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„Auf niedrigem Niveau sind empathische Fähigkeiten bei den meisten intelligenten Lebensformen normal, doch nur bei einer Spezies, nämlich den Bewohnern von Cinruss, sind sie voll entwickelt. Sie werden bald einen Vertreter dieser Spezies kennenlernen, denn auch er ist auf neuentdeckte Lebensformen neugierig und wird Sie bei der erstbesten Gelegenheit aushorchen wollen. Dann können Sie ja mal meine begrenzten empathischen Fähigkeiten mit denen von Prilicla vergleichen.“

Danalta hielt kurz inne und fuhr dann fort: „Meine bescheidenen Fähigkeiten beruhen nämlich eher auf der genauen Beobachtung von Körperbewegungen, Muskelanspannungen, Veränderungen der Hautfarbe und dergleichen als auf der direkten Wahrnehmung der emotionalen Ausstrahlung des betreffenden Wesens. Sie als Heilerin müssen ja auch ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen für Ihre Patienten besitzen und deren gesundheitlichen Zustand oder eine Veränderung dieses Zustands oft ohne direkte medizinische Untersuchung spüren können. Aber wie hoch meine Fähigkeiten auch entwickelt sein mögen, Ihre Gedanken bleiben für mich dennoch stets im verborgenen und sind allein Ihnen vorbehalten. Ich nehme lediglich Ihre stärkeren Empfindungen wahr.“

„Die Kantine“, verkündete Braithwaite plötzlich und bog bereits in den breiten, türlosen Eingang ein. Er konnte gerade noch einen Zusammenstoß mit einem herauskommenden Nidianer und zwei der Wesen mit silbernem Fell vermeiden, und bellte leise, als die drei abfällige Bemerkungen über sein ungeschicktes Verhalten machten. Dann deutete er in eine Ecke des Raums und drängte die anderen zur Eile: „Schnell, da drüben ist noch ein Tisch frei!“

Einen Moment lang war Cha Thrat nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Muskel zu bewegen. Sie starrte auf den sich weit ausdehnenden, spiegelblank polierten Boden und auf die wie kleine Inseln gruppierten Eßtische, Bänke und Stühle, die nach Größe und Form zusammengestellt waren, um der unglaublichen Vielfalt von Benutzern Platz zu bieten. Der erste Eindruck war viel, viel schlimmer als ihre Erlebnisse auf den Korridoren, wo sie immer nur zwei oder drei Aliens auf einmal begegnet war. Hier hielten sich Hunderte von ihnen auf und saßen entweder nach Spezies getrennt oder mit mehreren verschiedenen Lebensformen zusammen am selben Tisch.

Es befanden sich dort Wesen, die einem schon aufgrund ihrer auffallenden Körperstärke und der Reichweite ihrer natürlichen Waffen Angst einjagten. Es gab andere, die durch ihre Farbe, den Glanz des Schleimüberzugs oder ekelerregende Wucherungen auf der Haut her grauenhaft, schrecklich und widerlich wirkten, und viele, die die Wahnvorstellungen sommaradvanischer Alpträume furchtbare Realität werden ließen. An einigen der Tische saßen oder hockten Aliens, deren Körper und Gliedmaßen so unglaublich grotesk gebaut waren, daß Cha Thrat kaum ihren Augen trauen mochte.

„Hier entlang“, bat Danalta, der gewartet hatte, bis Cha Thrats Glieder nicht mehr zitterten. Er führte sie zu dem von Braithwaite bereits besetzten Tisch, wo sie feststellte, daß das Mobiliar weder für die Physiologie der Terrestrier geeignet war, noch zu den drei krebsähnlichen Aliens mit Ektoskelett paßte, die gerade aufgestanden waren.

Sie fragte sich, ob sie jemals in der Lage sein würde, sich den Gebräuchen dieser hoffnungslos chaotisch und schlampig wirkenden Wesen anzupassen. Auf Sommaradva wußte wenigstens jeder, wo sein Platz war.

„Der Automat für die Bestellung und anschließende Auslieferung des Essens funktioniert hier praktisch genauso wie auf dem Schiff“, erklärte Braithwaite, als sich Cha Thrat vorsichtig in den furchtbar ungemütlichen Stuhl sinken ließ und durch ihr Körpergewicht das Display mit der Speisekarte einschaltete. „Sie geben einfach Ihre physiologische Klassifikation ein, und dann werden die vorhandenen Gerichte aufgelistet. Bis der Versorgungscomputer für Speisen und Getränke mit den Einzelheiten der von Ihnen bevorzugten Zusammenstellungen, der Beschaffenheit und der Anordnung der Speisen auf dem Teller programmiert worden ist, wird Ihnen das Gericht wahrscheinlich vorerst nur in unansehnlichen, aber nahrhaften Klumpen serviert werden können. Sie werden sich bald an dieses System gewöhnen, aber in der Zwischenzeit bestelle ich lieber für Sie.“

„Danke“, murmelte Cha Thrat. Der größte Klumpen auf dem Teller, der jetzt ankam, sah wie ein Block Tasam aus. Aber er roch wie gebratenes Cretsi, hatte die Konsistenz von gebratenem Cretsi und, so fand Cha Thrat heraus, nachdem sie eine kleine Ecke davon probiert hatte, er schmeckte auch wie gebratenes Cretsi. Jetzt erst merkte sie, daß sie wirklich Hunger hatte.

„Manchmal kann es vorkommen, daß Sie sich vom bloßen Anblick der anderen Gerichte oder der Tischgenossen derart belästigt fühlen, daß Ihnen dabei der Appetit vergeht“, fuhr Braithwaite fort. „Sie sollten deshalb lieber ein Auge auf Ihrem Teller behalten und die übrigen schließen; wir fühlen uns dadurch keineswegs beleidigt.“

Cha Thrat folgte dem Vorschlag, ließ aber ein Auge leicht geöffnet, damit sie Braithwaite sehen konnte, der sie immer noch aufmerksam musterte, obwohl er aus irgendeinem merkwürdigen terrestrischen Grund vorgab, das nicht zu tun. Während des Essens kehrten ihre Gedanken zu dem Zwischenfall mit dem Herrscher des Schiffs auf Sommaradva sowie zu der Raumreise hierher und ihrem Empfang im Hospital zurück, und sie mußte feststellen, daß sie allmählich mißtrauisch wurde und sogar leicht verärgert war.

„Um noch einmal auf Ehre stärkeren Empfindungen zurückzukommen“, meldete sich Danalta erneut zu Wort, der offenbar vorhatte, seinen am Kantineneingang unterbrochenen Vortrag fortzusetzen, „haben Sie eigentlich irgendwelche starken Vorbehalte dagegen, persönliche oder berufliche Fragen in Gegenwart von Fremden zu besprechen?“

Chiang, der Herrscher des Schiffs, hielt mit einem Stück Nahrung, das wie ein Teil von einem einst lebendigen Wesen aussah, auf halbem Weg zu seiner Eßöfmung inne und sagte: „Den Bewohnern von Sommaradva ist es lieber, wenn man ihnen frei heraus sagt, was man über sie denkt. Andererseits halten sie die Anwesenheit aufgeschlossener Beobachter bei einer Besprechung ihrer Angelegenheiten häufig für nützlich.“

Wie Cha Thrat feststellte, konzentrierte sich Braithwaite fast ausschließlich auf sein ekelerregendes Essen. Deshalb richtete sie so viele Augen auf den Gestaltwandler, wie es ihr Anstand gerade noch zuließ, und übersah die zahlreichen Dinge im Hintergrund, die sie nicht sehen wollte.

„Na gut“, fuhr Danalta fort und blickte sie mit seinen nachgeahmten, aber dennoch fremden Augen an. „Ihnen müßte bereits klargeworden sein, Cha Thrat, daß Sie sich in einer anderen Lage befinden als die übrigen Mitarbeiter, die im Hospital auf Probe beschäftigt werden. Die Stellen im Orbit Hospital sind sehr begehrt, und die Bewerber müssen auf ihren Heimatplaneten äußerst schwierige Eignungstests und gründliche psychologische Untersuchungen bestehen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, daß sie eine wirkliche Chance haben, sich auf die Umgebung in einem Hospital einzustellen, das für viele verschiedene Spezies eingerichtet worden ist, weil ihnen unsere hiesige Ausbildung ansonsten überhaupt nichts nützt.

Sie sind nicht auf diese Weise überprüft worden“, fuhr Cha Thrats fremdes Spiegelbild fort. „Bei Ihnen hat es weder Eignungstests gegeben noch psychologische Persönlichkeitsdiagramme von der Geburt bis zum Erwachsenenalter oder eine objektive Beurteilung Ihres Werts als Heilerin. Wir wissen nur, daß Sie sich auf erstklassige Empfehlungen der Monitorkorpsdivision für Kommunikation und Kulturkontakte berufen können und wahrscheinlich auch auf die Fürsprache Ihrer Fachkollegen auf Sommaradva, einem Planeten, über den uns ebensowenig bekannt ist wie über seine Bevölkerung.