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Von dieser Begegnung abgesehen, schien Cha Thrat den Tunnel für sich allein zu haben, und sie vermochte sich viel leichter fortzubewegen, als sie es je im Hauptkorridor gekonnt hatte, der sich jetzt direkt über ihrem Kopf befand. Durch die Belüftungsgitter hindurch konnte sie deutlich das Bumsen, Pochen und Schlurfen der zur Fortbewegung dienenden Gliedmaßen der Aliens über sich hören und das unbeschreibliche Gewirr von knurrenden, zischenden, krächzenden und piepsenden Stimmen, von denen diese Gehgeräusche begleitet wurden.

Sie bewegte sich stetig vorwärts, achtete darauf, nicht von einem weiteren Fahrzeug überrascht zu werden, als sie die Karte zu Rate zog, und blieb hin und wieder stehen, um sich Beschreibungen der Größe, des Durchmessers und der Farbmarkierungen auf den Schutzummantelungen der Apparaturen, Rohrleitungen und Kabelstränge, die sich überall an den Wänden und an der Decke des Tunnels befanden, auf Band zu sprechen. Durch diese Aufzeichnungen, hatte ihr Timmins erklärt, könne sie ihre Fortschritte während dieses Übungseinsatzes selbst überprüfen und zudem wertvolle Hinweise zur Bestimmung ihres jeweiligen Standorts erhalten.

Die Strom- und Kommunikationsleitungen sahen zwar überall im Hospital gleich aus, aber an Cha Thrats gegenwärtigen Aufenthaltsort trugen die meisten Rohre die Farbmarkierungen für Wasser und die von den warmblütigen Sauerstoffatmern bevorzugten Atmosphäregemische. Unter den Ebenen, auf denen man Chlor, Methan oder heißen Dampf atmete, wären die Farben ganz anders gewesen und dort hätte sie auch einen anderen Schutzanzug tragen müssen.

Eine Apparatur, die nicht zu funktionieren schien, erregte ihre Aufmerksamkeit. Durch die transparente Abdeckung erkannte Cha Thrat einige Signalleuchten und so etwas wie eine Seriennummer, die wahrscheinlich nur für die Wesen etwas bedeutete, die das Ding gebaut hatten, aber bestimmt nicht für jemanden, der nicht mit ihrer Schrift vertraut war. Cha Thrat machte an dem Gerät den Knopf für die akustische Selbsterklärung ausfindig, drückte ihn und schaltete den Translator ein.

„Ich bin eine Reservepumpe in der Trinkwasserversorgungsleitung zur Diätküche der DBLF-Station dreiundachtzig“, verkündete eine Computerstimme. „Ich funktioniere im Bedarfsfall automatisch, bin aber momentan außer Betrieb. Die aufklappbare Inspektionsluke wird geöffnet, indem Sie Ihren Generalschlüssel in den mit einem roten Kreis markierten Schlitz stecken und ihn um neunzig Grad nach rechts drehen. Zur Reparatur oder dem Austausch von Einzelteilen ziehen Sie Wartungsanleitungsband drei, Abschnitt einhundertzwanzig zu Rate. Vergessen Sie nicht, die Luke wieder zu schließen, bevor Sie gehen.

Ich bin eine Reservepumpe.“, ging es wieder von vorne los, aber Cha Thrat nahm ihre Hand vom Knopf und brachte auf diese Weise die Pumpe zum Schweigen.

Anfangs war sie vor dem Gedanken, unaufhörlich den langen und relativ engen Wartungsschächten zu folgen, zurückgeschreckt, obwohl O'Mara Timmins versichert hatte, daß ihr psychologisches Persönlichkeitsbild frei von jeder Veranlagung zur Platzangst sei. Sämtliche Tunnel waren hell erleuchtet, und wie man ihr gesagt hatte, ändere sich das auch nicht, wenn sie lange Zeit nicht betreten wurden. Auf Sommaradva hätte man so etwas als kriminelle Energieverschwendung bezeichnet. Doch im Orbit Hospital fiel der zusätzliche Strombedarf der ständig brennenden Beleuchtung, den der Hauptreaktor decken mußte, nicht weiter ins Gewicht. Zudem wurde er durch die Vermeidung von Wartungsproblemen, die aufgetreten wären, wenn man an jeder Tunnelkreuzung Ein-und-aus-Schalter installiert hätte, mehr als aufgewogen.

Allmählich führte sie ihr Weg von den Korridoren und den fremdartigen, mißtönenden Geräuschen der Wesen, die sie benutzten, fort, und sie kam sich so mutterseelenallein und einsam vor, wie sie es nie für möglich gehalten hätte.

Das Fehlen jeglicher Geräusche von außen ließ das gedämpfte Summen und Klopfen der Strom- und Rohrleitungen um sie herum immer lauter und bedrohlicher erscheinen, und Cha Thrat ging dazu über, wahllos auf irgendwelche akustischen Selbsterklärungsknöpfe zu drücken, nur um eine andere Stimme zu hören — auch wenn diese bloß einer Maschine gehörte, die Auskunft über sich selbst und ihren oftmals rätselhaften Zweck gab.

Hin und wieder ertappte sie sich sogar dabei, wie sie sich bei der Maschine für die Auskunft bedankte.

Die Farbmarkierungen waren allmählich von den Kennzeichnungen für das Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch und Wasser zu denen für Chlor und jener ätzenden Flüssigkeit übergegangen, den der Metabolismus der illensanischen PVSJs zur Erhaltung der Lebensfunktionen benötigte, und die Gänge waren kürzer geworden und wiesen immer mehr Biegungen und Krümmungen auf. Bevor sich ihre Bestürzung in Panik verwandeln konnte, entschloß sich Cha Thrat, es sich in einer Nische so gemütlich wie möglich zu machen, um dort die Proviantmenge, die sie bei sich trug, beträchtlich zu verringern und in Ruhe nachzudenken.

Ihrer Karte zufolge gelangte sie von der PVSJ-Abteilung aus nach unten durch eine der Produktionsanlagen, in denen die von den Chloratmern benötigte Nahrung synthetisch hergestellt wurde, und von dort aus in den Versorgungsabschnitt der wasseratmenden AUGLs. Das erklärte die scheinbar widersprüchlichen Markierungen und die quadratischen Leitungsrohre, die zischten und polterten, wenn die fertig verpackte PVSJ-Nahrung mittels Druck durch sie hindurchbefördert wurde. Ein großer Teil der AUGL-Abteilung war jedoch zu einem Operationssaal und einer postoperativen Beobachtungsstation für PVSJs umgebaut worden, die mit der Hauptabteilung für Chloratmer durch einen in Spiralen ansteigenden Gang verbunden waren, der zum schnellen Transport von Mitarbeitern und Patienten mit Rollbändern ausgestattet war, da die PVSJs aus physiologischen Gründen keine Treppen steigen konnten. Um die komplexe Lage und Anordnung dieser Hindernisse zu umgehen, waren die Biegungen und Krümmungen des Wartungsschachts notwendig. Sobald sie erst einmal wohlbehalten durch diese komplizierte gegenseitige Durchdringung der Wasser- und Chloratmerabteilungen hindurchgekommen sein würde, müßte die Strecke sehr viel einfacher werden.

An Gesellschaft durch Stimmen herrschte kein Mangel. Akustische Warnschilder, die sprachen, egal, ob Cha Thrat auf die Bedienknöpfe drückte oder nicht, wiesen sie an, die Luft ständig auf eine etwaige Verseuchung durch eine andere Atmosphäre zu überprüfen.

Es waren zwar Vorkehrungen getroffen worden, Essen zu sich nehmen zu können, ohne den Schutzanzug öffnen zu müssen, aber nach Cha Thrats Sensoren war die Gegend frei von giftigen Substanzen in gefährlichen Mengen, und deshalb öffnete sie das Visier. Der Geruch, der ihr entgegenschlug, war eine unbeschreibliche Mischung aus sämtlichen scharfen, beißenden, betäubenden, unangenehmen und sogar angenehmen Düften, die sie jemals gerochen hatte, war aber zum Glück nur sehr schwach. Sie nahm schnell einen kleinen Imbiß zu sich, schloß sofort wieder das Visier und ging mit gewachsener Zuversicht weiter.

Drei lange, schnurgerade Tunnelabschnitte später wurde ihr klar, daß

ihre Zuversicht unangebracht war.

Nach ihrer Schätzung der Richtungen und der Entfernung, die sie eingeschlagen, beziehungsweise zurückgelegt hatte, hätte sie sich irgendwo zwischen den Ebenen der Hudlarer und Tralthaner befinden müssen. An den Tunnelwänden hätten die dicken, stark isolierten Stromkabel für die künstlichen Schwerkraftgitter der FROBs und wenigstens eine deutlich gekennzeichnete Rohrleitung für die Versorgung der Sprühbehälter mit dem Nahrungspräparat entlanglaufen müssen, sowie die Leitungen mit der von den FGLIs benötigten Luft, dem Wasser und den zu entsorgenden organischen Ausscheidungen. Doch die vorhandenen Kabelstränge waren mit Farbkombinationen markiert, die dort nicht hingehörten, und die einzige sichtbare Atmosphäreleitung war die Röhre mit dem geringen Durchmesser, die Sauerstoffversorgung des Tunnels. Verärgert über sich selbst drückte Cha Thrat auf den nächsten akustischen Selbsterklärungsknopf.