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„Cha Thrat, hinter Ihnen!“

Aber da war es schon zu spät.

Ihre gesamte Aufmerksamkeit war nach vorne und zu den Seiten gerichtet gewesen, wo die größte Gefahr lag. Als sie die erstaunlich leichte Berührung spürte, der ein Taubheitsgefühl im Nacken folgte, dachte ein kühler, distanzierter Teil ihres Verstands, daß es sehr rücksichtsvoll von dem Wesen sei, die Stelle vor dem Einführen der Ranken zu betäuben. Sie verdrehte ein Auge nach hinten, um zu sehen, was dort vorging, und hob instinktiv die Hände der Oberarme, um die Scheibe wegzuschieben, die sich vom toten FGHJ gelöst und sich an sie geheftet hatte. Aber ihre Hände tasteten nur schwach umher, die Finger verloren schlagartig alle Kraft, und die Arme fielen schlaff nach unten.

Andere Teile ihres Körpers versagten den Dienst oder fingen an, unkontrolliert und unkoordiniert zu zucken, wie man es allenfalls bei einem Lebewesen mit einem ernsthaften Gehirnschaden beobachten könnte. Dem gelassenen, unbeteiligten Teil ihres Verstands kam der Gedanke, daß ihr Zustand für ihre Freunde kein angenehmer Anblick sein mußte.

„Wehren Sie sich, Cha Thrat!“ schrie Murchisons Stimme aus dem Kopfhörer. „Was es auch mit Ihnen anstellt, wehren Sie sich! Wir sind auf dem Weg!“

Cha Thrat vernahm zwar den besorgten Unterton in der Stimme der Pathologin und war ihr dafür dankbar, doch die Zunge gehörte zu den Organen, die im Moment gerade nicht funktionierten, weil ihr der Mund wie zugeschnürt war. Alles in allem befand sie sich in einem Zustand beträchtlicher physiologischer Verwirrung, da die Muskeln nicht mit dem unkontrollierten Zucken aufhören wollten, der Körper sich in der Schwerelosigkeit in Krümmungen hin und her wand und wahllos verschiedene Bereiche der Haut von Hitze- und Kälteschauern, Schmerz- und Lustgefühlen befallen wurden. Sie wußte, daß das Wesen gerade ihr zentrales Nervensystem erkundete und herauszufinden versuchte, wie ihr sommaradvanischer Körper funktionierte, damit es sie kontrollieren konnte.

Ganz allmählich ließen die Zuckungen und Verrenkungen und selbst die Angst nach und verschwanden schließlich völlig, und plötzlich war Cha Thrats Körper in der Lage, den unterbrochenen Weg fortzusetzen. Die Kameralinse folgte ihr mit einem Schwenk. Als sie die Tür erreichte, schlug sie sie zu und verriegelte sie mit Verschlüssen, die ihr auf einmal vertraut vorkamen.

„Cha Thrat, was machen Sie da?“ fragte Fletcher in scharfem Ton.

Es war doch sonnenklar, daß sie die Tür von innen verschloß, dachte Cha Thrat gereizt. Wahrscheinlich meinte der Captain, warum sie das tat. Sie versuchte zu antworten, doch die Lippen und die Zunge wollten nicht funktionieren. Aber sicherlich würden ihre Handlungen allen klarmachen, daß sie und dieses Etwas, sie beide eben, nicht gestört werden wollten.

19. Kapitel

Sie sprachen schon wieder alle gleichzeitig. Cha Thrat mußte den Kopfhörer nach hinten schieben, um das plötzliche Heulen des Translators zu dämpfen, zumal sie bei diesem Lärm keine klaren Gedanken fassen konnte. Die Kamera folgte ihr noch immer, und schließlich mußte man den Sinn ihres Handelns begriffen haben, denn das Geplapper verstummte rasch und wurde zu der Stimme Priliclas.

„Meine Freundin, hören Sie mir jetzt genau zu. Irgendeine parasitäre Lebensform hat sich an Sie geheftet, und der Charakter Ihrer emotionalen Ausstrahlung verändert sich. Versuchen Sie möglichst. nein, versuchen Sie mit aller Kraft, sich den Parasiten vom Hinterkopf zu reißen, und machen Sie, daß Sie nach draußen kommen, bevor sich Ihr Zustand weiter verschlechtert!“

„Ich bin völlig in Ordnung“, protestierte Cha Thrat. „Ehrlich, mir geht es gut. Lassen Sie mich einfach in Ruhe, bis ich.“

„Aber Ihre Gedanken und Gefühle sind nicht mehr Ihre eigenen!“ fiel ihr Murchison ins Wort. „Wehren Sie sich, verdammt noch mal! Versuchen Sie, die Kontrolle über Ihren Verstand zu behalten! Bemühen Sie sich wenigstens, wieder die Tür zu öffnen, damit wir keine Zeit damit verlieren müssen, ein Loch hineinzuschweißen, wenn wir zu Ihnen kommen.“

„Nein!“ widersprach der Captain in bestimmtem Ton. „Tut mir leid, Cha Thrat, aber das medizinische Team wird das Schiff nicht verlassen.“

Der sich daraus ergebende Streit überlastete sogleich wieder Cha Thrats Translator und machte es ihr unmöglich, mit irgendeinem von ihnen zu sprechen. Doch gab es im Verlauf der Auseinandersetzung auch einige Abschnitte, die sie deutlich verstehen konnte, insbesondere, wenn Fletcher mit seiner Herrscherstimme sprach.

Der Captain erinnerte sie daran, und forderte Prilicla auf, dies zu bestätigen, daß unter den gegebenen Umständen die strengstmöglichen Quarantänebestimmungen galten. Sie waren auf eine neue Lebensform gestoßen, die sich die Erinnerung, Persönlichkeit und Intelligenz ihrer Opfer einverleibte und sie zu unvernünftigen Tieren machte. Überdies konnten sich die Wesen, nach dem jüngst bei der Technikerin Cha Thrat beobachteten Vorfall zu urteilen, an jede Spezies anpassen und sie rasch kontrollieren.

Bislang versuchte niemand, Fletcher zu unterbrechen. „Das könnte bedeuten, daß diese Scheiben nicht vom Heimatplaneten der FGHJs stammen, sondern an irgendeinem anderen Ort aufs Schiff gelangt sind, und daß sie das, was sie eben mit Cha Thrat gemacht haben, den Mitgliedern jeder intelligenten Spezies in der Föderation antun könnten!“ fuhr der Captain fort. „Ich habe keine Ahnung, was sie dazu treibt, weshalb sie sich damit begnügen, ihren Opfern den Verstand auszusaugen, anstatt sich vom Körper zu ernähren. Ich will auch gar nicht darüber nachdenken und auch nicht darüber, auf welche Weise oder mit welcher Geschwindigkeit sie sich vermehren. In dem Raum bei Cha Thrat befinden sich Dutzende von diesen Intelligenzsaugern, und sie sind so klein, daß sich noch mehr von ihnen in allen möglichen Ecken auf dem gesamten Schiff verstecken könnten.

Bevor wir nicht einen anständig ausgerüsteten und geschützten Entgiftungstrupp hinübergeschickt haben, bleibt mir nichts anderes übrig, als den Bordtunnel zu verschließen und davor eine Wache zu postieren. Diese Geschichte ist für uns etwas völlig Neues, und es kann gut sein, daß das Hospital die vollständige Zerstörung des Schiffs samt allem, was sich an Bord befindet, anordnen wird.

Wenn Sie alle mal einen Moment lang darüber nachdenken“, schloß der Captain, der sich ganz so anhörte, als sei er mit sich selbst sehr unglücklich, „dann werden Sie einsehen, daß wir es keinesfalls riskieren dürfen, diese Lebensform auf die Rhabwar gelangen oder gar ins Orbit Hospital.“

Eine Weile herrschte absolute Stille, in der sich das Team die Worte des Captains durch den Kopf gehen ließ, und Cha Thrat dachte über diese seltsame Geschichte nach, die ihr zugestoßen war und immer noch zustieß.

Bei dem Versuch, Khone zu helfen, hatte sie damals am eigenen Leib einen Zusammenschluß erfahren und zugleich den Schreck, die Verwirrung und die Aufregung darüber, daß eine ihr völlig fremde Persönlichkeit in ihre Gedanken eingedrungen war, die aber nie die Kontrolle übernommen hatte. Der Eindruck war dadurch noch eigenartiger und erschreckender geworden, daß das Gehirn der Gogleskanerin auch Erfahrungen eines früheren Zusammenschlusses mit einem Verstand enthalten hatte, dessen Erinnerungen noch verwirrender waren, nämlich dem des Terrestriers Conway. Doch das gegenwärtige Gefühl war völlig anders. Die Annäherung und das Eindringen des Wesens waren sanft, beruhigend und sogar angenehm gewesen und hatten bei Cha Thrat den Eindruck eines durch lebenslange Erfahrung perfektionierten Vorgangs hervorgerufen. Aber wie sie selbst schien nun auch der Eindringling von dem Inhalt ihres teils sommaradvanischen, teils gogleskanischen und teils terrestrischen Verstands höchst verwirrt zu sein und hatte deswegen Mühe, ihren Körper zu steuern. Sie war sich über seine Absichten noch immer nicht im klaren, hatte aber kaum Zweifel, daß sie noch sie selbst war und mit jeder Sekunde mehr und mehr über den Alien erfuhr.