Das letzte Mal, daß ein Polizeieinsatz des Monitorkorps nicht von einer kriegerischen Handlung zu unterscheiden gewesen war, lag beinahe zwei Jahrzehnte zurück. Damals mußte man das Orbit Hospital selbst gegen die arg fehlgeleiteten Etlaner verteidigen, die inzwischen zu gesetzestreuen Bürgern der Föderation geworden waren. Mittlerweile dienten einige von ihnen sogar im Monitorkorps.
„Heutzutage steht jeder Spezies die Mitgliedschaft im Korps offen“, fuhr Tarsedth fort, „obwohl der Großteil des raumreisenden Personals aus physiologischen Gründen und wegen der Probleme mit der Lebenserhaltung und der Unterbringung an Bord der kleineren Schiffe aus warmblütigen Sauerstoffatmern besteht.
Wie ich schon gesagt habe“, fügte die Kelgianerin hinzu, wobei sie sich nach vorne schlängelte und wieder das Video startete, „beim Korps gibt es für rastlose, abenteuerlustige und die Häuslichkeit verachtende Charaktere wie uns eine Menge interessanter offener Stellen. Du würdest bestimmt keinen Fehler machen, wenn du beitrittst.“
„Ich bin schon beigetreten — worden“, klärte Cha Thrat ihre Freundin auf. „Aber einen G-Schlitten zu fahren ist nicht unbedingt ein Abenteuer.“
Tarsedths Fell richtete sich überrascht zu Stacheln auf, legte sich aber wieder. „Na klar! Natürlich bist du schon Mitglied! Wie dumm von mir, ich hatte ganz vergessen, daß alle nichtmedizinischen Mitarbeiter automatisch ins Monitorkorps gesteckt werden. Und den bei euch üblichen Fahrstil habe ich auch schon kennengelernt — an Selbstmord grenzende Waghalsigkeit ist wohl die treffendste Beschreibung dafür. Aber du hast eine gute Entscheidung getroffen. Meinen Glückwunsch.“
Die Entscheidung war zwar für sie getroffen worden, dachte Cha Thrat verbittert, aber das hieß noch lange nicht, daß sie zwangsläufig falsch gewesen war.
Die beiden Freundinnen hatten sich gemütlich zurückgelehnt, um sich den Rest des Videos über die Geschichte des Monitorkorps anzusehen, als Tarsedths Fell auf einmal wieder in Bewegung geriet.
„Ich mache mir um dich und die Leute vom Korps wirklich etwas Sorgen, Cha Thrat“, sagte die Kelgianerin. „Einige Dinge werden dort ziemlich kleinlich und andere wiederum ganz schön schlampig gehandhabt. Du mußt einfach viel lernen und hart arbeiten. Und überleg dir bloß alles zweimal, bevor du irgend etwas anstellst, das deinen Rausschmiß zur Folge hat.“
11. Kapitel
Die Zeit strich dahin, und Cha Thrat hatte das Gefühl, keinerlei Fortschritte zu machen, bis ihr eines Tages auffiel, daß sie mittlerweile selbst die schwierigen Aufgaben routiniert erledigte, die sie bis vor kurzem niemals bewältigt hätte. Zwar bestand ein Großteil ihrer Tätigkeit aus reinster Sklavenarbeit, aber seltsamerweise wuchs ihr Interesse daran immer mehr, und sie war stolz, wenn sie dabei gute Ergebnisse erzielte. Hin und wieder sorgte die morgendliche Arbeitsverteilung allerdings für eine unangenehme Überraschung.
„Heute werden Sie damit anfangen, Energiezellen und andere Gebrauchsgüter auf das Ambulanzschiff Rhabwar zu schaffen“, trug ihr Timmins auf, wobei er auf seinen Arbeitsplan schaute. „Aber ich möchte, daß Sie vorher noch eine Kleinigkeit erledigen, und zwar sollen Sie auf der AUGL-Station die neuen Dekorationspflanzen anbringen. Lesen Sie aber die Befestigungsanleitung durch, bevor Sie gehen, damit die Ärzte glauben, Sie verstünden was von Ihrer Arbeit. Gibt es ein Problem, Cha Thrat?“
In ihrer Gruppe waren noch andere und ranghöhere Techniker — drei Kelgianer, ein Ianer und ein Orligianer —, die auf die Arbeitsverteilung für den heutigen Tag warteten. Cha Thrat bezweifelte zwar, ob sie die Befähigung besaß, eine der Aufgaben ihrer Kollegen zu übernehmen, aber versuchen mußte sie es trotzdem, auch wenn ihr eigener Auftrag wahrscheinlich viel zu leicht war, als daß der Lieutenant einem Tausch zustimmen würde.
Vielleicht könnte sie den Terrestrier dazu bringen, ihr wie früher eine Art Sonderbehandlung zuteil werden zu lassen, in deren Genuß sie, seit sie im Wartungsdienst beschäftigt war, aus irgendeinem Grund nie wieder gekommen war.
„Ja, es gibt ein Problem“, antwortete Cha Thrat leise, wobei sie hoffte, daß der flehende Unterton in ihrer Stimme bei der Übersetzung verlorenging. „Wie Sie wissen, bin ich bei Oberschwester Hredlichli nicht besonders gut angesehen“, fuhr sie fort, „und wahrscheinlich wird meine Anwesenheit auf der AUGL-Station zumindest verbale Unfreundlichkeiten hervorrufen. Vielleicht legt sich mit der Zeit die Verstimmung, an der zum großen Teil ich schuld bin, aber im Moment halte ich es für besser, jemand anders dorthin zu schicken.“
Timmins betrachtete sie einen Augenblick lang schweigend, lächelte dann und erwiderte: „Gerade im Moment will ich niemand anders als Sie auf die AUGL-Station schicken. Machen Sie sich mal keine Sorgen.
Krachlan“, fuhr er forsch fort, „Sie begeben sich auf Ebene dreiundachtzig. Von dort ist uns schon wieder eine Störung im Stromgleichrichter auf Station vierzehn B gemeldet worden. Vielleicht müssen wir mal das Gerät komplett austauschen.“
Auf dem ganzen Weg zur Ebene der Chalder schäumte Cha Thrat vor Wut, während sie sich fragte, wie ein derart dummer und gefühlloser Mischling aus verschiedenen Spezies wie Timmins zu einem so hohen Rang mit einer solch großen Verantwortung aufgestiegen war, ohne von den Händen, Scheren oder Tentakeln eines Untergebenen tödliche Wunden davongetragen zu haben. Nachdem sie bei der AUGL-Station eingetroffen und unauffällig durch die Wartungstunnelschleuse hineingelangt war, hatte sie sich genügend beruhigt, um sich an einige wenige — sehr wenige — gute Eigenschaften von Timmins zu erinnern.
Als sie sich an die Arbeit machte und sich ihr niemand näherte, war sie erleichtert. Sämtliche Patienten und Schwestern schienen sich am anderen Ende der Station versammelt zu haben, und durch das trübe grüne Wasser hindurch konnte sie verschwommen den charakteristischen Overall eines Mitglieds des Transportteams erkennen. Ganz offensichtlich ging dort hinten etwas sehr Wichtiges vor, was bedeutete, daß sie mit etwas Glück ihre Arbeit ungestört und vor allem unbemerkt zu Ende bringen könnte.
Aber anscheinend sollte es doch nicht ihr Glückstag werden.
„Sie schon wieder“, begrüßte sie die vertraute, spöttische Stimme von Hredlichli, die sich Cha Thrat leise von hinten genähert hatte. „Wie lange werden Sie brauchen, um dieses scheußliche Zeug anzubringen?“ „Fast den ganzen Morgen, Oberschwester“, antwortete Cha Thrat höflich.
Sie wollte mit der Chloratmerin keinen Streit, allerdings hatte es ganz den Anschein, daß eine von ihnen beiden kurz davor war, damit anzufangen. Sie fragte sich, ob es möglich wäre, einer Auseinandersetzung vorzubeugen, indem sie einen Monolog über ein Thema hielt, in dem ihr Hredlichli nicht widersprechen konnte — nämlich über das gesteigerte Wohlbefinden der Patienten.
„Es dauert deshalb so lange, die Pflanzen anzubringen, Oberschwester“, sagte sie schnell, „weil das hier nicht die üblichen Plastiknachahmungen sind. Wie ich gehört habe, sind sie frisch aus Chalderescol eingetroffen. Es handelt sich um eine einheimische Unterwasserpflanze, die sehr robust ist und nur minimalste Pflege benötigt. Sie setzt einen angenehmen Duft frei, der sich im Wasser ausbreitet und auf Patienten, die sich auf dem Weg der Genesung befinden, eine wohltuende psychologische Wirkung haben soll.
Der Wartungsdienst wird den Wuchs und den allgemeinen Zustand der Pflanzen in regelmäßigen Abständen überprüfen und die Nährstoffe bereitstellen“, fuhr sie rasch fort, bevor die Chloratmerin etwas sagen konnte. „Aber mit der Pflege der Pflanzen könnte man ja die Patienten betrauen, um ihrer Langeweile abzuhelfen und ihnen eine interessante Abwechslung zu verschaffen und den Schwestern freie Hand zur Pflege.“