit einem Blick, der Von mir aus in der Hölle zu sagen schien.

Schnell stellte Apolonia ihre Frage anders: »Sind Sie autorisiert, mir Auskunft zu geben, wo das Büro des Inspektors liegt?«

Die Beamtin schien nachzudenken. »Prinzipiell schon. Sie können in den fünften Stock gehen, Flur sieben, Zimmer zwölf. Aber der Inspektor ist außer Haus ...«

Apolonia war bereits losgegangen. Sie drängte sich durch den überfüllten Flur und eine Treppe hoch. Hier war es viel leerer. In der Ferne der Flure hallte das Klingeln eines Telefons, Schuhsohlen quietschten über den Boden. Sonst herrschte angenehme Stille, nur durchbrochen vom gedämpften Brummen aus den tieferen Stockwerken. Apolonia fand das besagte Anmeldezimmer im siebten Flur, klopfte kurz an und trat ein.

Vor ihr erschien, an einem penibel aufgeräumten Schreibtisch sitzend, der Beamte, der ihr in der Eingangshalle in die Arme gelaufen war. Mit einem überraschten, feindseligen Blick schob er sich das Monokel zurecht.

Das Läuten der Klingel schrillte einen Moment lang durch das ganze Haus. Dotti stand reglos im Türrahmen ihres Schlafzimmers, den Flur und die Haustür im Blick. Die Polizei konnte es nicht sein. Die hätten schon längst ein zweites Mal geklingelt, geklopft oder gerufen.

Aber es blieb still nach dem ersten Läuten, so still, dass man in den geschmackvoll eingerichteten Zimmern die Heizung flirren hörte.

Schließlich überwand sich Dotti und schlich die dunkle Treppe hinunter, durch den Flur und zur Haustür. Das Taschentuch an die Lippen gedrückt, warf sie einen Blick durch den Türspion. Vor Schreck wich sie zurück.

Vampa.

Woher wusste er, wo sie wohnte? Was wollte er bloß von ihr? Wieder klingelte es.

Mit zittrigen Händen entriegelte Dotti das Schloss, schob die Ketten zurück und öffnete die Tür einen Spaltbreit.

»Vampa?«, flüsterte sie. Neben ihm stand noch jemand, ein Junge, den sie vage aus Eck Jargo kannte.

»Hallo, Dotti«, sagte Vampa. »Können wir rein?«

Dotti wischte sich mit dem Taschentuch über die feuchten Augen, dann machte sie zögernd auf und trat beiseite. Vampa ging wie selbstverständlich in den Flur, Tigwid folgte ihm mit einem Nicken, halb dankbar, halb entschuldigend. Dotti trat hinaus und spähte einmal links und rechts die Straße hinauf, aber niemand schien den zwei Jungen gefolgt zu sein. Die Alleen mit ihren stuckverzierten Häusern lagen so friedlich im Morgenlicht, als könne kein Unheil sie erschüttern.

Dotti schloss die Tür wieder und schob alle Riegel vor. Dann führte sie die Jungen in ihr Wohnzimmer, einen lichten kleinen Salon mit Erkerfenstern und Samtsofas. Vampa in einer so feinen, ruhigen Umgebung zu sehen, wirkte irgendwie falsch.

»Wollt ihr zwei ... wollt ihr was trinken?«

Vampa öffnete den Mund, blickte aber dann unentschlossen zu Tigwid.

»Oh, keine Umstände«, sagte Tigwid.

»Tee?«, fragte Dotti.

»Danke.« Tigwid setzte sich auf eine Geste von Dotti hin auf ein Sofa.

Dotti lief in die angrenzende Küche, um Tee zu machen, und Tigwid hatte Zeit, seine Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen, was einerseits eine berufliche Angewohnheit war, andererseits pure Neugier. Gegenüber der Sofarunde war ein hübsch verzierter Kamin, über dem eine goldene Uhr tickte. Siebzehntes Jahrhundert, schätzte er. Unbezahlbar. Dann wanderte sein Blick zu einer Pralinenschale direkt vor ihm. Verlockend starrten die Pralinen zurück, aus weißen Zuckerguss- und Schokoladenaugen. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, aber er riss sich vom Anblick los. An der Wand hing das große Porträt einer Edelfrau, bestimmt ein paar Jahrhunderte alt. Ein Dutzend Käufernamen tanzten Tigwid durch den Kopf, die für so ein Ölgemälde ein Vermögen zahlen würden. Etwas abseits standen eine Glasvitrine mit Cognac- und Schnapsflaschen und ein Grammofon.

»Woher kann sie sich das alles leisten?«, murmelte Tigwid.

»Sie ist die Besitzerin von Eck Jargo. Gewesen«, sagte Vampa.

Tigwid fuhr zu ihm herum. »Was?«

Vampa betrachtete die Überraschtheit in Tigwids Gesicht wie ein kostbares Bild, das gleich wieder zerfällt.

»Ich dachte, Eck Jargo gehört irgendeinem ... Kerl.« Verwundert starrte Tigwid den bestimmt sündhaft teuren Wandteppich gegenüber an. Dann wurde ihm bewusst, dass hier also sein monatliches Mietgeld hingeflossen war. Praktisch hatte er für all diese Reichtümer mitgezahlt ... In diesem Moment kam Dotti wieder. Sie hatte sich die dunklen Tränenspuren weggewischt und stellte ein Tablett mit drei Teetassen, Löffeln, Zucker, Milch und einer dampfenden Teekanne auf dem Tisch ab.

»So. Bedient euch«, murmelte sie und schenkte jedem von ihnen einen heißen Tee ein. Tigwid nippte vorsichtig daran. Vampa machte es ihm nach, dann stellte er die Tasse wieder ab und Dotti schauderte unter dem Blick des Jungen.