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Bevor Cha Thrat etwas entgegnen konnte, fuhr sie fort: „Bei Khone haben Sie wirklich sehr gute Arbeit geleistet, obwohl ich mir immer noch nicht ganz sicher bin, was da genau passiert ist, aber auf jeden Fall hatten Sie Glück. Wie hätten Sie sich gefühlt, wenn Khone oder das Kind oder beide gestorben wären? Und was noch wichtiger ist, was hätten Sie sich dann selbst angetan?“

„Nichts“, antwortete Cha Thrat und hielt sich verzweifelt vor Augen, daß der Ausdruck auf dem rosa Gesicht unter ihr nur wohlwollende Sorge um eine Untergebene von einer anderen Spezies und nichts Persönlicheres bedeutete. Schnell fuhr sie fort: „Ich hätte mich zwar sehr schlecht gefühlt, aber mich nicht noch einmal selbst verletzt. Die ethischen Grundsätze einer Chirurgin für Krieger sind streng, und selbst auf Sommaradva hat es Kollegen gegeben, die sie nicht so strikt befolgt haben wie ich und mich deswegen beneidet haben und mich nicht leiden konnten. Für mich behalten diese Grundsätze zwar ihre Gültigkeit, aber im Orbit Hospital und auf Goglesk gelten andere, die genauso ihre Berechtigung haben. Diesbezüglich haben sich meine Standpunkte durchaus verändert…“

Sie brach ab, da sie befürchtete, schon zu viel gesagt zu haben, aber der Pathologin war anscheinend nicht aufgefallen, daß sie den Plural benutzt hatte, als sie gleich von mehreren Standpunkten sprach.

„Wir nennen so etwas „seinen Horizont erweitern““, entgegnete Murchison. „Mir fällt ein Stein vom Herzen, und ich freue mich für Sie, Cha Thrat. Es ist wirklich schade, daß Sie. Na ja, was ich vorhin gesagt habe, daß Ihr Wechsel für den Wartungsdienst ein Gewinn und für uns ein Verlust ist, war ernstgemeint. Ihre Vorgesetzten finden den Umgang mit Ihnen manchmal ein bißchen schwierig, und nach den Vorfällen mit dem Chalder und dem Hudlarer kann ich mir nicht vorstellen, daß Sie noch von irgend jemandem zur Ausbildung auf einer Station angenommen werden. Aber wenn Sie warten, bis sich die Aufregung gelegt hat, und nichts mehr anstellen, um aufzufallen, könnte ich mit ein paar Leuten darüber reden, Sie wieder zum medizinischen Personal zurückversetzen zu lassen. Was halten Sie davon?“

„Ich wäre Ihnen dafür sehr dankbar“, antwortete Cha Thrat und suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, dieses Gespräch mit einem Wesen zu beenden, das nicht nur ein mitfühlendes und verständnisvolles Naturell hatte, sondern dessen körperliche Seiten in ihr noch ganz andere Gefühle hervorriefen, die normalerweise mit dem Geschlechtstrieb in Zusammenhang standen. Nach ihrem Dafürhalten handelte es sich hierbei ganz eindeutig um ein Problem, das nur durch eine von O'Maras Beschwörungen gelöst werden konnte, und um auf ein anderes Thema zu kommen, fügte sie hinzu: „Außerdem habe ich Hunger.“

„Hunger?“ rief Murchison erstaunt. Als sich die Terrestrierin wieder der Leiter zuwandte, um weiter in Richtung Kantine zu klettern, lachte sie plötzlich und sagte: „Wissen Sie, Cha Thrat, manchmal erinnern Sie mich an meinen Lebensgefährten.“

Cha Thrat erstarrte für einen Augenblick, dann faßte sie entschlossen nach der Leiter.

Nach dem Essen war Cha Thrat zwar in der Lage, sich auszuruhen, aber es gelang ihr nicht, zu schlafen, und nachdem sie sich drei Stunden lang vergeblich abgemüht hatte, brach sie weitere Versuche unter dem Vorwand ab, Khones Lebenserhaltungs- und Nahrungsversorgungssysteme überprüfen zu müssen. Sie traf die Gogleskanerin ebenfalls wach an, und während Khone liebevoll ihr Kind fütterte, unterhielten sie sich leise. Kurz darauf waren beide FOKTs eingeschlafen, und Cha Thrat blieb sich allein überlassen. Eine ganze Weile starrte sie schweigend auf die Formenvielfalt der Geräte auf dem Unfalldeck, die in der Nachtbeleuchtung wie unheimliche, mechanische Trugbilder aussahen, bis auf einmal Prilicla angeflogen kam.

„Konnten Sie sich schon mit Freundin Khone unterhalten?“ erkundigte sich Cinrussker, der über den beiden FOKTs schwebte.

„Ja“, antwortete Cha Thrat. „Sie wird Ihrem Vorschlag folgen, uns nicht in Verlegenheit zu bringen.“

„Danke, meine Freundin. Ich spüre, daß die anderen jetzt auch aufwachen und sich gleich zu uns gesellen werden. Wir müßten jeden Moment am Unglücksort.“

Er wurde von einem doppelten Gongton unterbrochen, der den Wiedereintritt des Schiffs in den Normalraum ankündigte, und ein paar Minuten später folgte die Stimme von Lieutenant Haslam aus dem Kontrollraum.

„Unsere weitreichenden Sensoren haben Kontakt mit einem großen Schiff“, meldete der Kommunikationsoffizier. „Es gibt keine Anzeichen für abnorme Strahlungswerte, keine sich ausbreitenden Trümmerwolken und auch keine Spur von einer Fehl&nktion, die durch ein Unglück herbeigeführt worden sein könnte. Das Schiff dreht sich sowohl um die Längsachse als auch langsam um die Querachse. Wir stellen das Teleskop auf die Sensorpeilung ein und übertragen das Bild auf Ihren Repeaterschirm.“

In der Mitte des Bildschirms erschien ein schmales, verschwommenes Dreieck, das schärfer wurde, als Haslam die Brennweite richtig einstellte.

„Halten Sie sich für maximalen Schub in zehn Minuten bereit“, fuhr Haslam fort. „Schwerkraftkompensatoren auf drei Ge eingestellt. Wir müßten das Schiff in weniger als zwei Stunden erreicht haben.“

Cha Thrat und Khone betrachteten den Bildschirm zusammen mit dem medizinischen Team, dessen große Ungeduld Prilicla zum Zittern brachte. Sie hatten alles so weit vorbereitet, wie es unter diesen Umständen möglich war; die mehr ins Detail gehenden Vorkehrungen mußten warten, bis man eine ungefähre Vorstellung von der physiologischen Klassifikation der Aliens hatte, die womöglich demnächst gerettet werden könnten. Doch dem Captain des Schiffs war es bereits jetzt möglich, erste Schlußfolgerungen zu ziehen, selbst aus dieser großer Entfernung.

„Unserem Astronavigationscomputer zufolge liegt die nächste Sonne elf Lichtjahre entfernt, und die hat keine Planeten, also kann das Schiff nicht von dort gekommen sein“, folgerte Fletcher. „Trotz seiner Größe ist es viel zu klein, um ein Generationsschiff zu sein, von daher benutzt es höchstwahrscheinlich eine Hyperantriebsart, die unserer gleicht. Ansonsten weist es aber keinerlei Ähnlichkeit mit irgendeinem der außer oder in Betrieb genommenen oder noch im Bau befindlichen Schiffe im Flottenverzeichnis der Föderation auf.

Trotz der enormen Größe besitzt es die aerodynamisch günstige Dreiecksform, die typisch für ein Schiff ist, das in einer Planetenatmosphäre manövrieren muß“, fuhr der Captain fort. „Die meisten uns bekannten Spezies, die durch den Raum reisen können, ziehen es aber aus technischen und wirtschaftlichen Gründen vor, ihre gleichermaßen für den Atmosphäre- als auch für den Raumflug konstruierten Schiffe möglichst klein zu halten. Die größeren Schiffe, die nicht zum Landen vorgesehen sind, werden im Orbit gebaut, wo die stromlinienförmige Gestaltung überflüssig ist. Bei den zwei Ausnahmen, von denen ich weiß, handelt es sich um Lebensformen, die ihre kombinierten Raum-Atmosphäreschiffe groß anlegen müssen, weil die zum Flug benötigte Besatzung selbst in riesigen Körpern steckt.“

„Na prima!“ freute sich Naydrad. „Also retten wir einen Haufen Riesen!“

„Das ist im Augenblick pure Spekulation“, gab der Captain zu bedenken. „Auf Ihrem Schirm ist das zwar nicht zu sehen, aber wir sind gerade dabei, ein paar Einzelheiten der Konstruktion zu analysieren. Dieses Schiff ist nicht gerade von Uhrmachern zusammengesetzt worden. Die Konstruktionsphilosophie scheint allgemein eher auf Einfachheit und Stabilität ausgerichtet gewesen zu sein als auf Raffiniertheit. Wir können jetzt langsam kleine Einstiegs- und Inspektionsluken sowie zwei sehr große Umrisse ausmachen, bei denen es sich um Einlaßschleusen handeln muß. Obwohl das natürlich auch Frachtschleusen sein können, die nur nebenbei körperlich kleinen Besatzungsmitgliedern zum Einsteigen dienen. Dennoch ist es wahrscheinlicher, daß die Insassen zu einer sehr großen und massiven Lebensform gehören.“