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Plötzlich blickte Khone vom Scanner auf. „Die sommaradvanische Ärztin ist größer als erwartet“, stellte sie fest, und Prilicla brauchte Cha Thrat nicht erst zu sagen, daß die Gogleskanerin nun große Angst hatte.

Cha Thrat verharrte einen Moment lang in der Vorwärtsbewegung und sagte dann: „Die sommaradvanische Heilerin wird der Patientin trotz ihrer Größe nicht mehr antun als das modellierte Ebenbild auf dem Tisch. Das muß die Patientin unbedingt wissen.“

„Die Patientin weiß das“, bestätigte Khone mit einem deutlichen Anflug von Angst in der Stimme. „Aber hat die sommaradvanische Heilerin schon einmal Alpträume gehabt, in denen sie von bösen und schrecklichen Kreaturen aus dem Unterbewußtsein verfolgt und gejagt wird, die sie umbringen wollen? Und hat sie je versucht, anstatt in blinder Angst davonzulaufen, mitten in einem solchen Alptraum stehenzubleiben, gründlich über ihr panisches Entsetzen nachzudenken und sich umzudrehen, um diesen furchtbaren Hirngespinsten ins Gesicht zu sehen und sich zu bemühen, diese Monster als Freunde zu betrachten?“

Beschämt antwortete Cha Thrat: „Entschuldigung. Das Verhalten der Patientin, die etwas zu tun versucht, nein, die wirklich etwas schafft, das für die dumme und rücksichtslose Heilerin von Sommaradva ein Ding der Unmöglichkeit wäre, ist wirklich bewundernswert.“

In ihrem Kopfhörer ertönte Priliclas Stimme. „Sie haben Freundin Khone zwar ein ganzes Stück verunsichert, Cha Thrat, aber ihre Angst hat sich jetzt wieder ein bißchen gelegt.“

Sie nutzte die Gelegenheit, sich ein wenig zu nähern und fuhr fort: „Es ist klar, daß die Patientin gegenüber der Sommaradvanerin freundliche Absichten hegt, und jede mögliche Verletzung der Heilerin Folge einer rein instinktiven Reaktion oder eines Unfalls wäre. Beide Möglichkeiten können vermieden werden, indem man die Stacheln unschädlich macht.“

Khones Reaktion auf diesen Vorschlag hatten sowohl Prilicla als auch Cha Thrat schwere Sorgen bereitet, aber für die Patientin lief die Zeit langsam ab, und wenn wirklich etwas für sie getan werden sollte, gab es zu dem Bedecken der Stacheln mit Schutzkappen keine wirkliche Alternative, und das wußte die kleine Gogleskanerin so gut wie alle anderen. Praktisch wurde sie darum gebeten, ihre einzige verbliebene Waffe zu übergeben.

Cha Thrat traute sich nicht, auch nur einen anderen Muskel als die Stimmbänder zu rühren, und die waren bereits schwer überanstrengt. Sie versuchte, gleichzeitig Khones Unterbewußtsein und deren bereits halb umgestimmtes Bewußtsein davon zu überzeugen, daß Waffen in einer wirklich zivilisierten Gesellschaft überflüssig seien. Sie sagte ihr, daß weibliche Wesen gerade beim Kinderkriegen zusammenhalten müßten, und sprach von ihren persönlichsten Gefühlen, die größtenteils eher belanglos als löblich seien, von ihrem bisherigen Leben und beruflichen Werdegang auf Sommaradva und am Orbit Hospital und von den Dingen, die sie an beiden Orten falsch gemacht hatte.

Die ungeduldig beim Krankentransporter wartenden Teammitglieder dürften sich nach Cha Thrats Befürchtungen allmählich fragen, ob sie sich eine Herrscherkrankheit zugezogen und jeden realen Bezug zur gegenwärtigen Lage längst verloren hatte, aber für eine Unterbrechung und lange Erklärungen war jetzt keine Zeit. Irgendwie mußte sie tief bis ins verborgenste Unterbewußtsein der Gogleskanerin vordringen, um die FOKT zu der Einsicht zu bringen, daß sie, eine sommaradvanische Chirurgin für Krieger, durch ihre vorbehaltlosen Offenbarungen psychologisch ebenso schütz- und wehrlos war wie umgekehrt Khone durch die Preisgabe ihrer einzigen natürlichen Waffe.

Cha Thrat konnte Naydrads Stimme hören, die vom Mikrofon des Cinrusskers aufgefangen wurde und gerade zu wissen verlangte, ob Khone nicht nur Ärztin, sondern auch Psychologin sei. Wenn ja, habe sich diese dämliche Sommaradvanerin auf jeden Fall den falschen Zeitpunkt ausgesucht, um sich bei ihr auf die Couch zu legen! Prilicla gab darauf keine Antwort, und Cha Thrat fuhr fort, in aller Ruhe auf die Patientin einzureden, deren Stimme, wie auch alles andere an ihr, vor Angst wie gelähmt zu sein schien. Zu guter Letzt riefen die Bemühungen der Sommaradvanerin plötzlich doch noch eine Reaktion hervor.

„Die Sommaradvanerin hat Probleme“, sagte Khone. „Aber wenn intelligente Wesen nicht hin und wieder Dummheiten machen würden, gäbe es überhaupt keinen Fortschritt.“

Cha Thrat war sich nicht sicher, ob diese Äußerung der Gogleskanerin irgendeine tiefe philosophische Wahrheit darstellte oder lediglich das Produkt eines von Schmerzen und Verwirrung getrübten Verstandes war, und antwortete nur: „Die Probleme der Patientin scheinen mir weitaus dringlicher.“

„Diesbezüglich gibt es keinerlei Einwand“, stimmte Khone ihr umständlich zu. „Also gut, die Stacheln dürfen mit Kappen abgedeckt werden. Aber die Patientin darf nur von der Maschine berührt werden.“

Cha Thrat seufzte; die Hoffnung, ein paar ganz persönliche Enthüllungen könnten die geistig-seelische Ausrichtung von Jahrtausenden durchbrechen, war sehr vermessen gewesen. Ohne sich weiter zu nähern, hielt sie den Scanner mit der langen Zange in Position und öffnete mit der hinteren Mittelgliedmaße ihre Tasche, damit die Greifer der Sonde, die von Naydrad mit großer Genauigkeit gesteuert wurden, die Schutzkappen für die Stacheln herausholen konnten.

Diese Kappen waren dafür vorgesehen, die nadelspitzen Stacheln zu bedecken und gleichzeitig das Gift herauszusaugen. Waren sie erst einmal übergestülpt, setzten sie ein Haftmittel frei, das einen festen Sitz garantierte, bis sich Khone im Orbit Hospital befand. Natürlich war diese Eigenschaft der Kappen der Patientin gegenüber nicht erwähnt worden. Aber mit den Klangverfälschern, die jeden Ruf nach Zusammenschluß für die übrigen Stadtbewohner unhörbar machten, und den entschärften Stacheln würde die Gogleskanerin nicht mehr in der Lage sein, den direkten Körperkontakt mit einem dieser entsetzlichen Außerplanetarier selbständig zu verhindern.

Angesichts des sich rapide verschlechternden Krankheitsbilds war es um so besser, je früher das geschah.

Doch Khone war nicht dumm und hatte wahrscheinlich schon begriffen, was passieren würde. Das wäre zumindest eine Erklärung für ihre zunehmende Unruhe, als erst zwei, und schließlich drei der vier Kappen auf ihren Stacheln angebracht waren. Mit letzter Kraft warf sie jetzt den Kopf von einer Seite zur anderen und verhinderte dadurch absichtlich das Überstülpen der letzten Kappe, und Cha Thrat gab sich alle Mühe, Khones Gedanken schnell auf etwas anderes zu lenken.

„Wie man deutlich auf den Displays des Scanners und der Biosensoren sehen kann, liegt der Fötus quer zum Gebärmutterhals und kann sich nicht aus dieser Lage befreien“, sagte Cha Thrat, wiederum ohne jemanden direkt anzusprechen. „Dabei drückt er auf wichtige Blutgefäße und Nervenverbindungen, die zum mittleren und unteren Teil des Körpers der Mutter führen, was dort den Verlust der Muskelfunktionen und eine Beeinträchtigung des Gefühls verursacht und zum Absterben der betreffenden Bereiche führen wird, wenn man keine Abhilfe schafft. Darüber hinaus wird auch die Nabelschnur immer mehr zusammengeschnürt, da die unwillkürlichen Muskeln weiterhin versuchen, den Fötus herauszudrücken. Der Herzschlag des Fötus ist schwach, schnell und unregelmäßig, und die Lebensfunktionen der Mutter sind ebenfalls stark beeinträchtigt. Kann die Patientin irgendeinen Vorschlag oder eine Anmerkung zu diesem Fall machen?“

Khone antwortete nicht.

Einzig Prilicla mußte wissen, wie sehr Cha Thrats kühler, unpersönlicher Ton ihren wahren Gefühlen für das unglaublich tapfere kleine Geschöpf widersprach, das wie ein umgefallenes Heumandl so dicht vor ihr lag, ihr aber gleichzeitig zu weit in die unstofflichen Tiefen des Bewußtseins entrückt war, um ihr helfen zu können. Dennoch ähnelten sie sich jetzt in vielerlei Hinsicht, wie Cha Thrat meinte. Beide waren sie Risiken eingegangen, zu denen kein anderes Mitglied ihrer Spezies bereit gewesen wäre: Sie selbst hatte eine außerplanetarische Lebensform behandelt, der sie nie zuvor begegnet war, und Khone hatte sich freiwillig für eine Behandlung durch Außerplanetarier angeboten. Doch Khone war von ihnen beiden die tapferere und trug das größere Risiko.