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„Ich habe draußen gewartet, für den Fall, daß es den beiden nicht gelingen sollte, Sie zu einem vorzeitigen Abschied zu überreden. O'Mara war sich von vornherein ziemlich sicher, daß er und Conway das nicht schaffen würden. Ich bin Timmins, falls Sie sich nicht an mich erinnern. Wir werden ein langes Gespräch miteinander führen müssen.

Und bevor Sie etwas fragen“, fuhr er fort, „die Ungnade, in die Sie laut O'Mara bei den meisten gefallen sind, bedeutet für Sie Wartungsdienst.“

9. Kapitel

Von Anfang an war klar, daß Lieutenant Timmins seine Arbeit weder als sklavisch noch als erniedrigend empfand, und es dauerte nicht lange, bis er auch Cha Thrat soweit gebracht hatte, allmählich denselben Eindruck zu gewinnen. Das lag nicht nur an der stillen Begeisterung des Terrestriers für seine Tätigkeit, sondern auch an dem tragbaren Videogerät und dem Stapel Videobändern mit Ausbildungsmaterial, die er neben ihrem Bett zurückgelassen hatte und die sie letztendlich davon überzeugten, daß der Wartungsdienst eine Arbeit für Krieger war — wenn auch nicht unbedingt eine für Krieger-Chirurginnen. Ihre vorhergehenden medizinischen und physiologischen Studien schienen geradezu lächerlich einfach, als sie diese mit den umfassenden und komplizierten Problemen verglich, die sich ergaben, wenn für mehr als sechzig verschiedene Lebensformen die technischen Voraussetzungen und die erforderlichen Umweltbedingungen bereitgestellt werden mußten. Denn aus so vielen unterschiedlichen Spezies setzten sich die Patienten und die Belegschaft des Hospitals zusammen — und einige unterschieden sich wirklich sehr voneinander. Cha Thrats letzter offizieller Kontakt mit dem medizinischen Ausbildungsprogramm fand statt, als Cresk-Sar eintraf. Er führte eine kurze, aber gründliche Untersuchung bei ihr durch und bescheinigte ihr für die neue Aufgabe eine körperlich einwandfreie Verfassung — vorbehaltlich der Befunde des Augenspezialisten Dr. Yeppha, der sie in Kürze aufsuchen würde. Cha Thrat erkundigte sich, ob man irgendwelche Bedenken habe, daß sie sich in der Freizeit weiterhin die medizinischen Schulungskanäle ansah, und der Chefarzt erklärte ihr, sie könne sich in ihrer Freizeit anschauen, wozu sie Lust habe, aber es sei unwahrscheinlich, daß sie jemals wieder die Gelegenheit erhalte, etwas von dem dabei erlangten medizinischen Wissen in die Praxis umzusetzen.

Cresk-Sar schloß mit den Worten, er sei zwar erleichtert, daß die Schulungsabteilung nicht mehr für sie verantwortlich sei, bedaure es aber auch, sie zu verlieren. Er schließe sich ihren ehemaligen Klassenkameraden an, die ihr bei der neuen Arbeit, für die sie sich entschieden habe, Erfolg und persönliche Befriedigung wünschten.

Dr. Yeppha war für sie eine neue Lebensform, ein kleines, dreifüßiges, sehr zerbrechlich wirkendes Wesen, das sie als DRVJ klassifizierte. Aus seinem pelzigen, kuppelförmigen Kopf ragten — einzeln oder in kleinen Gruppen — wenigstens zwanzig Augen hervor. Cha Thrat fragte sich, ob die überreichlich vorhandenen Sehorgane irgendeinen Einfluß auf die Wahl seines Fachgebiets gehabt hatten, hielt es jedoch für angebrachter, sich lieber nicht danach zu erkundigen.

„Guten Morgen, Cha Thrat“, begrüßte er sie, holte ein Band aus einem Hüftbeutel hervor und schob es in den Videorecorder. „Das hier ist ein Sehtest, mit dem man in erster Linie Farbenblindheit auf die Spur kommen will. Uns ist es egal, ob sie Muskeln wie ein Hudlarer oder eher wie ein Cinrussker haben, für die wirkliche Knochenarbeit gibt es Maschinen. Sehen müssen Sie allerdings können, und nicht nur das: Sie müssen auch in der Lage sein, deutlich Farben und die feinen Farbschattierungen und — abstufungen zu erkennen, die durch unterschiedlich helle Raumbeleuchtungen hervorgerufen werden. Was sehen Sie dort?“

„Einen Kreis aus roten Punkten, in dem sich ein Stern aus grünen und blauen Punkten befindet“, antwortete Cha Thrat.

„Gut“, sagte Yeppha. „Was ich Ihnen jetzt sagen werde, ist stark vereinfacht, aber wie kompliziert es in Wirklichkeit ist, lernen Sie noch früh genug. Die Wartungsschächte und die Verbindungstunnel sind voller Kabelbäume und Rohrleitungen, die allesamt farblich unterschiedlich gekennzeichnet sind. Dadurch sind die Wartungstechniker in der Lage, auf einen Blick zu sagen, welche Kabel Starkstrom führen und welche die weniger gefährlichen Kommunikationsleitungen beherbergen, oder in welchen Rohren sich Sauerstoff, Chlor, Methan oder organische Abfallstoffe befinden. Die Gefahr der Verseuchung von Stationen durch die Atmosphäre einer artfremden Spezies ist immer gegenwärtig, und man sollte es nicht zulassen, daß sich eine solche Umweltkatastrophe ereignet, nur weil irgendein Einfaltspinsel mit einem Sehfehler die falschen Rohre zusammengesteckt hat. Was sehen Sie jetzt?“

Und so ging es immer weiter: Yeppha ließ Muster mit feinen Farbabstufungen auf dem Bildschirm erscheinen, und Cha Thrat sagte ihm, was sie gerade sah oder nicht sah. Schließlich schaltete der DRVJ das Gerät aus und steckte das Band wieder in den Beutel zurück.

„Sie haben zwar nicht so viele Augen wie ich“, sagte er, „aber sie funktionieren alle gut. Von daher spricht nichts dagegen, daß Sie Ihre Tätigkeit beim Wartungsdienst aufnehmen. Mein allerherzlichstes Beileid. Viel Glück!“

Die ersten drei Tage bestanden ausschließlich aus Übungen, sich ohne Anleitung überall im Hospital zurechtzufinden. Timmins wies sie darauf hin, daß man bei den Wartungstechnikern voraussetze, daß sie schnellstmöglich am Unglücksort einträfen, wann und wo immer sich ein Notfall ereignete, selbst wenn nur eine geringfügige Störung gemeldet würde. Da sie normalerweise auf einem Rollwagen mit Elektroantrieb Werkzeuge oder Ersatzteile mit sich führten, sei ihnen die Benutzung der Hospitalkorridore nur im äußersten Notfall gestattet —, da diese von dem Patienten- und Mitarbeiterverkehr ohnehin schon verstopft genug seien, so daß man keinen unnötigen Stau durch Fahrzeuge riskieren wolle.

Aus diesem Grund sollte Cha Thrat die Verbindung von A nach B mit Umwegen über die Punkte H, P und W finden, ohne die Versorgungsschächte und Tunnel zu verlassen oder irgendwen, dem sie begegnen könnte, nach dem Weg zu fragen. Nicht einmal zum Essen gehen durfte sie eine verbotene Bestimmung ihres Standorts durchführen, und es war ihr nicht einmal gestattet, kurz im Hauptkorridornetz aufzutauchen, um sich dort zu orientieren.

„Es wird sich wahrscheinlich als überflüssig herausstellen, den leichten Schutzanzug zu tragen“, sagte Timmins, während er das Bodengitter direkt vor ihrem Zimmer anhob, „aber Wartungstechniker haben ihn immer an, falls sie durch ein Gebiet müssen, in dem es ein kleines Leck gibt, das noch nicht abgedichtet worden ist und aus dem für die eigene Spezies giftiges Gas austritt. Sie haben Sensoren dabei, die Sie vor allen giftigen Stoffen in der Luft einschließlich radioaktiver Strahlung warnen; außerdem eine Lampe, sofern in einem der Tunnel die Beleuchtung ausgefallen ist; eine Karte, auf der Ihr Weg deutlich eingezeichnet ist; einen Signalgeber, falls Sie sich hoffnungslos verirrt haben oder es zu irgendeinem anderen persönlichen Notfall kommt, und, wenn ich das so sagen darf, mehr als genug Proviant, um nicht nur einen Tag, sondern eine ganze Woche lang zu überleben!

Sie brauchen keine Angst zu haben und sollten versuchen, nicht zu hetzen, Cha Thrat“, fuhr er fort. „Betrachten Sie Ihre Aufgabe als einen ausgedehnten, gemütlichen Spaziergang durch unerforschtes Gebiet mit häufigen Essenspausen. Ich erwarte Sie dann auf der Ebene einhundertzwanzig vor der Einstiegsluke zwölf im Korridor sieben, und zwar in fünfzehn Stunden oder früher.“

Plötzlich lachte er und fügte hinzu: „Möglicherweise auch später.“

Die Wartungstunnel waren zwar sehr gut beleuchtet, aber eng und niedrig — zumindest für die sommaradvanische Spezies —, und wiesen über die gesamte Länge in regelmäßigen Abständen Nischen auf. Diese Nischen waren Cha Thrat insofern rätselhaft, als sich in ihnen weder Kabelstränge noch Rohre oder irgendwelche mechanischen Vorrichtungen befanden. Aber als ein Kelgianer in einem Wagen den Tunnel entlang auf sie zugerast kam und ihr zurief „Zur Seite, Dummkopf!“, wußte sie, wozu sie da waren.