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„Gut gemacht, Cha Thrat, Sie haben es geschafft!“ lobte der Terrestrier sie mit entblößten Zähnen. „Nächstes Mal sollte ich die Strecke ein Stückchen länger und komplizierter gestalten. Danach werde ich Sie schon mal bei ein paar einfacheren Arbeiten aushelfen lassen. Allmählich können Sie ruhig damit anfangen, sich hier Ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“

Erfreut und ein bißchen verwirrt antwortete Cha Thrat: „Ich dachte, ich wäre zu früh am Ziel angekommen. Habe ich Sie lange warten lassen?“

Timmins schüttelte den Kopf „Der Notsignalgeber war nur zu Ihrer persönlichen Beruhigung da, falls Sie sich verirrt geglaubt oder Angst bekommen hätten. Das war Teil des Tests. Doch wir verfolgen unsere Leute ständig über Sensoren, deshalb wußte ich über jede Ihrer Bewegungen Bescheid. Ganz schön hinterhältig von mir, nicht wahr? Aber einmal sind Sie sehr nah an einem Wartungsteam vorbeigekommen. Ich hoffe, Sie haben sich bei denen nicht nach dem Weg erkundigt. Sie kennen ja die Regel.“

Cha Thrat fragte sich, ob es überhaupt eine Regel im Orbit Hospital gab, die so starr war, daß man sie nicht für sich zurechtbiegen konnte, und hoffte, die äußeren Anzeichen für ihre Verlegenheit könnten nicht von einem Mitglied einer fremden Spezies in ihrem Gesicht gelesen werden.

„Nein“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Wir haben kein Wort miteinander gewechselt.“

10. Kapitel

Cha Thrat sollte letztendlich erst dann eine Aufgabe zugeteilt bekommen, wenn Timmins ihr den vollen Umfang und die ganze Vielschichtigkeit der Arbeit gezeigt hatte, die sie eines Tages möglicherweise würde leisten müssen. Es war deutlich zu erkennen, daß der Terrestrier insgeheim auf seinen Wartungsdienst äußerst stolz war und mit gutem Grund ein wenig angab, während er gleichzeitig versuchte, etwas von seinem eigenen Stolz auch Cha Thrat einzuflößen. Zugegeben, bei einem Großteil der Aufgaben handelte es sich um Sklavenarbeit, aber diese hatte auch Seiten, die die Eigenschaften eines Kriegers oder sogar eines niedrigeren Herrschers erforderten. Außerdem wurde man beim Wartungsdienst, anders als auf Sommaradva, wo die Betätigungsfelder streng voneinander abgegrenzt waren, zum Aufstieg in höhere Positionen geradezu ermuntert.

Timmins legte sich mächtig ins Zeug, Cha Thrat zu begeistern, und verbrachte anscheinend einen ungewöhnlich großen Teil seiner Zeit mit nichts anderem, als sie überall herumzuführen.

„Bei allem Respekt“, sagte Cha Thrat nach einem besonders interessanten Rundgang durch die extrem kalten Methanebenen, „nach Ihrem Rang und Ihren offensichtlichen Fähigkeiten zu urteilen, könnten Sie mit Ihrer Zeit etwas Wichtigeres anfangen, als Sie ausgerechnet mit mir zu verbringen — ihrem neuesten und, wie ich befürchte, technisch am wenigsten bewanderten Wartungslehrling. Warum wird mir diese Sonderbehandlung gewährt?“

Timmins lachte leise und antwortete: „Sie dürfen nicht glauben, daß ich gerade wichtigere Arbeiten vernachlässige, um mit Ihnen zusammenzusein, Cha Thrat. Falls ich gebraucht werde, kann man mich jederzeit erreichen. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, daß das passiert, weil sich meine Untergebenen mit aller Gewalt darum bemühen, mir ständig das Gefühl zu geben, hier vollkommen überflüssig zu sein.

Den nächsten Abschnitt werden Sie übrigens besonders interessant finden“, fuhr er fort. „Dabei handelt es sich um die VTXM-Station, die, so seltsam es vielleicht klingt, einen Teil des Hauptreaktors ausmacht. Aus Ihren medizinischen Vorlesungen wissen Sie, daß die Telfi eine Lebensform sind, die eine geschlossene Einheit, eine sogenannte Gestalt bilden und von der direkten Umwandlung harter Strahlung leben. Deshalb müssen alle Untersuchungen und Behandlungen der Patienten mittels ferngesteuerter Sensoren und Greifarme durchgeführt werden. Um dem Wartungsdienst in diesem Bereich zugeteilt zu werden, brauchten Sie eine spezielle Ausbildung in.“

„Eine spezielle Ausbildung bedeutet eine Sonderbehandlung“, unterbrach ihn Cha Thrat, die allmählich die Geduld verlor. „Ich habe Sie schon vorhin danach gefragt: Erhalte ich eine Sonderbehandlung?“

„Ja“, antwortete der Terrestrier in scharfem Ton. Er wartete, bis ein Kühlfahrzeug vorbeigerollt war, in dem einer der kaltblütigen SNLU-Methanatmer saß, und fuhr fort: „Selbstverständlich bekommen Sie eine Sonderbehandlung.“

„Und wieso?“

Timmins schwieg.

„Warum beantworten Sie diese einfache Frage nicht?“ hakte Cha Thrat nach.

„Weil es auf Ihre Frage keine einfache Antwort gibt“, erwiderte der Terrestrier, dessen Gesicht eine dunklere Farbe annahm. „Zudem bin ich mir nicht sicher, ob ausgerechnet ich dafür der Richtige bin, weil ich sie gleichzeitig seelisch verletzen, kränken, beleidigen oder zornig machen könnte.“

Cha Thrat ging einen Augenblick schweigend weiter und sagte schließlich: „Ich glaube, allein durch die Rücksichtnahme auf meine Gefühle sind Sie schon der Richtige. Ein Untergebener, der sich falsch verhalten hat, ist vielleicht wirklich seelisch leicht verletzbar oder leicht in Rage zu bringen, weil er sich womöglich selbst nicht mehr ausstehen kann, aber wenn ein Vorgesetzter ihm etwas zu Recht sagt, kann dieser ihn damit unmöglich kränken oder beleidigen.“

Der Terrestrier schüttelte den Kopf, was, wie Cha Thrat gelernt hatte, entweder eine Verneinung war oder Verwirrung ausdrückte. „Manchmal geben Sie mir das Gefühl, selbst der Untergebene zu sein, Cha Thrat. Aber was soll's? Ich werde versuchen, Ihre Frage zu beantworten. Eine Sonderbehandlung erhalten Sie wegen des Unrechts, das Ihnen von uns angetan worden ist, und aufgrund des psychischen Unbehagens, das wir Ihnen bereitet haben. Es gibt mehrere bedeutende Persönlichkeiten, die sich verpflichtet fühlen, das wiedergutzumachen.“

„Aber diejenige, die sich falsch verhalten hat, bin doch ich“, wandte Cha Thrat verblüfft ein.

„Das stimmt allerdings“, bestätigte Timmins, „aber letztendlich haben wir Ihnen zuerst Unrecht getan, und Ihr Verhalten war die direkte Folge davon. In erster Linie ist das Monitorkorps dafür verantwortlich, Ihnen erlaubt, nein, Sie geradewegs dazu ermuntert zu haben, hierherzukommen und auf die Einstellungsbedingungen zu verzichten. Ihr Vergehen, das sich an diese Mischung aus unangebrachter Dankbarkeit für die Rettung von Chiangs Leben und reinem politischen Opportunismus angeschlossen hat, war nur die unvermeidliche Folge davon.“

„Aber ich wollte ins Orbit Hospital kommen und will auch immer noch hierbleiben“, protestierte Cha Thrat.

„Um sich selbst für die jüngsten Verstöße zu bestrafen?“ fragte Timmins mit ruhiger Stimme. „Ich habe gerade versucht, Sie davon zu überzeugen, daß die wirklich Schuldigen wir sind.“

„Ich bin weder geistig noch moralisch abnorm“, entgegnete Cha Thrat und versuchte, ihren Zorn über Timmins' Äußerung zu zügeln, die auf ihrem Heimatplaneten einer schweren Beleidigung gleichgekommen wäre. „Eine gerechte Strafe nehme ich hin, aber ich trachte nicht danach, sie mir selbst aufzuerlegen. Das Leben hier im Hospital hat zwar einige sehr beunruhigende und unerfreuliche Seiten, doch auf Sommaradva könnte ich in keiner Gesellschaftsschicht derart vielfältige und intensive Erfahrungen sammeln. Das ist der Grund, weshalb ich hier bleiben möchte.“ Der Terrestrier schwieg einen Moment lang und sagte dann: „Conway, O'Mara, Cresk-Sar und einige andere, darunter sogar Hredlichli, waren sich von vornherein sicher, daß Sie für Ihren Wunsch hierzubleiben eher positive als negative Gründe hätten und meine Chancen, Sie zur Rückkehr nach Hause zu bewegen, gering wären.“

Als Cha Thrat wie angewurzelt auf dem Korridor stehenblieb, brach Timmins im Satz ab.

„Haben Sie etwa mit all diesen Aliens meine Täten und Untaten, meine Fähigkeiten beziehungsweise meine Unfähigkeit, vielleicht sogar meine Zukunftsaussichten erörtert, ohne mich zu dieser Besprechung einzuladen?“ fragte sie verärgert.