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Die täuschend echt wirkende künstliche Beleuchtung und die wirklich geniale Landschaftsgestaltung des Freizeitbereichs vermittelten einem die Illusion unendlicher Weite. Das Endprodukt war ein kleiner, von Felsen eingerahmter, tropischer Meeresstrand, der zur See hin offen war. Das Wasser erstreckte sich scheinbar bis zum Horizont, der unmerklich in ein Hitzeffimmern überging. Der Himmel war blau und wolkenlos, und das Wasser in der Bucht schimmerte tiefblau mit einem leicht türkisfarbenen Stich und plätscherte in sanften Wellen gegen den goldglänzenden Strand.

Lediglich die künstliche Sonne, die nach Cha Thrats Geschmack ein wenig zu rötlich ausgefallen war, und die fremdartigen Grünpflanzen, die den Strand und die Felsen umsäumten, raubten einem die Illusion, man würde sich in irgendeiner tropischen Bucht auf Sommaradva befinden.

Daß der Platz im Orbit Hospital relativ knapp war, hatte sie schon vor ihrem ersten Kantinenbesuch erfahren, und deshalb mußten die Wesen, die zusammen arbeiteten, auch möglichst miteinander essen. Nun hatte es den Anschein, daß sie sogar ihre Freizeit gemeinsam verbringen mußten.

„Realistische Wolkeneffekte sind nur schwer nachzuahmen“, erklärte Tarsedth unaufgefordert. „Deshalb hat man es lieber erst gar nicht auf einen Versuch ankommen lassen, als das Risiko einzugehen, daß die Wolken unnatürlich aussehen. Das hat mir der Wartungstechniker erzählt, der mir vorgeschlagen hat, hierherzukommen. Er hat auch gesagt, das beste am Freizeitbereich sei, daß hier nur die halbe Schwerkraft des Planeten Erde herrsche, was ziemlich genau der halben Anziehungskraft von Kelgia und Sommaradva entspricht. Diejenigen, die sich lieber durch Bewegung entspannen, können aktiver sein, und für die anderen, die sich nur sonnen wollen, ist der Sand viel weicher. Paß auf!“

Drei Tralthaner mit insgesamt achtzehn gewaltigen Füßen donnerten an ihnen vorbei und hechteten unter weit durch die Luft spritzenden Sand- und Gischtwolken ins seichte Wasser. Die Schwerkraft von einem halben Ge, die es den normalerweise langsamen und schwerfälligen FGLIs ermöglichte, wie Zweifüßer umherzuspringen, ließ allerdings auch den von ihnen aufgewirbelten Sand lange in der Luft schweben, bevor er sich wieder auf dem Strand ablagerte. Einige Körner hatten den Boden noch lange nicht erreicht, und Cha Thrat versuchte immer noch, sie durch Blinzeln aus den Augen zu bekommen.

„Laß uns lieber nach dahinten rübergehen“, schlug Tarsedth vor. „Wir können zwischen dem FROB und den beiden ELNTs Schutz suchen. Die sehen nicht gerade danach aus, als hätten sie es auf einen Aktivurlaub abgesehen.“

Doch Cha Thrat hatte keine Lust, einfach still dazuliegen und nichts anderes zu tun, als das künstliche Sonnenlicht aufzusaugen. Ihr ging viel zuviel im Kopf herum, zu viele Fragen, die man nicht stellen konnte, ohne ernsten Unwillen hervorzurufen. Zudem hatte sie in der Vergangenheit festgestellt, daß sich bei anstrengender körperlicher Betätigung der Geist entspannte — wenigstens hin und wieder.

Sie beobachtete, wie sich ihr eine steile Welle im Zeitlupentempo näherte und sich am Strand brach. Die Wellenaktivität in der Bucht wurde nicht etwa künstlich erzeugt, sondern hing in ihrem Ausmaß von der körperlichen Größe, der Anzahl und der Begeisterung der Badenden ab. Der besonders bei den schwersten und unförmigsten Lebensformen beliebteste Sport bestand offensichtlich darin, von einem der an den Felswänden angebrachten Sprungbrettern in die Bucht zu springen. Zu den Brettern, die Cha Thrat zunächst gefährlich hoch vorkamen, bis sie sich an die verringerte Schwerkraft erinnerte, gelangte man durch im Felsen verborgene Tunnelgänge. Ein Brett, das höchste von allen, war stark versteift und bog sich fast überhaupt nicht, um wahrscheinlich so die Gefahr zu verringern, daß sich ein übereifriger Springer an dem künstlichen Himmel einen Schädelbruch zuzog.

„Hast du Lust zu schwimmen?“ fragte Cha Thrat plötzlich. „Ich meine, das heißt natürlich nur, wenn DBLFs das überhaupt können.“

„Und ob wir das können, aber ich möchte nicht“, antwortete die Kelgianerin, wobei sie die Furche im Sand, die sie sich bereits gegraben hatte, noch tiefer machte. „Nach dem Schwimmen klebt mein Fell immer flach am Körper, und ich kann es den ganzen Tag nicht mehr bewegen. Und falls irgendein fescher Nidianer kommt, könnte ich mich mit ihm nicht richtig unterhalten. Leg dich hin und entspann dich.“

Cha Thrat kreuzte ihre beiden Hinterbeine und ließ sich sanft in die Horizontale fallen. Doch selbst ihre Freundin, die einer völlig anderen Spezies angehörte, konnte ihr sofort ansehen, daß sie alles andere als entspannt war.

„Machst du dir über irgendwas Sorgen?“ fragte Tarsedth, wobei sich ihr Fell besorgt zu Büscheln kräuselte. „Wegen Cresk-Sar vielleicht? Oder ist es wegen Hredlichli oder deiner Station?“

Cha Thrat schwieg eine Weile und überlegte, wie eine sommaradvanische Chirurgin für Krieger einem Wesen, das einer Spezies angehörte, die einen vollkommen anderen kulturellen Hintergrund hatte, und das obendrein vielleicht eine Sklavin war, das Problem erklären könnte. Aber solange sie über Tarsedths genauen Rang keine Gewißheit hatte, wollte sie die Kelgianerin als fachlich ebenbürtig betrachten.

„Ich will wirklich niemanden beleidigen“, begann sie vorsichtig, „aber schließlich erwartet man von uns, daß wir uns,hier weitreichende Kenntnisse aneignen. Und trotz der seltsamen und verschiedenartigen Aliens, die wir versorgen, und all der großartigen Geräte, die wir dazu einsetzen, scheint mir unsere Tätigkeit eher monoton, unwürdig, ohne jede persönliche Verantwortung, nie selbständig und. nun ja, so etwas wie Sklavenarbeit zu sein. Wir sollten mit unserer Zeit, oder zumindest mit einem Großteil davon, etwas Wichtigeres anfangen können, als Exkremente von den Patienten zur Beseitigungsanlage zu befördern.“

„Ach, das ist es also, was dich bedrückt“, sagte Tarsedth, wobei sie sich mit ihrem kegelförmigen Kopf zu Cha Thrat umdrehte. „Man hat dich in deinem Stolz gekränkt, stimmt's?“

Cha Thrat antwortete nicht, und die Kelgianerin fuhr fort: „Bevor ich Kelgia verlassen habe, bin ich Schwesternvorsteherin gewesen und war als solche für die Krankenpflege auf acht Stationen verantwortlich. Natürlich hatte ich nur mit Patienten meiner eigenen Spezies zu tun, aber immerhin bin ich damals über den Pflegedienst bis zu dieser Position aufgestiegen. Einige der anderen Auszubildenden sind, wie du ja auch, früher allerdings Ärzte gewesen, deshalb kann ich mir vorstellen, wie die — und du — sich fühlen müssen. Aber unsere Sklavenarbeit hier ist nur vorübergehend. Sie wird bestimmt abwechslungsreicher werden, sobald oder falls wir unsere Ausbildung zu Cresk-Sars Zufriedenheit abgeschlossen haben. Versuch am besten, dir darüber keine Sorgen zu machen. Du lernst eben die Alienmedizin von der Pike auf, wenn du den Ausdruck entschuldigst.

Du mußt dich einfach bemühen, dich mehr für die andere Seite der Patienten zu interessieren, anstatt dir andauernd den Kopf über deren Exkremente zu zerbrechen“, fügte Tarsedth hinzu. „Unterhalt dich mit den Patienten, und versuch ihre Denkweise zu verstehen.“

Cha Thrat fragte sich, wie sie der Kelgianerin, die einer offenbar hochentwickelten, aber völlig wirren und klassenlosen Gesellschaft angehörte, erklären könnte, daß es Dinge gab, die eine Chirurgin für Krieger tun sollte, und andere, die sie lieber nicht tun sollte. Obwohl es der Ärzteschaft auf Sommaradva vollkommen gleichgültig sein dürfte, was hier mit ihr passierte, so war sie doch durch die Umstände im Orbit Hospital zu einem sowohl im positiven als auch negativen Sinne falschen Verhalten gezwungen worden. Ihre Fähigkeiten wurden durch ihre gegenwärtige Arbeit teils über—, teils unterfordert, und das ärgerte sie.

„Ich habe mich ja mit den Patienten unterhalten“, rechtfertigte sie sich. „Besonders mit einem, und der hat gesagt, er plaudere gerne mit mir. Ich bemühe mich zwar, keinen bestimmten Patienten zu bevorzugen, aber dieser Patient ist noch elender dran als all die anderen. Eigentlich sollte ich nicht mit ihm sprechen, da ich für seine Behandlung nicht qualifiziert genug bin, aber außer mir will oder kann keiner etwas für ihn tun.“