Ich schrie nach Licht. Der Boy sprang: die abscheuliche Chinesin brachte mit zitternden Hnden eine ruende Petroleumlampe ich mute mich halten, um der gelben Kanaille nicht an die Gurgel zu springen sie stellten die Lampe auf den Tisch der Lichtschein fiel gelb und hell ber den gemarterten Leib Und pltzlich pltzlich war alles weg von mir, alle Dumpfheit, aller Zorn, all diese unreine Jauche von aufgehufter Leidenschaft ich war nur mehr Arzt, helfender, sprender, wissender Mensch ich hatte mich vergessen kmpfte mit wachen, klaren Sinnen gegen das Entsetzliche Ich fhlte den nackten Leib, den ich in meinen Trumen begehrt, nur mehr als wie soll ich es sagen als Materie, als Organismus ich sprte nicht mehr sie, sondern nur das Leben, das sich gegen den Tod wehrte, den Menschen, der sich krmmte in mrderischer Qual Ihr Blut, ihr heies, heiliges Blut berstrmte meine Hnde, aber ich sprte es nicht in Lust und nicht in Grauen ich war nur Arzt ich sah nur das Leiden und sah
Und sah sofort, da alles verloren war, wenn nicht ein Wunder geschehe sie war verletzt und halb verblutet unter der verbrecherisch ungeschickten Hand und ich hatte nichts, um das Blut zu stillen in dieser stinkenden Hhle, nicht einmal reines Wasser alles, was ich anrhrte, starrte vor SchmutzWir mssen sofort ins Spital. sagte ich. Aber kaum da ichs gesagt, bumte sich krampfig der gemarterte Leib auf.Nein nein lieber sterben niemand es erfahren niemand es erfahren nach Hause nach Hause
Ich verstand nur mehr um das Geheimnis, um ihre Ehre rang sie nicht um ihr Leben Und - ich gehorchte Der Boy brachte eine Snfte wir betteten sie hinein und so wie eine Leiche schon, matt und fiebernd trugen wir sie durch die Nacht nach Hause die fragende, erschreckte Dienerschaft abwehrend wie Diebe trugen wir sie hinein in ihr Zimmer und sperrten die Tren Und dann dann begann der Kampf, der lange Kampf gegen den Tod
Pltzlich krampfte sich eine Hand in meinen Arm, da ich fast aufschrie vor Schreck und Schmerz. Im Dunkeln war mir das Gesicht mit einemmal fratzenhaft nah, ich sah die weien Zhne, wie sie sich bleckten in pltzlichem Ausbruch, sah die Augenglser im fahlen Reflex des Mondlichts wie zwei riesige Katzenaugen glimmen. Und jetzt sprach er nicht mehr - er schrie, geschttelt von einem heulenden Zorn:Wissen Sie denn, Sie fremder Mensch, der Sie hier lssig auf einem Deckstuhl sitzen, ein Spazierfahrer durch die Welt, wissen Sie, wie das ist, wenn ein Mensch stirbt? Sind Sie schon einmal dabeigewesen, haben Sie es gesehen, wie der Leib sich aufkrmmt, die blauen Ngel ins Leere krallen, wie die Kehle rchelt, jedes Glied sich wehrt, jeder Finger sich stemmt gegen das Entsetzliche, und wie das Auge aufspringt in einem Grauen, fr das es keine Worte gibt? Haben Sie das schon einmal erlebt, Sie Miggnger, Sie Weltfahrer, Sie, der Sie vom Helfen reden als von einer Pflicht? Ich habe es oft gesehen als Arzt, habe es gesehen als als klinischen Fall, als Tatsache habe es sozusagen studiert - aber erlebt habe ichs nur einmal, miterlebt, mitgestorben bin ich nur damals in jener Nacht in jener entsetzlichen Nacht, wo ich sa und mir das Hirn zerprete, um etwas zu wissen, etwas zu finden, zu erfinden gegen das Blut, das rann und rann und rann, gegen das Fieber, das sie vor meinen Augen verbrannte gegen den Tod, der immer nher kam und den ich nicht wegdrngen konnte vom Bett. Verstehen Sie, was das heit, Arzt zu sein, alles wissen gegen alle Krankheiten - die Pflicht haben, zu helfen, wie Sie so weise sagen - und doch ohnmchtig bei einer Sterbenden zu sitzen, wissend und doch ohne Macht nur dies eine, dies Entsetzliche wissend, da man nicht helfen kann, ob man sich auch jede Ader aus seinem Krper aufreien mchte einen geliebten Krper zu sehen, wie er elend verblutet, gemartert von Schmerzen, einen Puls zu fhlen, der fliegt und zugleich verlischt der einem wegfliet unter den Fingern Arzt zu sein und nichts zu wissen, nichts, nichts, nichts nur dazusitzen und irgendein Gebet zu stammeln wie ein Hutzelweib in der Kirche, und dann wieder die Fuste ballen gegen einen erbrmlichen Gott, von dem man wei, da es ihn nicht gibt Verstehen Sie das? Verstehen Sie das? Ich ich verstehe nur eines nicht, wie wie man es macht, da man nicht mitstirbt in solchen Sekunden da man dann noch am nchsten Morgen von einem Schlaf aufsteht und sich die Zhne putzt und eine Krawatte umbindet da man noch leben kann, wenn man das miterlebte, was ich fhlte, wie dieser Atem, dieser erste Mensch, um den ich rang und kmpfte, den ich halten wollte mit allen Krften meiner Seele wie der wegglitt unter mir irgendwohin, immer rascher wegglitt, Minute um Minute, und ich nichts wute in meinem fiebernden Gehirn, um diesen, diesen einen Menschen festzuhalten
Und dazu, um teuflisch noch meine Qual zu verdoppeln, dazu noch dies Whrend ich an ihrem Bett sa - ich hatte ihr Morphium eingegeben, um die Schmerzen zu lindern, und sah sie liegen, mit heien Wangen, hei und fahl - ja whrend ich so sa, sprte ich vom Rcken her immer zwei Augen auf mich gerichtet mit einem frchterlichen Ausdruck der Spannung Der Boy sa dort auf den Boden gekauert und murmelte leise irgendwelche Gebete Wenn mein Blick den seinen traf, so nein, ich kann es nicht schildern so kam etwas so Flehendes, so so Dankbares in seinen hndischen Blick, und gleichzeitig hob er die Hnde zu mir, als wollte er mich beschwren, sie zu retten verstehen Sie: zu mir, zu mir hob er die Hnde wie zu einem Gott zu mir dem ohnmchtigen Schwchling, der wute, da alles verloren da ich hier so unntig sei wie eine Ameise, die am Boden raschelt Ah, dieser Blick, wie er mich qulte, diese fanatische, diese tierische Hoffnung auf meine Kunst ich htte ihn anschreien knnen und mit dem Fu treten, so weh tat er mir und doch, ich sprte, wie wir beide zusammenhingen durch unsere Liebe zu ihr durch das Geheimnis Ein lauerndes Tier, ein dumpfes Knuel, sa er zusammengeballt knapp hinter mir kaum da ich etwas verlangte, sprang er auf mit seinen nackten lautlosen Sohlen und reichte es zitternd erwartungsvoll her, als sei das die Hilfe die Rettung Ich wei, er htte sich die Adern aufgeschnitten, um ihr zu helfen so war diese Frau, solche Macht hatte sie ber Menschen und ich ich hatte nicht die Macht, ein Quentchen Blut zu retten O diese Nacht, diese entsetzliche Nacht, diese unendliche Nacht zwischen Leben und Tod! Gegen Morgen ward sie noch einmal wach sie schlug die Augen auf jetzt waren sie nicht mehr hochmtig und kalt ein Fieber glitzerte feucht darin, als sie, gleichsam fremd, das Zimmer abtasteten Dann sah sie mich an: sie schien nachzudenken, sich erinnern zu wollen an mein Gesicht und pltzlich ich sah es erinnerte sie sich denn irgendein Schreck, eine Abwehr etwas etwas Feindliches, Entsetztes spannte ihr Gesicht sie arbeitete mit den Armen, als wollte sie flchten weg, weg, weg von mir ich sah, sie dachte an das an die Stunde von damals Aber dann kam ein Besinnen sie sah mich ruhiger an, atmete schwer ich fhlte, sie wollte sprechen, etwas sagen Wieder begannen die Hnde sich zu spannen sie wollte sich aufheben, aber sie war zu schwach Ich beruhigte sie, beugte mich nieder da sah sie mich an mit einem langen, gequlten Blick ihre Lippen regten sich leise es war nur ein letzter erlschender Laut, wie sie sagte
Wird es niemand erfahren? Niemand?Niemand, sagte ich mit aller Kraft der berzeugung,ich verspreche es Ihnen.
Aber ihr Auge war noch unruhig Mit fiebriger Lippe ganz undeutlich arbeitete sie's heraus.Schwren Sie mir niemand erfahren schwren.
Ich hob die Finger wie zum Eid. Sie sah mich an mit einem einem unbeschreiblichen Blick weich war er, warm, dankbar ja, wirklich, wirklich dankbar Sie wollte noch etwas sprechen, aber es ward ihr zu schwer. Lang lag sie, ganz matt von der Anstrengung, mit geschlossenen Augen. Dann begann das Entsetzliche das Entsetzliche eine ganz schwere Stunde kmpfte sie noch: erst morgens war es zu Ende
Er schwieg lange. Ich merkte es nicht eher, als vom Mitteldeck die Glocke in die Stille schlug, ein, zwei, drei harte Schlge - drei Uhr. Das Mondlicht war matter geworden, aber irgendeine andere gelbe Helle zitterte schon unsicher in der Luft, und Wind flog manchmal leicht wie eine Brise her. Eine halbe, eine Stunde mehr, und dann war es Tag, war dies Grauen ausgelscht im klaren Licht. Ich sah seine Zge jetzt deutlicher, da die Schatten nicht mehr so dicht und schwarz in unsern Winkel fielen - er hatte die Kappe abgenommen, und unter dem blanken Schdel schien sein verqultes Gesicht noch schreckhafter. Aber schon wandten sich die glitzernden Brillenglser wieder mir zu, er straffte sich zusammen, und seine Stimme hatte einen hhnischen, scharfen Ton.Mit ihr wars nun zu Ende - aber nicht mit mir. Ich war allein mit der Leiche - aber allein in einem fremden Haus, allein in einer Stadt, die kein Geheimnis duldet, und ich ich hatte das Geheimnis zu hten Ja, denken Sie sich das nur aus, die ganze Situation: eine Frau aus der besten Gesellschaft der Kolonie, vollkommen gesund, die noch abends zuvor auf dem Regierungsball getanzt hat, liegt pltzlich tot in ihrem Bett ein fremder Arzt ist bei ihr, den angeblich ihr Diener gerufen niemand im Haus hat gesehen, wann und woher er kam man hat sie nachts auf einer Snfte hereingetragen und dann die Tren geschlossen und morgens ist sie tot dann erst hat man die Diener gerufen, und pltzlich gellt das Haus von Geschrei im Nu wissen es die Nachbarn, die ganze Stadt und nur einer ist da, der das alles erklren soll ich, der fremde Mensch, der Arzt aus einer entlegenen Station Eine erfreuliche Situation, nicht wahr?