Выбрать главу

„Ihre diesbezügliche Unwissenheit muß ja nicht von Dauer sein“, ermutigte O'Mara sie. „Aber diese Empfehlung muß ganz schön nachdrücklich ausgefallen sein, stimmt's? Warum wurde sie ausgesprochen?“

„In meinem Krankenhaus werde ich zwar respektiert, aber beliebt bin ich dort nicht“, antwortete Cha Thrat und hoffte, daß der in ihrer Stimme mitschwingende Zorn vom Translator nicht wiedergegeben wurde. „Obwohl ich eine der ersten weiblichen Chirurgen für Krieger bin — eine Neuerung an sich —, hänge ich an Traditionen. Ich kann die schludrige Arbeitsmoral, die sich immer mehr ausbreitet, einfach nicht hinnehmen und bin Kollegen und Vorgesetzten gegenüber sehr schnell kritisch eingestellt, wenn sie nachlässig werden. Man hat mir zu verstehen gegeben, man würde mich in meiner Arbeit als Chirurgin unter immer stärker werdenden psychischen Druck setzen, falls ich vorhätte, die von den Terrestriern gebotene Gelegenheit nicht zu ergreifen. Die genaueren Umstände sind viel zu verwickelt, um sie in aller Kürze zu beschreiben. Jedenfalls machten meine Herrscher den Monitorkorpsleuten gegenüber Andeutungen, die auf diese sehr beruhigend und überzeugend gewirkt haben müssen. Letztendlich bin ich von den Terrestriern gelockt und von meinen Vorgesetzten zu diesem Schritt gedrängt worden — und deshalb bin ich jetzt hier.

Und da ich schon einmal hier bin“, schloß Cha Thrat, „werde ich meine begrenzten Fähigkeiten so gut nutzen, wie es in meinen Kräften steht. natürlich nur unter entsprechender Anleitung.“

O'Mara blickte jetzt den Herrscher des Schiffs an. Chiang hatte die Hand von den Augen genommen, aber sein rosa Gesicht wies nun eine sehr viel dunklere Farbe als zuvor auf.

„Der Kontakt mit den Sommaradvanern weitete sich zwar immer weiter aus, befand sich aber gerade in einer äußerst heiklen Phase“, rechtfertigte sich Chiang. „Deshalb wollten wir nicht das Risiko eingehen, ihnen etwas abzuschlagen, das ihnen lediglich wie eine kleine Gefälligkeit vorkommen konnte. Außerdem waren wir uns ziemlich sicher, daß man Cha Thrat das Leben schwermachen würde, und deshalb haben wir uns. habe ich mir gedacht, hier im Hospital wäre sie besser dran.“

„Also haben wir es hier nicht nur mit einem Terrestrier zu tun, der sich zum Politiker berufen fühlt, sondern auch noch mit einer Sommaradvanerin, die sich notgedrungen freiwillig gemeldet hat und sich wahrscheinlich niemals einfügen wird“, zischte O'Mara, die Augen immer noch auf den Herrscher des Schiffs gerichtet, dessen Gesicht mittlerweile einen noch dunkleren Rosaton angenommen hatte. „Und aus falsch verstandener Dankbarkeit haben Sie versucht, den wahren Sachverhalt vor mir zu verbergen. Wirklich, einfach prima!“

Er sah wieder Cha Thrat an und fuhr fort: „Ich weiß Ihre Aufrichtigkeit zu schätzen. Ganz gleich, was Ihr Freund glauben mag, wird dieses Material zur Erstellung Ihres Persönlichkeitsprofils sicherlich nützlich sein, schließt aber keineswegs Ihre Einstellung im Hospital aus, vorausgesetzt, Sie entsprechen den übrigen Anforderungen. Was das heißt, werden Sie im Laufe des Unterrichts erfahren, der nach unserer Zeitrechnung gleich morgen früh beginnt.

Im Vorzimmer erhalten Sie ein Informationspaket, Mappen, Unterrichtspläne, allgemeine Regeln und Ratgeber“, fuhr O'Mara jetzt sehr viel schneller als vorher fort, ganz so, als wäre seine Redezeit begrenzt, „die allesamt in der auf Sommaradva am weitesten verbreiteten Sprache gedruckt sind. Von einigen Ihrer Ausbilder werden Sie zu hören bekommen, daß die erste und schwierigste Prüfung bereits darin bestanden habe, Ihre Unterkunft zu finden. Viel Glück, Cha Thrat!“

Während sie sich zwischen den Sitzmöbeln für Aliens hindurch einen Weg zur Tür bahnte, sagte O'Mara gerade zu dem Herrscher des Schiffs: „Vor allem bin ich an Ihrer seelischen Verfassung nach der Operation interessiert, Major Chiang. Haben Sie in Verbindung mit der Operation irgendwelche Ängste im Wachzustand, sich wiederholende Alpträume oder Momente unerklärlicher innerer Anspannung mit oder ohne Schweißausbruch gehabt? Hatten Sie das Gefühl, zu ertrinken oder zu ersticken, oder ist bei Ihnen eine zunehmende, unsinnige Angst vor Dunkelheit aufgetreten.?“

O'Mara ist wirklich ein großer Zauberer, dachte Cha Thrat.

Im Vorzimmer gab ihr der Terrestrier Braithwaite sowohl mündliche als auch schriftliche Ratschläge sowie eine weiße Binde, die sie an einem ihrer vier Oberarme tragen sollte. Wie er ihr lachend erklärte, signalisiere diese Armbinde allen, daß sie noch lerne und wahrscheinlich die Orientierung verlieren und sich verirren werde. Falls das passieren sollte, könne sie jedes Mitglied des Hospitalpersonals um Auskunft bitten. Auch Braithwaite wünschte ihr zum Schluß viel Glück.

Den Weg zu ihrem Quartier zu finden war ein schlimmerer Alptraum als jeder, den Chiang vielleicht gerade O'Mara erzählte, dessen war sie sich sicher. Zweimal mußte sie sich nach dem Weg erkundigen, und jedesmal fragte sie lieber eine Gruppe Kelgianer mit silbernem Fell, die anscheinend überall im Hospital anzutreffen waren, als eins der großen, sich schwerfällig fortbewegenden Ungeheuer oder einen der an ihr vorbeiströmenden, schwammigen Aliens, die in Chloranzügen steckten. Doch trotz der höflichen Art, in der sie ihre Bitten vortrug, wurde ihr die erwünschte Auskunft beide Male nur in ausgesprochen abweisender und kurz angebundener Weise erteilt.

Zuerst fühlte sie sich persönlich schwer beleidigt. Aber dann fiel ihr auf, daß sich die Kelgianer sogar den Angehörigen ihrer eigenen Spezies gegenüber unfreundlich und leicht aufbrausend verhielten, und schloß daraus, daß es vermutlich unangebracht war, ihnen Vorwürfe wegen ihres extremen Mangels an Höflichkeit gegenüber Fremden zu machen.

Als sie schließlich ihr Quartier ausfindig gemacht hatte, stand die Tür sperrangelweit offen, und der Terrestrier Timmins lag bäuchlings auf dem Boden und hielt ein kleines Metallkästchen mit blinkenden Lampen in der Hand, aus dem leise Geräusche kamen.

„Ich prüfe nur kurz etwas“, sagte Timmins. „Ich bin in einer Sekunde fertig. Sehen Sie sich ruhig um. Die ganzen Bedienungsanleitungen liegen auf dem Tisch. Falls Sie irgend etwas davon nicht verstehen, dann rufen Sie am besten mit dem Kommunikator die Abteilung für Personalschulung an, dort hilft man Ihnen gern weiter.“ Er drehte sich auf den Rücken, stand auf eine Weise auf, die für einen Sommaradvaner vom Körperbau her unmöglich war, und fragte: „Na, was halten Sie von Ihrer Unterkunft?“

„Ich. ich bin wirklich überrascht“, stammelte Cha Thrat, die über Timmins Vertraulichkeit beinahe empört war, „und erfreut zugleich. Das ist ja wie mein Quartier zu Hause.“

„Bei uns ist der Kunde König“, bemerkte Timmins bellend. Dann hob er die rechte Hand — eine Geste, die Cha Thrat nicht verstand — und verschwand.

Eine ganze Weile ging sie in dem kleinen Raum hin und her, begutachtete das Mobiliar und die übrige Ausstattung und konnte kaum glauben, was sie sah und fühlte. Sie wußte zwar, daß von ihrem Quartier auf dem Stockwerk der Chirurgen für Krieger im Haus der Heilung in Calgren Aufnahmen gemacht worden waren, aber eine solch minuziöse Beachtung der Details bei der Nachbildung ihrer Lieblingsbilder, der Wandbespannungen, der Beleuchtung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände hatte sie nie und nimmer erwartet. Dennoch gab es teils deutliche, teils eher feine Unterschiede, die sie ständig daran erinnerten, daß sich dieser Raum trotz gegenteiligen Augenscheins nicht auf ihrem Heimatplaneten befand.