„Cha Thrat“, fiel ihr Hredlichli in scharfem Ton ins Wort, „wollen Sie mir etwa vorschreiben, wie ich meine Station zu führen habe?“
„Nein“, antwortete Cha Thrat und wünschte sich nicht zum ersten Mal in ihrem Leben, daß ihr Mundwerk nicht immer so viel schneller als ihre Gedanken wäre. „Entschuldigung, Oberschwester. Natürlich habe ich mit der Patientenpflege überhaupt nichts mehr zu tun und wollte keineswegs das Gegenteil andeuten. Solange ich mich hier aufhalte, werde ich kein einziges Wort mit einem Patienten wechseln.“
Hredlichli stieß einen unübersetzbaren Laut aus und erwiderte: „Zumindest mit einem Patienten werden Sie heute doch noch sprechen.
Schließlich habe ich Timmins deshalb gebeten, Sie heute hierherzuschicken. Ihr Freund, AUGL-Eins-Sechzehn, fliegt nach Hause, und ich dachte, Sie möchten ihm vielleicht alles Gute wünschen — wie es offenbar gerade alle anderen auf der Station schon machen. Lassen Sie dieses ekelhafte Zeug, mit dem Sie uns beglücken wollen, doch einfach liegen, und erledigen Sie den Kram später.“
Einen Moment lang bekam Cha Thrat kein Wort heraus. Seit dem Wechsel zum Wartungsdienst hatte sie den Kontakt zu ihrem Freund von Chalderescol II verloren und wußte nur, daß er immer noch auf der Liste der im Hospital behandelten Patienten stand. Das höchste, was sie für heute zu hoffen gewagt hatte — und dabei hatte es sich nur um eine reichlich schwache Hoffnung gehandelt —, war, daß ihr Hredlichli gestatten würde, während der Arbeit ein paar Worte mit dem Chalder zu wechseln. Aber diese neue Entwicklung der Dinge kam für sie vollkommen überraschend.
„Danke schön, Oberschwester, das ist wirklich sehr nett von Ihnen.“
Die Chloratmerin gab erneut einen unübersetzbaren Laut von sich. „Seit meiner Ernennung zur Oberschwester habe ich mich dafür stark gemacht, dieses antiquierte Unterwasserverlies renovieren, neu ausstatten und zu etwas umbauen zu lassen, das Ähnlichkeit mit einer richtigen Station hat. Dank Ihnen wird das jetzt endlich durchgeführt, und als ich mich erst einmal von dem anfänglichen Schock über die Zerstörung meiner Station erholt hatte, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß ich Ihnen einen Gefallen schulde.
Trotzdem“, fügte sie hinzu, „würde ich keine endlosen Seelenqualen erleiden, falls ich Sie heute zum letztenmal sehen sollte.“
AUGL-Eins-Sechzehn war bereits in den Transportbehälter geschoben worden. Nur noch die Luke über seinem Kopf war zu schließen, und danach sollte er durch die Schleuse in der Außenwand hindurch bis zum wartenden Chalderschiff gebracht werden. Eine Gruppe, die sich aus alles Gute wünschenden Schwestern, sichtlich ungeduldigen Mitgliedern des Transportteams und dem Terrestrier O'Mara zusammensetzte, hing wie ein Schwarm unbeholfener Fische rings um die Öffnung, aber durch das laute Sprudeln der Wasserfilterungsanlage im Behälter war es schwierig, das Gespräch zu verstehen. Als sich Cha Thrat näherte, winkte der Chefpsychologe die anderen zurück.
„Fassen Sie sich kurz, Cha Thrat, das Team ist schon im Verzug“, sagte O'Mara. Dann entfernte er sich und ließ sie mit dem ehemaligen Patienten allein.
Scheinbar eine ganze Ewigkeit blickte sie schweigend in das gewaltige Auge und auf die riesigen Zähne an dem Teil des Kopfes, der durch die offenstehende Luke sichtbar war, und brachte einfach nicht die Worte heraus, die sie sagen wollte. „Der Behälter sieht sehr klein aus. Haben Sie es darin auch bequem?“ fragte sie schließlich.
„Hier drinnen ist es richtig gemütlich, Cha Thrat“, antwortete der Chalder. „Der Behälter ist eigentlich nicht viel kleiner als mein späteres Quartier auf dem Schiff, aber diese beengten Verhältnisse sind ja nur von vorübergehender Dauer. Schließlich habe ich bald einen ganzen Planeten zum Schwimmen.
Und bevor Sie mich danach fragen“, fuhr der AUGL fort, „mir geht es gut, sogar ganz ausgezeichnet, Sie brauchen diesen schmerzfreien und vor Gesundheit strotzenden Körper also gar nicht erst mit Fragen zu durchlöchern, um meine Lebensfunktionen zu überprüfen.“
„Solche Fragen stelle ich nicht mehr“, entgegnete Cha Thrat und wünschte sich plötzlich, wie die Terrestrier lachen zu können, um zu verbergen, daß ihr nicht zum Lachen zumute war. „Ich bin jetzt beim Wartungsdienst, deshalb sind meine Instrumente viel größer und würden ein ganzes Stück unangenehmer sein.“
„O'Mara hat mir schon davon erzählt. Ist die Arbeit wenigstens interessant?“
Keiner von ihnen, dessen war sich Cha Thrat sicher, sagte das, was er eigentlich sagen wollte.
„Hochinteressant sogar“, antwortete sie. „Ich lerne eine Menge darüber, wie das Hospital im Innern funktioniert, und bekomme dafür vom Monitorkorps auch noch Gehalt, allerdings nicht sehr viel. Sobald ich genügend gespart habe, um Urlaub auf Chalderescol II zu machen, werde ich nachsehen, wie es Ihnen so geht.“
„Wenn Sie mich besuchen, Cha Thrat“, unterbrach sie der AUGL, „werden wir es nicht zulassen, daß Sie auf Chalderescol Ihren schwerverdienten Korpssold ausgeben. Da Sie meinen Namen gebrauchen dürfen und somit praktisch ein außerplanetarisches Mitglied meiner Familie sind, wären meine Verwandten zutiefst gekränkt und würden Sie wahrscheinlich zum Mittagessen verspeisen, falls Sie es trotzdem versuchen sollten.“
„In dem Fall werde ich Sie vermutlich schon bald besuchen kommen“, versprach Cha Thrat fröhlich.
„Wenn Sie jetzt nicht wegschwimmen, wertes Wesen“, sagte einer der Terrestrier im Overall des Transportteams, der neben ihr aufgetaucht war, „schließen wir Sie mit im Behälter ein. Dann können Sie gleich mit Ihrem Freund zusammen nach Chalderescol II fliegen!“
„Muromeshomon.“, sagte sie leise, als sich die Luke schloß, „. mach's gut!“
Während sie zu den noch nicht befestigten Pflanzen zurückschwamm, beschäftigte sich Cha Thrat in Gedanken so sehr mit ihrem Freund von Chalderescol II, daß sie nicht die Ungehörigkeit der Bemerkung bedachte, die sie als eine einfache Technikerin zweiter Klasse gegenüber dern terrestrischen Major des Monitorkorps fallenließ, als sie an ihm vorbeikam.
„O'Mara, ich gratuliere Ihnen zu dieser äußerst erfolgreichen Beschwörung“, sagte sie dankbar.
O'Mara reagierte zwar, indem er den Mund öffnete, doch brachte er nicht einmal einen unübersetzbaren Laut über die Lippen.
Die folgenden drei Tage verbrachte Cha Thrat mit dem Auffüllen der Schiffsvorräte der Rhabwar. Sie schaffte Nahrungsmittel und Gebrauchsgüter für die Besatzung an Bord und brachte überholungsbedürftige Geräte zu den zumeist terrestrischen Wartungstechnikern, die damit betraut waren, das Ambulanzschiff zur höchstmöglichen betrieblichen Leistungsfähigkeit zu bringen. Hin und wieder durfte sie auch beim Einbau einfacherer Gegenstände helfen. Beim nächsten Flug der Rhabwar sollte Diagnostiker Conway, der ehemalige Leiter des medizinischen Teams des Ambulanzschiffs, mit an Bord sein, und die jetzige Besatzung wollte ihm keinen Grund zur Klage geben.
Am vierten Tag bat Timmins Cha Thrat, sich während der Arbeitsverteilung ein wenig zu gedulden, da sie ausnahmsweise mal als letzte an der Reihe sei.
„Sie scheinen an unserem Ambulanzschiff sehr interessiert zu sein“, sagte der Lieutenant, als sie allein waren. „Wie ich gehört habe, sollen Sie andauernd und überall auf und in dem Schiff herumklettern, und zwar meistens dann, wenn niemand mehr an Bord ist und Sie eigentlich dienstfrei haben. Stimmt das?“
„Das stimmt allerdings, Lieutenant“, antwortete Cha Thrat voller Begeisterung. „Und nach dem zu urteilen, was ich dort schon alles gehört und gesehen habe, ist das ein unglaublich komplexes und herrlich funktionelles Schiff, fast eine Miniaturausgabe des Hospitals selbst. Besonders die Vorrichtungen zur Behandlung der Unfallopfer und die Ausrüstung zur Schaffung der geeigneten Umweltbedingungen für fremde Spezies sind.“ Sie brach mitten im Satz ab, um vorsichtig hinzuzufügen: „Selbstverständlich würde ich nie auf die Idee kommen, irgendeins dieser Geräte ohne Erlaubnis auszuprobieren oder gar zu benutzen.“