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Durch diese anscheinend unsinnige Frage verblüfft, antwortete Cha Thrat: „Unserer Redefreiheit sind keinerlei Einschränkungen auferlegt. Auf Sommaradva gibt es drei gesellschaftliche Klassen — Sklaven, Krieger und Herrscher — sowie drei Klassen von Heilern, die für sie sorgen.“

Auf der untersten Stufe befanden sich die Sklaven, Sommaradvaner, deren Arbeit keine großen Anforderungen stellte und immer die gleichen Abläufe hatte. Diese Tätigkeiten waren zwar in vieler Hinsicht wichtig, aber vollkommen ungefährlich. Der Kreis der Sklaven war zufrieden und vor schweren körperlichen Schäden geschützt, und die für ihr Wohlergehen verantwortlichen Heiler wandten sehr einfache Verfahren und Arzneien wie Krauter, Wickel und andere traditionelle Heilmittel an. Die zweite Klasse, nicht so groß wie die der Sklaven, bildeten die Krieger, die verantwortungsvolle Positionen bekleideten und häufig großen körperlichen Gefahren ausgesetzt waren.

Zwar hatte es seit vielen Generationen keinen Krieg mehr auf Sommaradva gegeben, aber die Krieger hatten trotzdem ihre Bezeichnung beibehalten. Sie waren die Nachfahren der Sommaradvaner, die gekämpft hatten, um ihre Heimatländer zu schützen. Sie lebten damals von der Jagd, legten Stadtbefestigungen an und verrichteten ganz allgemein die gefährlichen und verantwortungsvollen Arbeiten, während sich um ihre körperlichen Bedürfnisse die Sklaven kümmerten. Heutzutage waren die Angehörigen dieser Klasse Ingenieure, Techniker und Wissenschaftler, die nach wie vor die lebensgefährlichen Arbeiten leisteten, die mit Bergbau, Energieerzeugung, Großbauten und dem Schutz der Herrscher zusammenhingen. Aus diesem Grund lag es in der Natur der Sache, daß die Verletzungen der Krieger einst wie heute durch Gewalteinwirkung zustande kamen und chirurgische Eingriffe erforderlich machten. Und diese Aufgabe fiel in den Verantwortungsbereich der Chirurgen für Krieger.

Die Heiler für Herrscher trugen eine zwar noch größere Verantwortung, doch brachte ihnen ihre Tätigkeit zuweilen viel weniger Belohnung oder Befriedigung ein.

Gegen sämtliche Unfälle und Verletzungen geschützt, stellte die Klasse der Herrscher die Administratoren, Akademiker, Forscher und Planer auf Sommaradva. Sie waren diejenigen, die mit der reibungslosen Führung der Städte, Kontinente und des gesamten Planeten betraut waren, und die Krankheiten, von denen sie befallen wurden, entsprangen ausnahmslos Trugbildern ihrer Phantasie. Ihre Heiler beschäftigten sich ausschließlich mit Zauberei, Beschwörungen, Wunderheilung und all den anderen Seiten nichtnaturwissenschaftlicher Medizin.

„Schon in frühester Zeit war die Praxis des Heilens in dieser Weise unterteilt“, schloß Cha Thrat. „In Ärzte, Chirurgen und Zauberer.“

Als sie ihre Ausführungen beendet hatte, blickte O'Mara einen Augenblick lang auf seine Hände, die mit der Innenfläche nach unten auf dem Schreibtisch lagen, und entgegnete mit ruhiger Stimme: „Es ist schön zu wissen, daß ich zur obersten Klasse der sommaradvanischen Ärzteschaft zählen würde, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich mich gern als Zauberer bezeichnen ließe.“ Auf einmal blickte er auf. „Was ist, wenn einer Ihrer Krieger oder Herrscher statt einer gewaltsamen Verletzung oder eines seelischen Problems simple Bauchschmerzen bekommt? Oder wenn sich ein Sklave bei einem Unfall ein Bein bricht? Was ist, wenn ein Sklave oder ein Krieger unzufrieden ist und sich verbessern will?“

„Über all das haben Ihnen doch die Leute vom Kulturkontakt einen ausführlichen Bericht als Hintergrundinformation zur neuen Ärztin geschickt“, mischte sich Chiang ein, fügte aber gleich entschuldigend hinzu: „Na ja, die Entscheidung, Cha Thrat hierherzuschicken, ist erst in letzter Minute getroffen worden, und womöglich ist der Bericht erst zusammen mit uns auf der Thromasaggar eingetroffen.“

O'Mara atmete laut aus — wobei sich Cha Thrat fragte, ob das ein Zeichen von Verärgerung über Chiangs Einmischung war — und erwiderte dann: „Zudem arbeitet das hausinterne Postverteilungssystem mit einem Tempo, das erheblich unter der Lichtgeschwindigkeit liegt. Bitte fahren Sie fort, Cha Thrat.“

„In dem äußerst unwahrscheinlichen Fall, daß ein Sklave solch einen Unfall hat, würde ein Chirurg für Krieger um die Behandlung gebeten werden, der den Auftrag seinerseits, je nach Einschätzung der Verletzungen, annehmen oder ablehnen würde“, erklärte sie. „Wie es sich an der verzögerten Behandlung Chiangs gezeigt hat, wird die Verantwortung für einen Patienten auf Sommaradva nicht leichtgenommen, und der Verlust eines Lebens, eines Organs oder einer Gliedmaße hat für den betreffenden Chirurgen ein ernstes Nachspiel.

Falls ein Krieger oder Herrscher einfache medizinische Hilfe benötigt, beauftragt man einen Heiler für Sklaven mit der Durchführung der nötigen Behandlung, was für ihn eine wirkliche Ehre ist.

Wenn ein sowohl tüchtiger als auch ehrgeiziger Sklave oder Krieger mit seiner Lage unzufrieden ist, kann er in eine höhere Klasse aufsteigen“, fuhr Cha Thrat fort. „Aber die Prüfungen sind äußerst umfangreich und schwierig. Es ist sehr viel einfacher, in der Klasse zu verbleiben, der die eigene Familie oder der Stamm traditionell angehört, oder, wenn man sich eine Befreiung von Problemen und Verantwortlichkeiten wünscht, eine Klasse hinabzusteigen. Beförderungen, selbst geringfügige Beförderungen innerhalb einer Klasse, werden auf Sommaradva nämlich nicht so leicht ausgesprochen.“

„Das werden sie hier auch nicht“, belehrte O'Mara die Sommaradvanerin. „Aber warum sind Sie überhaupt ins Orbit Hospital gekommen? War es Ehrgeiz, Neugier oder eher die Flucht vor Problemen zu Hause?“

Das war, wie Cha Thrat wußte, eine wichtige Frage, und die Art und Genauigkeit ihrer Antwort würde einen maßgeblichen Einfluß darauf haben, ob man sie im Hospital aufnehmen würde oder nicht. Sie bemühte sich, eine kurze, präzise und wahrheitsgemäße Antwort vorzuformulieren, doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte sich schon der Herrscher des Schiffs zu Wort gemeldet, und er sprach sehr schnell.

„Wir sind Cha Thrat für die Rettung meines Lebens sehr dankbar gewesen, und das haben wir auch ihren Kollegen und Vorgesetzten ganz deutlich gesagt. Dabei kam das Thema Behandlung durch speziesfremde Ärzte und somit auch das Orbit Hospital zur Sprache, an dem so etwas ja eher die Regel als die Ausnahme ist. Man machte uns den Vorschlag, Cha Thrat hierherzuschicken, und wir stimmten zu. Der Kulturkontakt mit Sommaradva läuft sehr gut, und wir wollten es auf keinen Fall riskieren, die Sommaradvaner durch eine etwaige Ablehnung zu kränken oder vielleicht sogar zu beleidigen.

Ich bin mir darüber im klaren, daß wir damit das übliche Auswahlverfahren für Bewerber umgehen, aber Cha Thrats bereits an mir unter Beweis gestellte Fähigkeit, Lebewesen anderer Spezies zu operieren, hat uns davon überzeugt, daß Sie daran interessiert sein müßten, sie.“

O'Mara hob die Hand. Er hatte Cha Thrat während der Ausführungen des zweiten Terrestriers nicht aus den Augen gelassen. „Sie meinen also, es handelt sich hierbei um so etwas wie eine politische Weisung, die wir akzeptieren müssen, ob wir wollen oder nicht, richtig?“ fragte er, ohne eine Antwort abzuwarten. „Aber die ursprüngliche Frage bleibt trotzdem. Warum wollten Sie hierherkommen?“

„Ich wollte gar nicht ins Orbit Hospital“, widersprach Cha Thrat. „Man hat mich hierhergeschickt.“

Chiang hielt sich plötzlich mit einer Hand die Augen zu, eine Geste, die Cha Thrat noch nie bei ihm gesehen hatte. O'Mara musterte sie einen Moment lang und sagte dann: „Erklären Sie das bitte genauer.“

„Als uns die Krieger des Monitorkorps von den vielen verschiedenen intelligenten Spezies erzählten, aus denen die Galaktische Föderation besteht, und mir gegenüber sehr ausführlich vom Orbit Hospital sprachen, wo ich mit vielen dieser Lebensformen zusammenkommen und arbeiten könnte, hat das natürlich meine Neugier und mein Interesse geweckt“, antwortete Cha Thrat wahrheitsgemäß. „Die Vorstellung, nicht nur einer, sondern beinahe siebzig verschiedenen Spezies zu begegnen, hat mir aber viel zuviel Angst eingejagt, da ich das Risiko fürchtete, mir bei dieser Erfahrung eine der Krankheiten der Herrscher zuziehen zu können. Ich habe jedem, der es hören wollte, meine Einstellung zu dieser Frage mitgeteilt und immer wieder darauf hingewiesen, daß meine praktischen und theoretischen Kenntnisse im Vergleich zu dem hohen Niveau der hier praktizierten Chirurgie völlig unzureichend seien. Dabei habe ich keine falsche Bescheidenheit vorgeschützt, denn ich besaß und besitze immer noch wirklich nur dürftige Kenntnisse. Weil ich zur Klasse der Krieger gehöre, konnte ich zwar nicht gezwungen werden mitzukommen, aber es wurde mir von meinen Kollegen und den dortigen Herrschern nachdrücklich empfohlen.“