„Ich bin eine Steuereinheit für den synthetischen Herstellungsprozeß Eins-Zwölf-B, die sich selbst überwacht“, erklärte das Gerät wichtigtuerisch. „Drücken Sie den blauen Knopf, dann wird sich die Zugangsklappe zur Seite schieben. Warnung: Nur das Gehäuse und die akustische Selbsterklärung sind wiederverwendbar. Wenn einzelne Teile schadhaft sind, sind sie nicht zu reparieren, sondern auszuwechseln. Die Zugangsklappe darf nur dann von Angehörigen der Spezies MSVK, LSVO oder anderen Lebensformen mit geringer Strahlentoleranz geöffnet werden, wenn besondere Schutzmaßnahmen getroffen worden sind.“
Cha Thrat hatte kein Verlangen, das Gehäuse zu öffnen, obwohl ihr Strahlenmeßgerät anzeigte, daß die Gegend für ihre Lebensform sicher war. In der nächsten Nische warf sie erneut einen Blick auf die Karte und die Tabelle mit den Farbmarkierungen.
Irgendwie war sie in einen der Abschnitte geraten, in denen es nur vollautomatische Maschinen gab. Die Karte wies fünfzehn derartige Gebiete im Hauptkomplex des Hospitals aus, aber keins davon befand sich auch nur in der Nähe ihrer geplanten Route. Ganz offensichtlich hatte sie eine oder vielleicht sogar eine ganze Reihe von falschen Abzweigungen genommen, gleich nachdem sie den spiralförmigen Tunnel verlassen hatte, der die PVSJ-Station mit dem neuen Operationssaal verband.
Sie machte sich wieder auf den Weg und sah sich dabei genau die Tunnelwände und die Decke an, weil sie hoffte, durch die nächste Veränderung der Farbmarkierungen einen Hinweis darauf zu erhalten, wo sie sich möglicherweise befand. Sie fluchte laut über ihre eigene Dummheit und drückte jeden Selbsterklärungsknopf, an dem sie vorbeikam, gelangte aber bald zu dem Schluß, daß ihr beides nicht viel weiterhalf. Die Entscheidung, keinen unnötigen Lärm mehr zu veranstalten, erwies sich als klug, denn an der nächsten Tunnelkreuzung hörte sie entfernte Stimmen.
Timmins hatte ihr zwar verboten, mit irgend jemandem zu sprechen oder einen der öffentlichen Korridore zu betreten, aber wenn sie sowieso schon hoffnungslos vom Weg abgekommen war, dann sprach ihrer Meinung nichts dagegen, den Seitentunnel zu nehmen und auf die Stimmen zuzugehen. Vielleicht würde es ihr gelingen, durch genaues Hinhorchen an einem der Belüftungsgitter zu den Korridoren ein Gespräch aufzuschnappen, um auf diese Weise einen Hinweis auf ihren momentanen Aufenthaltsort zu bekommen.
Zwar schämte sich Cha Thrat bei diesem Gedanken, aber verglichen mit einigen der Überlegungen, die sie noch vor kurzem hatte anstellen müssen, war dieser Plan nur eine geringe persönliche Schande, mit der sie glaubte, leben zu können.
Die Unterhaltung der entfernten Stimmen wurde immer wieder von langen Pausen unterbrochen. Anfangs waren die Stimmen so leise und so weit entfernt, daß Cha Thrats Translator den Inhalt des Gesprächs nicht übersetzen konnte, und als sie sich endlich der Quelle genähert hatte, verharrten sie gerade wieder in langem Schweigen. Die Folge war, daß Cha Thrat, als sie an die nächste Kreuzung kam, plötzlich vor ihnen stand, bevor sie überhaupt eine Chance hatte, das Gespräch nur zu belauschen.
Es handelte sich um einen kelgianischen DBLF und einen terrestrischen DBDG in den Overalls des Wartungsdiensts, auf denen zusätzlich das Rangabzeichen des Monitorkorps prangte. Zwischen ihnen auf dem Boden lagen Werkzeuge und zerlegte Rohrstücke. Nachdem die beiden Techniker einen kurzen Blick nach oben auf Cha Thrat geworfen hatten, setzten sie ihre Unterhaltung ungerührt fort.
„Ich hatte mich schon die ganze Zeit gefragt, was da eigentlich durch den Tunnel auf uns zukommt und mehr Lärm als ein betrunkener Tralthaner veranstaltet“, sagte der Kelgianer. „Das muß die neue DCNF sein, von der man uns erzählt hat, daß sie heute ihren ersten Tag unter den Korridoren verbringt. Mit der dürfen wir nicht sprechen, obwohl ich dazu sowieso keine Lust hätte. Die sieht ganz schön komisch aus, findest du nicht?“
„Ich würde nicht mal im Traum daran denken, die anzusprechen oder mich von der auch nur ansprechen zu lassen“, erwiderte der DBDG. „Gib mir mal den Elfer-Schlüssel und halt dein Ende fest. Glaubst du, die hat eine Ahnung, wo der Gang hinführt?“
Der Kelgianer drehte seinen kegelförmigen Kopf kurz in die Richtung, in die Cha Thrat weitergehen wollte, und antwortete: „Das weiß sie erst dann, wenn sie das Gefühl gehabt hat, die Tunnelwände kämen langsam auf sie zu, und der drohenden Klaustrophobie mit einem Schuß Agoraphobie durch einen Spaziergang auf der Außenwand entgegenwirken will.“ Dann murmelte er vor sich hin: „Ach, das hier ist einfach keine Arbeit für einen höheren Unteroffizier wie mich, der, wenn es stimmt, was der Major neulich gesagt hat, kurz vor der Beförderung zum Lieutenant des Monitorkorps steht.“
„Das hier ist für niemanden eine Arbeit, also mach dir darüber mal keine Gedanken“, meinte der Terrestrier, wobei er demonstrativ in den Gang zu seiner Linken blickte. „Andererseits könnte sie auch einen Abstecher zur VTXM-Abteilung im Auge haben. Das ist natürlich ganz schön blöd und auch nicht gerade gesund, wenn man nur einen leichten Schutzanzug trägt. Aber Wartungslehrlinge müssen wohl blöd sein, sonst würden sie sich nach irgendeinem anderen Job umsehen.“
Der Kelgianer stieß einen verärgerten Laut aus, der vom Translator nicht übersetzt wurde, und sagte: „Warum haben wir eigentlich in der unendlichen Weite des bislang erforschten Universums noch nie eine Lebensform entdeckt, deren Körperausscheidungen gut riechen?“
„Mein pelziger Freund“, erwiderte der Terrestrier, „ich glaube, damit hast du eine der großen philosophischen Wahrheiten unserer Zeit angeschnitten. Und wo wir schon bei unerklärlichen Phänomenen sind: Wie konnte eine melfanische Dehnsonde der Größe drei in das Abwasserleitungsnetz geraten und durch vier Ebenen gespült werden, bevor sie hier unten alles verstopft hat?“
Cha Thrat sah, wie sich das Fell des Kelgianers unter dem Overall kräuselte, als er entgegnete: „Glaubst du wirklich, daß die DCNF blöd ist? Will die da etwa den ganzen Tag nur dumm rumstehen und uns beobachten? Oder hat sie vor, uns nach Hause zu begleiten?“
„Nach dem, was ich über Sommaradvaner gehört habe“, antwortete der DBDG, wobei er Cha Thrat immer noch nicht direkt ansah, „würde ich nicht sagen, daß sie direkt blöd ist, sondern eher ein bißchen schwer von Begriff.“
„Ausgesprochen schwer von Begriff“, pflichtete ihm der Kelgianer bei.
Doch Cha Thrat war bereits klargeworden, daß das mitgehörte Gespräch drei genaue Hinweise enthalten hatte, die, so sehr sie auch zwischen abwertenden und persönlich beleidigenden Äußerungen versteckt waren, es ihr leicht ermöglichen würden, ihren Standort zu bestimmen und auf die geplante Route zurückzukehren. Einen Moment lang betrachtete sie die zwei Wartungstechniker und bedauerte, daß sie nicht mit ihnen sprechen durfte. Sie verabschiedete sich mit dem sommaradvanischen Zeichen des Danks zwischen Gleichgestellten und wandte sich dann ab, um in die einzige Richtung zu gehen, die die beiden nicht erwähnt hatten.
„Ich glaube, die hat mit dem mittleren Vorderglied irgendeine unanständige Geste gemacht“, bemerkte der Kelgianer.
„An ihrer Stelle hätte ich das auch getan“, antwortete der Terrestrier.
Den restlichen Teil der endlosen Strecke überprüfte Cha Thrat jeden Richtungswechsel zweimal und hielt auf dem Weg zur Ebene einhundertzwanzig unentwegt nach unerwarteten Veränderungen der Farbmarkierungen Ausschau. Sie legte nur noch eine kurze Pause ein, um ein weiteres großes Loch in ihre Lebensmittelvorräte zu reißen. Als sie schließlich die Einstiegsluke zwölf öffnete und in den Korridor sieben stieg, wurde sie dort von Timmins bereits erwartet.