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Sein terrestrisches Gegenüber stieß gedämpfte, bellende Laute aus und entgegnete: „Dann haben Sie noch nicht unser Krankenhausessen probiert. Allerdings geben wir uns redlich Mühe, unsere Besucher nicht zu vergiften.“

Braithwaite verstummte, um sich zu entschuldigen und sogleich zu erklären, daß er lediglich einen hausinternen Witz gemacht habe. In Wirklichkeit sei das Essen recht schmackhaft, und man habe bezüglich Cha Thrats Ernährungsbedürfnisse bereits umfassende Anweisungen erhalten.

Doch bekam Cha Thrat nur beiläufig mit, was er sagte, da sich ihre Aufmerksamkeit auf die grüne Halbkugel richtete, deren Oberfläche nun kleine Wellen schlug, Falten warf und Scheinfüßchen ausbildete. Sie wackelte jetzt schwerfällig und stemmte sich senkrecht in die Höhe, bis sie dieselbe Größe wie Cha Thrat hatte. Die Haut bekam farbige Flecken. Der feuchte Glanz dessen, was nur Augen sein konnten, erschien, und die Anzahl der kurzen und nur grob geformten Gliedmaßen nahm stetig zu, bis das Gebilde wie etwas aussah, das von einem sommaradvanishen Kind aus Ton hätte modelliert sein können. Auf einmal empfand Cha Thrat Ekel, aber als sich der Körper festigte, eine feinere Gliederung annahm und die charakteristischen Körpermerkmale ihrer Spezies erschienen, verspürte sie nur noch Neugierde und Verwunderung. Schließlich entwickelten sich an den entsprechenden Stellen die Bekleidung und die Arzttasche, und vor ihr stand plötzlich die Gestalt einer zweiten Sommaradvanerin, die Cha Thrat bis aufs I-Tüpfelchen glich.

„Sollten Ihre terrestrischen Freunde tatsächlich vorhaben, Sie bereits wenige Minuten nach Ihrer Ankunft dem Ambiente einer multikulturellen Kantine auszusetzen“, begann ihr Ebenbild mit einer Stimme, die zum Glück der von Cha Thrat nicht ähnelte, „dann verspüre ich regelrecht eine Verpflichtung, der Rücksichtslosigkeit dieser beiden Ignoranten entgegenzuwirken, indem ich ein Äußeres annehme, das Ihnen vertraut und angenehm ist. Das ist ja wohl das mindeste, was ich für ein neues Mitglied des medizinischen Personals tun kann.“

„Doktor Danalta ist keineswegs so uneigennützig, wie er Sie glauben lassen möchte, Cha Thrat“, mischte sich Braithwaite ein, wobei er wieder einen dieser bellenden Laute ausstieß. „Wegen der unglaublich rauhen Umweltbedingungen auf seinem Heimatplaneten hat seine Spezies eine erstklassige Schutzanpassung entwickelt. Es gibt im Orbit Hospital nur wenige warmblütige sauerstoffatmende Lebensformen, in die sich Doktor Danalta nicht in ein paar Minuten verwandeln könnte, wie Sie eben selbst gesehen haben. Allmählich haben wir allerdings den Verdacht, daß er jedes neue intelligente Wesen, das im Hospital eintrifft, als Herausforderung für seine Fähigkeiten auf dem Gebiet der Körperanpassung betrachtet — wobei es ihm völlig egal ist, ob es sich dabei um einen Patienten, Besucher oder Mitarbeiter handelt.“

„Trotzdem bin ich tief beeindruckt“, antwortete Cha Thrat.

Sie starrte ihrem vollkommen fremden und dennoch identischen Ebenbild in die Augen. Nach ihrem Dafürhalten hatte der Alien große Anteilnahme an ihrem gegenwärtigen geistig-seelischem Wohlbefinden bewiesen, zumal sie sich durch den Einsatz seiner ungeheuren Begabung schon sehr viel wohler fühlte. Das konnte nur die Tat eines Heilers für Herrscher gewesen sein — womöglich war er sogar selbst ein Herrscher. Instinktiv machte Cha Thrat die Geste, die bei ihrer Spezies Achtung vor Höherstehenden ausdrückte, und erst im nachhinein fiel ihr ein, daß wahrscheinlich weder die Terrestrier noch ihr Ebenbild namens Danalta die Bedeutung dieser Gebärde erkennen würden.

„Danke schön, Cha Thrat“, sagte Danalta und erwiderte die Geste. „Mit meiner Schutzanpassung sind nämlich empathische Fähigkeiten verbunden. Obwohl ich nicht genau weiß, was diese Gebärde mit den Gliedmaßen zu bedeuten hat, konnte ich doch spüren, daß Sie mir ein Kompliment gemacht haben.“

Danalta, da war sich Cha Thrat sicher, war sich jetzt auch ihrer Verlegenheit bewußt, doch der Gestaltwandler erwähnte nichts davon, als sie den beiden Terrestriern aus der Kammer folgte.

Auf dem Korridor vor der Schleuse drängte sich eine ganze Menagerie von Lebewesen, von denen einige, wenn auch nicht von der Größe, so doch von der Gestalt her nichtintelligenten Tierarten ähnelten, wie man sie auf Sommaradva vorfand. Als einer der kleinen, von rotem Pelz bedeckten Zweifüßler, die Cha Thrat bereits in der Anmeldezentrale gesehen hatte, vorbeilief, versuchte sie, nicht vor ihm zurückzuschrecken, und als riesige Ungeheuer mit sechs Gliedern, unzähligen Tentakeln und einem Vielfachen ihrer Körpermasse auf sie zusteuerten, wurde sie von panischer Angst ergriffen. Doch nicht alle der Aliens wirkten furchteinflößend oder sogar häßlich. So klackerte ein großer, krebsähnlicher Alien mit einem wunderschön gezeichneten Panzer auf den knochenharten Gliedmaßen seines Ektoskeletts vorüber. Die Zangen öffneten und schlossen sich langsam, als dieses Wesen ein Gespräch mit einem wirklich schönen Geschöpf führte, das wenigstens dreißig kurze, stummelartige Beine hatte und von einem sich kräuselnden, silbernen Fell bedeckt war. Es gab noch etliche andere Aliens, die Cha Thrat allerdings wegen der Schutzanzüge, in denen sie steckten, zumeist nur undeutlich erkennen konnte. Im Fall des Insassen eines fahrbaren Druckbehälters, aus dem Dampf zischte, vermochte sie sich nicht einmal eine Vorstellung davon zu machen, welche eigentümliche oder prachtvolle Gestalt sich in diesem mysteriösen Gefährt verbarg.

Die Kakophonie aus heulenden, piepsenden, krächzenden und jammernden Lauten war kaum zu beschreiben, denn dieser Lärm war etwas vollkommen anderes als alles, was sie bisher erlebt hatte.

„Es gibt noch einen viel kürzeren Weg zur Kantine“, sagte Danalta, während ein stacheliges Wesen mit einer membranartigen Haut vorbeischlurfte, das eher wie eine dunkelfarbige Ölfrucht im Großformat aussah, da in dem durchsichtigen Anzug die einzelnen Körpermerkmale von einem dichten, gelben Nebel verhüllt wurden. „Aber das würde einen Ausflug durch die wassergefüllten Stationen der Chalder bedeuten, und Ihre Schutzanzüge werden erst in sechs, möglicherweise sogar erst in sieben Tagen fertig sein. Aber wie ist eigentlich Ihr bisheriger Eindruck vom Orbit Hospital, und wie kommen Sie damit klar?“

Es war beunruhigend und beschämend zugleich, daß Danalta, der zumindest ein zauberkundiger Heiler für Herrscher sein mußte, solche Fragen an eine einfache Chirurgin für Krieger richtete. Doch war die Frage gestellt worden, und nun wurde eine Antwort erwartet. Wenn der Alien seine Verwandlungskünste unbedingt mitten in einem überfüllten Korridor ausüben wollte, dann stand es ihr ganz gewiß nicht zu, Kritik daran zu üben.

Rasch antwortete Cha Thrat: „Ich empfinde Verwirrung, Furcht, Ekel und Neugierde zugleich und bin mir meiner Anpassungsfähigkeit nicht sicher. Ich bin derart verwirrt, daß ich meinen derzeitigen Zustand nicht einmal genauer erklären kann. Zum Beispiel habe ich allmählich das Gefühl, daß die beiden Terrestrier, die vor uns gehen und einer Spezies angehören, die ich noch vor kurzem als völlig fremdartig eingestuft hätte, jetzt etwas fast angenehm Normales an sich haben. Zudem habe ich den Eindruck, daß Sie, weil Sie sich in das Lebewesen verwandelt haben, das auf mich in diesem Hospital am vertrautesten und beruhigendsten wirkt, von Ihrer eigentlichen Natur her das fremdartigste Wesen von allen sind. Um brauchbare Eindrücke zu gewinnen oder mir eine Meinung über das Hospital bilden zu können, habe ich noch nicht genügend Zeit gehabt, aber möglicherweise kennen Sie ja bereits dank Ihrer empathischen Fähigkeiten meine Empfindungen.

Ist es in der Kantine denn sehr viel schlimmer als hier?“ fügte sie besorgt hinzu.

Danalta beantwortete die Frage nicht gleich, und die beiden Terrestrier hatten schon seit geraumer Zeit nichts mehr gesagt. Der mit dem Namen Braithwaite hatte sich ein wenig hinter die anderen zurückfallen lassen und den Kopf zur Seite gewandt, damit einer der beiden fleischigen Auswüchse, die offensichtlich als Hörorgane dienten, Cha Thrats Worte besser auffangen konnte. Es hatte ganz den Anschein, als ob ihre Empfindungen nicht nur den Gestaltwandler interessierten. Als Danalta schließlich sprach, glichen seine Worte eher einem Vortrag als einer einfachen Antwort auf ihre Frage.